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Naher Osten: Schwere Vorwürfe gegen Israels Armee

Naher Osten

Schwere Vorwürfe gegen Israels Armee

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    Israelische Soldaten durchsuchen einen Tunnel im nördlichen Gazastreifen.
    Israelische Soldaten durchsuchen einen Tunnel im nördlichen Gazastreifen. Foto: Ariel Schalit, dpa

    Ein Mann in khakigrüner Uniform, der sich durch einen engen Tunnel tastet. Ein Mann in blauer Unterhose, barfuß, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, der über den Schotter eines zerstörten Hauses stolpert. Dem Fernsehsender Al-Jazeera zufolge soll es sich bei den Männern um Palästinenser im Gazastreifen handeln, von Israels Armee, der IDF, als menschliche Schutzschilde missbraucht, um gefährliches Terrain zu sichern. Al-Jazeera zeigte die Bilder vor zwei Monaten. Nun glänzt der Sender aus Katar nicht eben mit Neutralität, wenn es um diesen Konflikt geht; gerade bei Vorwürfen gegen Israel sind Zweifel häufig angebracht.

    Doch vor Kurzem veröffentlichte die linke israelische Zeitung Haaretz einen investigativen Report, der die Vorwürfe erhärtete. Demnach kleiden die Soldaten willkürlich ausgewählte Zivilisten in Uniformen ohne Abzeichen ein, fesseln ihre Hände und schicken sie an Orte, wo Sprengfallen oder Hinterhalte drohen könnten: Häuser, Tunnel, Ruinen. Die Reporter berufen sich auf Aussagen mehrerer Soldaten, die in dem Text anonym bleiben. Einige berichten, sie selbst oder andere hätten die Praxis infrage gestellt und darauf harsche Reaktionen erhalten. „Einer der Kommandeure wandte sich an einen der Kampfsoldaten, die versucht hatten, Antworten zu bekommen, und sagte zu ihm: ‚Bist du nicht auch der Meinung, dass die Leben deiner Freunde viel mehr wert sind als ihre Leben (die der Palästinenser, Anm. d. Red.)?’“, zitiert die Zeitung einen von ihnen.

    Israels Armee will die Vorwürfe prüfen

    Die israelische Nichtregierungsorganisation „Breaking the Silence“, die Zeugenaussagen aktiver und ehemaliger IDF-Soldaten zum Umgang mit Palästinensern sammelt, bekräftigt die Vorwürfe. Der Einsatz palästinensischer Zivilisten als menschliche Schutzschilde in Gaza sei „systematisch“, heißt es in einer Mitteilung der Gruppe.

    Die Armee teilte mit, die Anweisungen und Befehle der IDF „verbieten den Einsatz von Zivilisten aus Gaza, die im Einsatzgebiet gefangen genommen werden, für militärische Missionen, bei denen ihr Leben vorsätzlich aufs Spiel gesetzt wird.“ Die Vorwürfe seien zur Überprüfung an die verantwortlichen Stellen weitergeleitet worden.

    Danny Orbach, Militärexperte von der Hebräischen Universität in Jerusalem, hält es für unplausibel, dass die Praxis weit verbreitet sei. „Dann müsste es viele Todesfälle geben, schließlich gibt es in Gaza sehr viele Gebäude mit Sprengfallen“, sagte er dieser Zeitung. Der Haaretz-Bericht dagegen nennt nur einen einzigen Todesfall: Demnach habe die IDF einen Palästinenser in ein Haus geschickt, um die dort verschanzten Kämpfer zur Aufgabe zu bewegen. Stattdessen hätten diese den Mann erschossen.

    Gaza-Krieg: Was weiß die militärische Führung von den Verbrechen?

    In dem Bericht heißt es ferner, hochrangige Offiziere wüssten von dem Missbrauch, womöglich gar Generalstabschef Herzi Halevi. Orbach dagegen vermutet, dass manche Kommandeure niedrigeren Ranges eigenmächtig zu unerlaubten Mitteln griffen. „Im Krieg gibt es immer eine Kluft zwischen den Regeln und komplizierten Situationen. Kommandeure versuchen, Lösungen zu finden, und manchmal fallen diese Lösungen in einen Graubereich – oder sind eben illegal.“

    Die Berichte über den Einsatz menschlicher Schutzschilde folgen Enthüllungen von verbreitetem Missbrauch palästinensischer Häftlinge auf der südisraelischen Militärbasis Sde Teiman, die derzeit als Gefangenenlager dient. Im Juli wurden dort neun Soldaten festgenommen: Sie sollen einen Häftling mit einer Eisenstange sexuell misshandelt haben. Rechte Aktivisten stürmten anschließend die Basis aus Protest gegen die Festnahmen – zusammen mit mehreren Politikern, darunter Tali Gotlib von der Likudpartei des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Und Itamar Ben-Gvir, Minister für Nationale Sicherheit und Chef der rechtsextremen Jüdischen Stärke, nahm die Verhafteten gar in Schutz: „Das Spektakel, dass Militärpolizisten unsere besten Helden in Sde Teiman festnehmen, ist nicht weniger als eine Schande.“ Regierungskritiker klagen, es seien politische Signale wie diese, die dem möglichen Missbrauch von Palästinensern noch Vorschub leisteten.

    Israel nennt seine Armee die „moralischste Armee der Welt“, auch Premierminister Benjamin Netanjahu betont das immer wieder. Doch gerade im aktuellen Krieg werden immer wieder Vorwürfe laut, dass sich die Truppen nicht an die Regeln des Völkerrechtes halten. Zugleich versichert die Armee immer wieder, dass Verbrechen der Soldatinnen und Soldaten aufgeklärt würden - anders als die Verbrechen der Terrororganisation Hamas.

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