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Nach Gauck-Kritik: Linke, SPD und Grüne weisen Gaucks Kritik an Rot-Rot-Grün zurück

Nach Gauck-Kritik

Linke, SPD und Grüne weisen Gaucks Kritik an Rot-Rot-Grün zurück

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    Joachim Gauck schaltet sich in die Debatte ein, ob die Linkspartei bald den ersten Chef einer Landesregierung stellen soll - mit klaren Vorbehalten.
    Joachim Gauck schaltet sich in die Debatte ein, ob die Linkspartei bald den ersten Chef einer Landesregierung stellen soll - mit klaren Vorbehalten. Foto: Soeren Stache/Archiv (dpa)

    Bundespräsident Joachim Gauck hat mit seinen Vorbehalten gegen eine rot-rot-grüne Koalition in Thüringen deutliche Kritik bei den drei beteiligten Parteien ausgelöst. Linken-Chefin Katja Kipping sagte am Wochenende: "So etwas gehört sich für einen Präsidenten nicht." SPD-Vize Ralf Stegner mahnte ebenso wie Grünen-Chefin Simone Peter parteipolitische Neutralität vom Staatsoberhaupt an. Gauck hatte gesagt, ein linker Ministerpräsident würde ihm einiges abverlangen.

    Kipping sagte der Bild am Sonntag: "Ein Präsident muss seine Worte sehr wägen." Sobald er sich dem Verdacht aussetzte, Parteipolitik zu machen, sei "seine Autorität beschädigt". Gaucks Zweifel "an der demokratischen Gesinnung" der Linken-Parteimitglieder und Wähler weise sie "in aller Form zurück". Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte dem Tagesspiegel, die Hälfte aller Ostdeutschen würden sich Umfragen zufolge einen linken Ministerpräsidenten in Thüringen wünschen. "Vielleicht sollte ein zur Neutralität verpflichtetes Staatsoberhaupt zumindest dies akzeptieren", fügte er hinzu.

    Rot-Rot-Grün weisen Gaucks Kritik zurück

    Gauck hatte im ARD-"Bericht aus Berlin" vom Sonntag mit Blick auf die mögliche Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gesagt: "Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren."

    Die Wahlentscheidung sei zwar zu respektieren, dennoch bleibe die Frage: "Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?", sagte Gauck.

    Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Stegner begrüßte grundsätzlich, dass sich Gauck auch bei schwierigen Themen oft sehr klar äußere und dies auch zu seiner Popularität beitrage. "In strittigen Fragen der aktuellen Parteipolitik ist allerdings Zurückhaltung klug und geboten, zumal die Amtsautorität des Staatsoberhauptes auf seiner besonderen Überparteilichkeit beruht", betonte Stegner im Tagesspiegel .

    Cem Özdemir nimmt Gauck nach kritischer Äußerung in Schutz

    Grünen-Chefin Peter sagte der Welt, niemand verlange von Gauck, "seine Biografie zu verleugnen". "Aber als Bundespräsident muss er parteipolitisch neutral agieren." Gauck war DDR-Bürgerrechtler und Bundesbauftragter für die Stasi-Unterlagen. In Thüringen hätten die Wähler demokratisch entschieden, Linkspartei, SPD und Grünen eine Mehrheit im Parlament zu geben, sagte Peter. Damit daraus eine Regierungsmehrheit werden könne, müsse die Linke "den Charakter der DDR als Unrechtsstaat anerkennen". Darauf würden die Grünen auch in den Koalitionsverhandlungen bestehen.

    Der Grünen-Ko-Vorsitzende Cem Özdemir nahm Gauck dagegen in Schutz. "Der Bundespräsident hat nur das gesagt, was viele denken, die das Unrecht, das in der DDR vorherrschte, zum Teil noch am eigenen Leib erfahren haben. Das sollte man ernst nehmen", sagte Özdemir der Leipziger Volkszeitung. Mit Parteipolitik habe Gaucks Meinungsäußerung "nichts zu tun".

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Wenn die SPD in Thüringen, bei der derzeit eine Mitgliederbefragung läuft, den Weg für Rot-Rot-Grün freimacht, könnte Ramelow am 5. Dezember gewählt werden. Damit wäre erstmals ein Politiker der Linken Ministerpräsident eines Bundeslandes. afp

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