Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Moldau am Scheideweg: Historisches Referendum entscheidet über EU-Zukunft

Moldau

Moldau ist nach dem Referendum gespalten zwischen Ost und West

    • |
    • |
    Der moldauischen Präsidentin Maia Sandu stehen schwere Zeiten bevor. Das Referendum wurde nur knapp angenommen.
    Der moldauischen Präsidentin Maia Sandu stehen schwere Zeiten bevor. Das Referendum wurde nur knapp angenommen. Foto: Vadim Ghirda, dpa

    Nicht nur die EU-Befürworter und Aktivisten in Moldau zitterten am Montagmorgen. Auch in Brüssel verbrachten die Vertreter der Gemeinschaft mit Blick auf die Auszählung des historischen Referendums eine schlaflose Nacht. Am Ende sollten nur rund 11.000 Stimmen über den künftigen Kurs der ehemaligen Sowjetrepublik entscheiden: 50,4 Prozent der knapp 1,5 Millionen Wähler Moldaus machten am Sonntag ihr Kreuz bei „Ja“ und sprachen sich dafür aus, den Beitritt ihres Landes in die Europäische Union in der Verfassung zu verankern. Die hauchdünne Mehrheit war zustande gekommen allein durch jene Hunderttausende Moldauer, die im Ausland leben und den Beitritt in überwältigender Zahl unterstützten.

    Tatsächlich lag am Montagvormittag noch die „Nein“-Kampagne vorn, obwohl Umfragen in den vergangenen Wochen einen klaren Sieg für die proeuropäischen Kräfte prognostiziert hatten. Dementsprechend herrschte Alarm in der Hauptstadt Chişinău. Gegen Mitternacht berief die pro-westliche Präsidentin Maia Sandu eine Notfall-Pressekonferenz ein, in der sie die Schuld für die zwischenzeitlichen Auszählungsresultate auf „kriminelle Gruppen, die mit ausländischen Kräften zusammenarbeiten“, schob. Diese wollten „den demokratischen Prozess untergraben“ und mit Geld und Propaganda das Ergebnis beeinflussen. Zu jener Stunde lag ihre Kampagne um fast zehn Prozentpunkte zurück. Es seien laut Sandu „Millionen Euro“ ausgegeben worden, um mit Lügen und Propaganda „Unsicherheit und Instabilität“ zu erzeugen. Zudem verwies sie auf Beweise, dass etwa 300.000 Nein-Stimmen beim Referendum gekauft worden seien.

    Referendum in Moldau: Hat Russland die Abstimmung manipuliert?

    „Wir wissen, dass diese Abstimmung unter beispielloser Einmischung und Einschüchterung durch Russland und seine Vertreter stattfand, um den demokratischen Prozess zu destabilisieren“, kritisierte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag. Die Moldawier hätten sich „nicht einschüchtern lassen“, meinte der SPD-Europaabgeordnete Tobias Cremer, der bei einer Wahlbeobachtungsmission vor Ort teilgenommen hatte. Er nannte es „eine bewegende Erfahrung“ zu erleben, mit wie viel Mut und Hingabe die Menschen „ihre Demokratie gegen russische Einflussnahme und Manipulation verteidigen“. Kritik kam auch aus Berlin: „Wir sehen, dass Russland und auch prorussische Akteure in großem Umfang versuchen, Moldau zu destabilisieren“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Sie forderte eine Untersuchung der Vorgänge.

    Was das Ergebnis jedoch wie unter dem Brennglas offenbarte: Die 2,5 Millionen Einwohner zählende Republik, auf der Landkarte eingeklemmt zwischen Rumänien und der Ukraine, ist tief gespalten zwischen proeuropäischen und prorussischen Kräften. Es geht um Einfluss, um geopolitische Fragen, um Richtungsentscheidungen. Wer gewinnt die Zerreißprobe?

    Maia Sandu muss in die Stichwahl

    Sandu wollte den von ihrer Regierung eingeschlagenen EU-Kurs als strategisches Ziel in der Verfassung zementieren lassen. Sie warnt regelmäßig vor Russland als größte Bedrohung für die Stabilität der Republik. Moskau warf Brüssel derweil vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben. So hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in dem armen Agrarstaat kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro an Fördergeld in Aussicht gestellt. Die Finanzspritze soll vor allem das Wachstum ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen sowie Dienstleistungen und Infrastruktur verbessern. Und vom EU-Kurs überzeugen?

    Für die Union ist das knappe Referendumsergebnis kein Grund zum Feiern. Denn längst ist das kleine Moldau im Windschatten der Ukraine ins Zentrum großer europäischer Fragen gerückt: Kann eine Erweiterung ernsthaft gelingen, solange Moskau nichts unversucht lässt, um die junge Demokratie zu destabilisieren? Seit Juni 2022 ist der Staat bereits Beitrittskandidat, Ende vergangenen Jahres begannen die Aufnahmegespräche. Eigentlich hatten sich die EU-Spitzen mehr Zuspruch erhofft, nachdem sie die Tür für Moldau genauso weit öffneten wie für die Ukraine. Sie investieren seit Jahren viel Geld, um das Land zu stützen, inzwischen sind es mehrere hundert Millionen Euro. Denn eines wollen sie unbedingt verhindern: Dass neben Weißrussland ein zweiter Staat unter Putins Fuchtel an der EU-Ostgrenze entsteht.

    Die gleichzeitig abgehaltene Präsidentschaftswahl in Moldau sorgte ebenfalls für Enttäuschung. In ihrem Bemühen um eine zweite Amtszeit verfehlte Sandu die absolute Mehrheit deutlich und muss in die Stichwahl am 3. November gehen. Ihr Gegner wird der frühere Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo sein, der für die traditionell starke Sozialistische Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon antritt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden