Die Staatsanwaltschaft ist nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" mit einem Durchsuchungsbeschluss beim katholischen Erzbistum München und Freising vorstellig geworden. Die Aktion soll im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche stehen.
Das Erzbistum wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Gegen Kardinal Reinhard Marx richteten sich die Ermittlungen nicht, schreibt die Zeitung.
"Wie bereits bekannt, ist die Staatsanwaltschaft München I mit der Prüfung der Anfang August 2021 durch die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl mitgeteilten über 40 Fälle befasst, in denen (...) aus dortiger Sicht ein Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger gegeben sein könnte", sagte die Sprecherin der Justizbehörde, Anne Leiding. "Wir können wie üblich zu laufenden Ermittlungen keine Auskünfte geben, werden aber voraussichtlich zum Abschluss der Ermittlungen von uns aus mit Informationen an die Medien herantreten."
Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte im Januar 2022 im Auftrag des Erzbistums ein Aufsehen erregendes Gutachten veröffentlicht. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus - und von einem weit größeren Dunkelfeld. Bei der Aktion der Staatsanwaltschaft am 16. Februar soll es laut "SZ" um einen inzwischen gestorbenen Geistlichen gegangen sein, dessen Taten bis in die 1960er Jahre zurück reichen.
"Zeitenwende" im Verhältnis zur Kirche
Es sei "die erste und schon lange überfällige Durchsuchung einer Staatsanwaltschaft mit richterlichem Durchsuchungsbefehl", sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller der dpa und sprach von einer "Zeitenwende im Verhältnis von staatlicher Justiz und den Kirchen". Schüller: "Endlich zeigt der Rechtsstaat der katholischen Kirche und damit auch der evangelischen Kirche die Zähne."
Die Justiz - vor allem in Bayern - war immer wieder dafür kritisiert worden, die Kirche mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sich selbst zu überlassen, nicht einzugreifen und damit Vertuschung zu ermöglichen. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hatte sich zuletzt im Dezember im Landtag für eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene ausgesprochen und betont, dass kirchliche Gutachten für die Verfolgung von Straftaten nur eine sehr untergeordnete Rolle spielten.
Auch wenn das Erzbistum stets betont hat, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten und alle relevanten Unterlagen übermittelt zu haben, und auch wenn laut "SZ" bei der Aktion nichts Nennenswertes gefunden worden sein soll, hat sie aus Sicht Schüllers großen symbolischen Wert: "Die Justiz im Freistaat Bayern macht es allen Bundesländern vor und demonstriert, dass die Schonzeit für die Kirchen vorbei ist, wenn es um den Verdacht schwerer Sexualstraftaten geht. Die Kirchen sind kein Staat im Staat, besitzen keine Sonderrechte und müssen wie jedermann behandelt werden", sagte er.
(dpa)