In Italien kommt es zu einer offenen Machtprobe zwischen der Justiz und der rechten Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Regierungschefin macht massiv Druck auf ein Gericht, um ihren Vize Matteo Salvini vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren.
Die Staatsanwaltschaft in Palermo will den Verkehrsminister zu sechs Jahren Haft verurteilt sehen. Dem Chef der Rechtspartei Lega wird zur Last gelegt, in seiner Zeit als Innenminister 2019 ein Schiff auf dem Mittelmeer mit etwa 150 Migranten in Not wochenlang am Einlaufen in einen sicheren Hafen gehindert zu haben.
Das Urteil nach mehr als drei Jahren Prozess wird voraussichtlich im nächsten Monat verkündet - Ausgang offen. Die drei Parteien der Rechts-Koalition in Rom machten jedoch unmittelbar nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft gemeinsam Front, um einen Schuldspruch zu verhindern.
Meloni schrieb auf der Plattform X: «Es ist unglaublich, dass ein Minister der Republik Italien sechs Jahre Gefängnis riskiert, weil er seine Aufgabe wahrnimmt, die Grenzen der Nation zu verteidigen.» Salvini selbst erklärte: «lch würde alles wieder so machen. Italien zu verteidigen ist kein Verbrechen.»
Dramatische Szenen vor Lampedusa
Die Staatsanwaltschaft hingegen sieht es als erwiesen an, dass sich der Rechtspopulist sowohl der Freiheitsberaubung als auch des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht hat. Darauf stehen in Italien bis zu 15 Jahre Haft. Salvini hatte im August 2019 verfügt, dass das Schiff einer spanischen Hilfsorganisation nicht in den Hafen der Mittelmeerinsel Lampedusa einlaufen darf, um illegale Migration zu verhindern. Die «Open Arms» hatte mehr als 160 Menschen an Bord, die nach Angaben der Helfer auf dem Weg von Afrika nach Europa aus Seenot gerettet worden waren.
Vor der Küste Lampedusas spielten sich damals dramatische Szenen ab. Mehrfach sprangen Menschen ins Wasser und versuchten, an Land zu schwimmen. Die Staatsanwaltschaft ließ die «Open Arms» schließlich nach drei Wochen beschlagnahmen, sodass das Schiff anlegen konnte. Salvini war in jener Zeit Innenminister. Durch das harte Vorgehen gegen die Schiffe privater Hilfsorganisationen machte er sich auch international einen Namen - auch durch einen Konflikt mit der deutschen Kapitänin des Schiffs «Sea-Watch 3», Carola Rackete. Sie ist inzwischen Abgeordnete im Europäischen Parlament.
«Ich bekenne mich schuldig, Italien und die Italiener zu verteidigen»
Heute ist der 51-jährige Salvini eine der zentralen Figuren der rechten Dreier-Koalition, obwohl die jüngsten Wahlergebnisse für die Lega eher enttäuschend waren. Die Vorwürfe wegen des Vorgehens gegen die «Open Arms» weist er seit jeher als politisches Machwerk der Linken zurück.
Dem Gerichtssaal in Siziliens Hauptstadt Palermo blieb er demonstrativ fern. Er äußerte sich aber in einem dramatisch inszenierten, fast vierminütigen Video. In seiner Verteidigungsrede erklärte er: «Ich bekenne mich schuldig, Italien und die Italiener zu verteidigen. Ich bekenne mich schuldig, mein Wort zu halten.»
Zusammen mit Meloni und deren Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) sprang ihm auch der andere Koalitionspartner zur Seite, die vom inzwischen verstorbenen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gegründete Partei Forza Italia. Salvini habe nur seine Pflicht getan, hieß es von dort. Rückendeckung erhielt der Minister auch von US-Tech-Milliardär Elon Musk, der auf seiner Plattform X schrieb: «Es ist dieser verrückte Staatsanwalt, der sechs Jahre ins Gefängnis gehen sollte, das ist verrückt.» Musk ist schon seit einiger Zeit im rechtspopulistischen Lager unterwegs.
Opposition und Richterverband kritisieren Meloni
Italiens linke Opposition hingegen hielt der Koalition in Rom vor, auf unzulässige Weise eine Verurteilung verhindern zu wollen. Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei PD, Elly Schlein, beschuldigte Meloni, den Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Regierung und Justiz zu missachten. Die Opposition wirft der rechten Regierung schon länger vor, die Justiz aus politischen Gründen umbauen zu wollen. Auch Italiens Verband der Richter und Staatsanwälte wehrte sich gegen die Vorwürfe aus Rom. In einer Erklärung war ebenfalls von «unzulässigem Druck» die Rede.
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