Bundesaußenminister Heiko Maas hat Russland mit weiteren Sanktionen im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny gedroht, ein Ende der Gaspipeline Nord Stream 2 aber abgelehnt.
"Sanktionen müssen die richtigen treffen", sagte er am Mittwoch im Bundestag zur Begründung. "Und in diesem Fall sind das diejenigen, die verantwortlich sind für das repressive Vorgehen der Staatsmacht gegen ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger und nicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von fast 150 europäische Unternehmen - die meisten davon aus Deutschland."
Maas wies außerdem darauf hin, welches "Eskalationspotenzial" ein Stopp der Pipeline hätte. Eine völlige wirtschaftliche Isolation Russlands parallel zu einer Islolation Chinas würde ein Zusammenrücken beider Länder bewirken und "den größten wirtschaftlichen, militärischen Verbund" schaffen, den es gebe. Das könne nicht die Strategie des Westens sein. "Deshalb bin ich dagegen, alle Brücken nach Russland abzuschlagen."
Nawalny war vergangene Woche zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er aus Sicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen haben soll. Auf den prominentesten Oppositionellen Russlands war im August in Russland ein Giftanschlag verübt worden, von dem er sich anschließend in Deutschland erholt hat. Im Januar wurde er bei der Rückkehr nach Russland festgenommen. Dagegen und gegen Präsident Wladimir Putin hat es landesweite Proteste mit zahlreichen Festnahmen gegeben.
Die EU-Außenminister wollen am 22. Februar über weitere Sanktionen gegen Russland beraten. Wegen des Anschlags auf Nawalny hatte die Europäische Union bereits im vergangenen Jahr Einreise- und Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld Putins verhängt.
Maas lehnte auch Sanktionen gegen Russland im Europarat ab, dessen Hauptziel der Schutz von Menschenrechten ist. "Mit der Mitgliedschaft Russlands im Europarat haben Millionen russische Bürgerinnen und Bürger weiterhin Zugang zum Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Sollen wir ihnen diesen Zugang nehmen?", fragte Maas.
Der Außenminister warf der russischen Führung aber gleichzeitig Vertuschung, Desinformation und Leugnung der eigenen Verantwortung nach der Vergiftung Nawalnys vor. Mit der Inhaftierung des Oppositionellen wolle Moskau nun auch noch das Opfer zum Täter machen, sagte er. "Was wie ein Auszug aus einem alten Agentenhandbuch klingt, das ist kurz gefasst nichts anderes als das Drehbuch, nach dem Moskau in den letzten Monaten agiert." Maas forderte erneut die unverzügliche Freilassung Nawalnys und der festgenommenen Demonstranten.
Die Grünen verlangten im Bundestag einen Stopp von Nord Stream 2, die FDP und der CDU-Abgeordnete Michael Brandt ein Moratorium. Die Pipeline zwischen Russland und Deutschland ist fast fertiggebaut. Viele europäische Staaten lehnen das Projekt ab. Die USA bekämpfen es mit Sanktionen, weil sie eine zu starke Abhängigkeit Europas von russischen Energielieferungen befürchten.
Für Aufregung sorgte, dass die Grünen sich mit ihrer Forderung durchsetzten, Finanzminister Olaf Scholz (SPD) - der gerade an der Bund-Länder-Konferenz zur Corona-Pandemie teilnahm - in den Bundestag zu zitieren. Hintergrund war, dass Scholz den USA ein Milliardenangebot zur Verhinderung von Sanktionen gegen Nord Stream 2 gemacht haben soll. Am Dienstag hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein entsprechendes Dokument veröffentlicht. Demnach hat Scholz den USA bis zu einer Milliarde Euro Importförderung für ihr Flüssiggas geboten.
"Die SPD will mit Steuergeld schmutziges Fracking-Gas aus den USA kaufen, um die klimaschädliche Pipeline des Autokraten Putin weiterzubauen", sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner dazu. Die SPD kritisierte dagegen scharf, dass Scholz in den Bundestag zitiert wurde und als Vizekanzler die Corona-Beratungen verlassen musste. "Ich finde die Prioritätensetzung der Grünen grob fahrlässig", sagte Vizefraktionschefin Katja Mast.
Das Finanzministerium hat das von der DUH veröffentlichte Dokument bisher nicht kommentiert und sich dabei auf die Vertraulichkeit der Verhandlungen mit den USA berufen. Die Grünen wollen das nicht hinnehmen, weil es um Steuergelder geht und der Bundestag die Hoheit über den Bundeshaushalt hat.
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