Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat sich nach dem Bekanntwerden von Tausenden Fällen von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) für verbindliche Regeln für Anerkennungszahlungen ausgesprochen. "Ob der erlebte Missbrauch jemals wieder gutgemacht werden kann - und wenn ja, wie, das können Betroffene nur für sich selbst entscheiden", sagte Claus den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
"Ich finde es sehr gut, dass die hessische Landeskirche einen Sockelbetrag von 20.000 Euro für Betroffene von Missbrauch festgelegt hat, vielerorts sind es nur 5000 Euro. Wichtig ist: Es muss jetzt Transparenz und Verbindlichkeit bei den Anerkennungszahlungen hergestellt werden, verpflichtend für alle Landeskirchen."
Studie nur "Spitze der Spitze des Eisbergs"?
Eine in der vergangenen Woche vorgestellte Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche dokumentiert mindestens 2225 Betroffene und 1259 mutmaßliche Täter für die vergangenen Jahrzehnte. Der Studienleiter sprach von der "Spitze der Spitze des Eisbergs".
Claus kritisierte den Umgang der EKD mit den Betroffenen. "Die Studie macht sichtbar, dass die Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche keine Einzelfälle sind. Genau das aber wurde den Betroffenen immer von Seiten der Kirche erzählt." Es sei erschreckend, dass sich die Kirche immer noch wehre gegen Meldestellen, externe Hilfeangebote und Aufklärung, "weil sich Verantwortliche angeblich unter Generalverdacht gestellt fühlen".
Die Kirche brauche die von den Forschern klar empfohlenen und von Betroffenen schon lange geforderten unabhängigen Meldestellen und Ombudsstellen. "Die Evangelische Kirche zieht sich beim Umgang mit sexualisierter Gewalt in Kirchengremien zurück, vieles bleibt im Dunklen für die Öffentlichkeit. Das ist Hinterzimmer-Politik, und davon muss sich die Kirche verabschieden", sagte Claus.
(dpa)