Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sieht ein "erhöhtes Risiko" für russische Sabotageakte auch in Deutschland. "Diese Fähigkeiten sind faktisch vorhanden und können im Bedarfsfall auch gegen deutsche Ziele und vor allen Dingen kritische Infrastrukturen eingesetzt werden", sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang bei einem Symposium seiner Behörde in Berlin.
Es gebe bereits "Vorbereitungshandlungen" wie das Ausspähen der IT von Versorgungsunternehmen. "Entsprechende Ausspäh-Unternehmungen sehen wir bereits, aber noch nicht den massiven Cyberangriff gegen deutsche kritische Infrastruktur."
"Wir sind gut aufgestellt"
In Russland seien sehr starke Kräfte für Cyberangriffe aufgestellt worden, sagte Haldenwang. Diese kämen derzeit vor allem gegen die Infrastruktur in der Ukraine zum Einsatz. Würden diese gegen die USA, Westeuropa oder Deutschland eingesetzt, "dann müssen wir tatsächlich mit komplexen Angriffen rechnen". Haldenwang betonte zugleich: "Wir sind gut aufgestellt. Wir werden dem gut begegnen können."
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz berichtete auch von einer "hohen Intensität" bei den Aufklärungsaktivitäten der chinesischen Nachrichtendienste. Hier stehe nach wie vor der Transfer von Know-how im Zentrum. "Aber für das erklärte Ziel der globalen, politischen, militärischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Führungsrolle setzt Peking auch für Spionageoperationen unverändert enorme menschliche und finanzielle Ressourcen ein."
Peking handelt diskreter als Moskau
Zu beobachten seien auch im Fall China komplexe Cyberangriffe - aber auch "ein gesteigertes Interesse an der Ausspähung der deutschen Politik auf allen Feldern", sagte Haldenwang. "Während sich Moskaus Revanchismus als aggressiv und militaristisch demaskiert hat, handelt Peking weitaus diskreter, strategischer und mit langfristiger Zielsetzung."
Bei den russischen Nachrichtendiensten hätten die Intensität, der Umfang und die Komplexität der Tätigkeit seit Beginn des Krieges in der Ukraine spürbar zugenommen, sagte Haldenwang. Die konventionellen Zugänge zu Informationen hätten sich für Russland auch wegen der europaweiten Ausweisung mehrerer hundert Mitarbeiter ihrer Nachrichtendienste drastisch reduziert. "Jetzt sind sie gezwungen, ihr hohes Aufklärungsinteresse durch alternative Methoden zu stillen."
Agenten,Cyperangriffe und falsche Identitäten
Dies geschehe zum Beispiel durch Cyberangriffe, klassische Agenten oder sogenannte eingeschleuste Illegale mit falscher Identität. "Für Deutschland sind damit die Risiken gestiegen. Hier verbietet sich jede Naivität", warnte Haldenwang.
Er wies darauf hin, dass Russland Desinformation in Deutschland direkt an Verschwörungsgläubige und extremistische Spektren an den politischen Rändern der Gesellschaft adressiere. Dort werde sie aufgegriffen, weiterverbreitet und in ihrer Wirkung verstärkt. Die wirkmächtigen Umtriebe auswärtiger autoritärer Regime interagierten mit dem Aufstieg autoritärer Ideen im Inland. "Sowohl externe Einflussakteure als auch inländische Extremisten haben dank digitaler Kommunikationsmittel nicht nur einen gut gefüllten Werkzeugkasten, sondern finden auch einen reich gedeckten Tisch an Themen vor."
Die vor uns liegenden Aufgaben zur Behauptung der Demokratie seien anspruchsvoll, sagte Haldenwang. "Wir müssen uns potenten Mächten sowie extremistischen Bestrebungen entgegenstellen." Allerdings hätten die liberalen Demokratien es selber in der Hand. Man müsse sich nicht vor dem Vergleich der Systeme sorgen. "Unsere Gegner verteidigen die Freiheit eines Regimes vor seinen Untertanen. Wir verteidigen die Demokratie und die Würde freier Bürger."
(Von Ulrich Steinkohl, dpa)