Nie haben sich so viele Menschen mit dem Coronavirus angesteckt wie in diesen Tagen. Trotzdem werden Bund und Länder die Maßnahmen an diesem Montag wohl nicht verschärfen. Hauptgrund: Die immer neuen Rekorde bei den Infektionszahlen machen sich bislang nur bedingt in den Intensivstationen bemerkbar. Bayerns Regierungschef Markus Söder kündigt im Gespräch mit unserer Redaktion nicht nur Widerstand gegen härtere Maßnahmen an, sondern fordert sogar Lockerungen. Der Expertenrat der Bundesregierung sieht zwar keinen akuten Handlungsbedarf, gibt den Verantwortlichen allerdings eine klare Warnung mit.
Markus Söder will Lockerungen für Sport, Kultur und Jugendarbeit
„Bayern wird in der Ministerpräsidentenkonferenz keine Verschärfungen mittragen, sondern die Regeln an einzelnen Stellen anpassen. Wir wollen in der Kultur, beim Sport und in der Jugendarbeit wieder mehr Teilhabe ermöglichen“, sagt Söder und bezieht sich darauf, dass die aktuell dominierende Virusvariante zwar extrem ansteckend ist, aber weniger Menschen ins Krankenhaus zwingt als frühere Mutationen.
„Omikron ist nicht Delta, deshalb können wir die Maßnahmen auch nicht 1:1 übertragen“, sagt der CSU-Chef. Der entscheidende Maßstab sei die Belastung des Gesundheitssystems. „Und dank der konsequenten Maßnahmen der vergangenen Wochen sowie der milderen Verläufe bei Omikron sind die Zahlen bei den belegten Intensivbetten insgesamt erfreulicherweise gesunken.“ Doch der Expertenrat setzt ein dickes Fragezeichen, ob das auch so bleibt.
Inzidenz erstmals über 800, doch was passiert in den Krankenhäusern?
Am Sonntag überstieg die bundesweite Inzidenz erstmals die Zahl von 800 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Das Beratergremium rechnet damit, dass sich dieser Wert in manchen Regionen schon bald vervielfachen wird – und fordert Bund und Länder deshalb auf, schon jetzt weitere Maßnahmen vorzubereiten. Die Rechnung der Fachleute geht so: Omikron löst zwar in Relation viel weniger schwere Verläufe aus, wenn sich gleichzeitig aber viel mehr Menschen anstecken, wird dieser Vorteil aufgehoben. Und am Ende droht den Kliniken doch wieder eine Überlastung.
Zum Gegenspieler Söders, der lange selbst zu den Verfechtern einer besonders harten Linie gehört hatte, könnte sich nun sein nordrhein-westfälischer Kollege Hendrik Wüst (CDU) entwickeln. Der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz warnte im Tagesspiegel, ein Signal zu großflächigen, pauschalen Lockerungen käme noch zu früh. „Immer noch sterben rund 1500 Menschen pro Woche an Corona, das Personal in den Krankenhäusern ist komplett ausgelaugt – das kann uns doch nicht kalt lassen“, sagte Wüst.
Karl Lauterbach will die aktuellen Maßnahmen weiterführen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plädiert ebenfalls dafür, die geltenden Regeln beizubehalten. Zumindest in einem Punkt wächst allerdings der Druck: Der Handel appelliert an den SPD-Politiker, die 2G-Regel beim Einkaufen abzuschaffen. Sie erlaubt nur Geimpften und Genesenen den Zugang zu Läden, die nicht dem täglichen Bedarf dienen. In Bayern, Niedersachsen und im Saarland wurde die Vorschrift allerdings bereits von Gerichten gekippt.
Lauterbach war zudem vergangene Woche in die Kritik geraten, weil sein Ministerium den Genesenen-Status überraschend von sechs auf drei Monate verkürzt hatte. Damit zog er sich auch Söders Unmut zu: „Wir brauchen vom Bund wieder mehr Verlässlichkeit in der Planung – und auch eine deutlich bessere Kommunikation“, sagte er. „Überstürzte und schlecht erklärte Entscheidungen helfen nicht weiter und senken die Akzeptanz der Bevölkerung im Kampf gegen Corona.“
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast an. In der aktuellen Folge spricht eine Betroffene über ihre Long-Covid-Erkrankung – und über den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben.