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Asylpolitik: Deutschlandpakt: Treffen von Scholz und Merz ohne greifbares Ergebnis

Asylpolitik

Deutschlandpakt: Treffen von Scholz und Merz ohne greifbares Ergebnis

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    Geflüchtete stehen vor den Gebäuden einer Flüchtlingsunterkunft in Köln.
    Geflüchtete stehen vor den Gebäuden einer Flüchtlingsunterkunft in Köln. Foto: Henning Kaiser, dpa

    Die deutsche Politik sucht den Schulterschluss in der Asylpolitik und will die drängendsten Probleme des Landes gemeinsam angehen. Ob das wirklich gelingt, muss weiter abgewartet werden. Ein Spitzentreffen zum sogenannten Deutschlandpakt mit Kanzler Olaf Scholz, CDU-Chef Friedrich Merz sowie den beiden Ministerpräsidenten Boris Rhein und Stephan Weil am Freitagabend im Kanzleramt ging den Angaben zufolge zwar konstruktiv, aber noch ohne konkrete Ergebnisse auseinander. Merz legte bei dem Treffen ein Forderungspapier mit 26 Punkten vor. Die Frage ist nun, ob Scholz und die Ampel-Regierung dieses Papier mittragen wollen. Klarheit dürfte erst das Treffen von Scholz mit der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November bringen.

    In dem unserer Redaktion vorliegenden Unions-Forderungspapier unter dem Titel „Deutschlandpakt: Maßnahmen zur Begrenzung illegaler Migration“ fordert die von Merz angeführte CDU/CSU-Bundestagsfraktion zunächst „Nationale Maßnahmen“. Gleich die erste ist starker Tobak. „Gemeinsames Verständnis, dass Deutschland mit Blick auf die Integrations-Infrastruktur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine Asylzuwanderung bis maximal 200.000 Personen pro Jahr verträgt“, heißt es dort abgehackt, und weiter: „Vor diesem Hintergrund: Regierungserklärung des Bundeskanzlers mit dem Signal: Deutschlands Aufnahmekapazitäten sind erschöpft.“ Derzeit ist kaum vorstellbar, dass Scholz sich vorschreiben lässt, mit welchen Inhalten er seine Regierungserklärungen füllt.

    Ein Angebot, das Scholz kaum annehmen kann

    Es folgen Unions-Forderungen, die teilweise schon bekannt sind. Beispielsweise die nach der „Einführung lageangepasster, stationärer Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und zur Schweiz“ oder die „Einrichtung von Transitzonen und Rückkehrzentren“. In den Transitzonen soll es an den Landesgrenzen nach dem Willen der Union ein beschleunigtes Verfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive geben. Ob die Ampel hier mitgeht, ist fraglich. Frühere Vorstöße dieser Art – der ehemalige CSU-Chef Horst Seehofer etwa hatte mit einem solchen Vorschlag für Schlagzeilen gesorgt – waren von Grünen und SPD mindestens skeptisch bewertet worden. Fraglich ist auch, ob die Grünen der CDU/CSU-Idee folgen wollen, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme wie die für Afghanen sofort zu stoppen. Mitgehen könnte die Ampel eventuell bei der Forderung, dass Sachleistungen in Zukunft Vorrang vor Geldleistungen haben sollen.

    Auf „europäischer Ebene“ hat Merz – der den Angaben zufolge zunächst ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Kanzler führte - eine „persönliche Initiative des Bundeskanzlers gegenüber der EU-Kommission“ in die Forderungsliste aufgenommen. Der Kanzler soll erreichen, dass „EU-Mittel für den Schutz der EU-Außengrenzen und für die Errichtung von Infrastruktur zum Grenzschutz freigegeben werden – wie es bereits Beschlusslage des Europäischen Parlaments ist“. Auch hier stellt sich die Frage, ob Scholz bereit ist, sich vom Oppositionsführer die Linien seiner Europapolitik vorschreiben zu lassen. Das gilt ebenso für diese Unions-Forderung: „Europäische Initiativen des Bundeskanzlers zur Revitalisierung des EU-Türkei-Abkommens und zum Abschluss eines entsprechenden EU-Tunesien Abkommens.“

    Merz will in Asylpolitik "keinen faulen Kompromiss"

    Merz wiederum hatte vor dem Treffen erklärt, er werde „keinem faulen Kompromiss zustimmen“. Die Frage an dieser Stelle ist also, ob er bereit wäre, von seinem Forderungskatalog abzuweichen – und wenn ja, in welchem Umfang. In der ersten Betrachtung wirkt das Positionspapier von CDU und CSU eher wie ein Angebot, dass Scholz gar nicht annehmen kann, wenn er nicht sein Gesicht verlieren will. Würde er die Forderungen erfüllen, müsste er sich danach stets vorhalten lassen, er agiere als Marionette der Opposition.

    Hoffnung auf Fortschritte hin zu einer gemeinsamen Asylpolitik machen indes die Äußerungen der Ministerpräsidenten Rhein (Hessen, CDU) und Weil (Niedersachsen, SPD). Die zeigten sich nach dem Spitzengespräch im Kanzleramt zuversichtlich, dass eine Lösung des Problems möglich ist. Das Gespräch sei „sehr konstruktiv“ gewesen und habe „in einer sehr guten Atmosphäre stattgefunden“, sagte Rhein, der derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz innehat. Für die SPD-geführten Bundesländer schlug Weil ähnliche Töne an. ist. Es gebe „erkennbar die Bereitschaft“ zu einem gemeinsamen Vorgehen von Bund und Ländern, sagte er.

    Ministerpräsidenten Rhein und Weil noch optimistisch

    Rhein und Weil hatten bereits die erste Tageshälfte miteinander verbracht, um in einem anderen Kreis über die Zuwanderung zu beraten. Im ehrwürdigen Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens tagte die Runde der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten bereits seit Donnerstag. Im Anschluss sagte Rhein: "Die Bürger haben zu Recht die Erwartung, dass wir uns um das Thema Migration kümmern." Die Runde habe das Gefühl, große Schritte zu machen. Es bestehe Einigkeit darüber, die Rückführung von illegalen Flüchtlingen neu zu ordnen. "Wir fordern den Bund zu weiteren Migrationsmaßnahmen auf", sagte er. 

    Gesprochen worden sei zudem über die Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte, die die bisherigen Geldzahlungen zur Versorgung von Flüchtlingen ersetzen könnte. Hintergrund: Damit soll verhindert werden, dass Flüchtlinge Geld in ihre Heimatländer zurücküberweisen. Insgesamt sind mehrere Maßnahmen in der Diskussion, die sogenannte "Pull-Faktoren" oder Fehlanreize für Migranten eindämmen sollen. Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte sich zuvor für die bundesweite Einführung solcher Bezahlkarten für Asylbewerber starkgemacht: "Deutschland muss sich der Anziehungskraft seines sozialen Sicherungssystems bewusst sein und entsprechende Konsequenzen ziehen." Außerdem forderte er beschleunigte Asylverfahren. 

    Schnellere Abschiebung soll kommen

    Laut Boris Rhein einigte sich die Gruppe der Länderchefs auf die Forderung, dass Asylverfahren für Bewerber mit niedrigen Erfolgsaussichten künftig nicht länger als drei Monate dauern dürfen – einschließlich möglicher Gerichtsverfahren. Vom Bund wünschen sich die Länderchefinnen- und -chefs zudem weitere Migrationsabkommen mit Drittstaaten, eine Eindämmung der Sekundärmigration sowie Anstrengungen für einen europäischen Verteilungsmechanismus sowie die Harmonisierung von Sozialleistungen für Flüchtlinge in Europa. Mit Blick auf den Arbeitskräftemangel im Land soll es Geflüchteten leichter möglich sein, einen Job aufzunehmen, gleichzeitig sollen Möglichkeiten genutzt werden, Asylbewerber zu gemeinnützigen Arbeiten heranzuziehen. Ausgetauscht haben sich die Länder dem hessischen Landeschef zufolge intensiv über die Kostenlast bei der Unterbringung von Geflüchteten. Hier müsse sich der Bund "signifikant bewegen". 

    Weil betonte, dass sich die Länderchefs einig darüber seien, dass dringender Handlungsbedarf bestehe: "Ich bin seit zehn Jahren in den Runden dabei. Es gab noch nie so eine ernsthafte Diskussion." Er und die anderen Länderchefs seien "fest entschlossen, unseren Teil dazu beizutragen, unsere politische Ordnung zu halten und auch zurückzugewinnen". Die Diskussion sei unter dem unausgesprochenen Motto "Humanität und Ordnung" gelaufen. "Migration muss in einem kontrollierten Maße erfolgen, nicht unkontrolliert", sagte Weil. Die übrigen Themen hatten Weil und Rhein schnell abgehakt: Die Ministerpräsidenten begrüßen demnach die Bemühungen der Bundesregierung, Planungsverfahren weniger bürokratisch und schneller zu machen. Außerdem dürfe der Bund die Länder bei der "auskömmlichen Finanzierung des 49-Euro-Tickets" für den Öffentlichen Nahverkehr nicht alleine lassen.

    Merz kann es auch in der Migrationspolitik nicht lassen

    Bis zum 6. November ist nun Zeit, eine gemeinsame Lösung zu finden. Die Union selbst scheint skeptisch, dass das gelingt. Merz lobte im ZDF-„heute journal“ zwar die „gute Atmosphäre“. Er räumte aber auch ein, dass man sich zwar über das Ziel einig sei, aber erst die nächsten Tage und Wochen zeigen würden, ob dies auch für den Weg dahin gelte. „Ich stelle fest, dass insbesondere die Sozialdemokraten nach diesen verheerenden Wahlergebnissen vom letzten Sonntag jetzt offensichtlich erkannt haben, dass hier Lösungen notwendig sind“, bohrte Merz noch genüsslich mit dem Finger in der Wunde der Sozialdemokraten. Ob das hilfreich ist, um den Kanzler und seine Leute milde zu stimmen? 

    Aus Unions-Kreisen verlautete nach dem Treffen, Scholz „habe die Vorschläge zur Kenntnis genommen.“ Im üblichen Politiksprech heißt das nichts anderes als: Er hat zugehört, aber nicht erkennen lassen, dass er sich für die CDU/CSU-Forderungen auch nur ansatzweise interessiert.

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