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Migration: Spanien schiebt Flüchtlinge aus Ceuta massenhaft ab

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Spanien schiebt Flüchtlinge aus Ceuta massenhaft ab

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    Ein Beamter der spanischen Guardia Civil erwartet Migranten, die von marokkanischem Territorium in die Enklave Ceuta geschwommen sind.
    Ein Beamter der spanischen Guardia Civil erwartet Migranten, die von marokkanischem Territorium in die Enklave Ceuta geschwommen sind. Foto: Bernat Armangue, dpa

    „Ich werde es wieder versuchen“, sagt Youssef, der gerade von Spaniens Polizei nach Marokko abgeschoben wurde. „In meinem Land habe ich keine Zukunft.“ Der 20-Jährige stammt aus Tanger, 70 Kilometer von Spaniens Nordafrika-Besitzung Ceuta entfernt.

    Als er hörte, dass Marokkos Gendarmen die Wassergrenze zur Küstenstadt Ceuta nicht mehr bewachen, fuhr er per Taxi zur marokkanischen Seite des Sperrzauns, sprang ins Wasser und schwamm zum spanischen Territorium. Doch Youssefs Glück währte nur wenige Minuten. Auf spanischer Seite erwarteten ihn Soldaten, die ihn auf kürzestem Weg zurück zum Grenzzaun brachten und durch eine Tür im Sperrwall wieder auf marokkanischen Boden beförderten.

    So wie Youssef erging es tausenden von irregulären Immigranten, die es geschafft hatten, Ceuta zu erreichen. Nach spanischen Regierungsangaben wurden bisher 5600 Immigranten nach Marokko abgeschoben. Und dies offenbar, ohne durchweg die Fluchtgründe und einen möglichen Schutzstatus der Betroffenen zu prüfen. Am Mittwoch setzte Spanien die Abschiebungen fort. Nach Angaben des Innenministeriums wurden nur Erwachsene zurückgebracht, nicht aber unbegleitete Minderjährige. Etwa 2000 der in Ceuta Angekommenen sind Kinder und Jugendliche.

    Soldaten halten einen Migranten am Strand in der spanischen Enklave Ceuta fest. Spanien soll bereits 5600 der bis zu 10.000 Migranten wieder nach Marokko abgeschoben haben.
    Soldaten halten einen Migranten am Strand in der spanischen Enklave Ceuta fest. Spanien soll bereits 5600 der bis zu 10.000 Migranten wieder nach Marokko abgeschoben haben. Foto: Bernat Armangue, dpa

    Nach zwei chaotischen Tagen an der südlichen Wassergrenze Ceutas, wo der Strand Tarajal liegt, schien sich die Lage am Mittwoch wieder zu beruhigen: Die marokkanischen Grenzer, die sich am Montag und Dienstag auf Befehl von höchster Stelle zurückgezogen hatten, bewachten wieder die Grenze und verhinderten einen neuen Sturm auf Ceuta. Trotzdem gelang es auch in den letzten Stunden einigen hundert Marokkanern, schwimmend oder mit Holzkähnen nach Ceuta zu gelangen.

    Wie viele Menschen im Zuge des Massenansturms seit Montagmorgen die Grenze überwinden konnten, bleibt unklar. Auch weil keine Registrierung der Migranten erfolgte. Spaniens Regierung hatte am Dienstagmittag von 8000 Personen gesprochen. Ceutas Lokalzeitung El Faro bezifferte die Gesamtzahl der Angekommenen auf wenigstens 10.000 – die große Mehrheit der Migranten sind Marokkaner. Sicher ist nur, dass es sich um den heftigsten Sturm von Immigranten handelt, den die 85.000-Einwohner-Stadt Ceuta je erlebt hat.

    Hintergrund ist ein Streit zwischen Spanien und Marokko

    Hintergrund dieser Migrationskrise ist ein politischer Streit Spaniens mit Marokko. Madrid hatte vor einem Monat erlaubt, dass ein Führer der Polisario-Bewegung, die für die Unabhängigkeit der von Marokko besetzten Westsahara kämpft, in einer spanischen Klinik behandelt wird. Dabei handelt es sich um den 73-jährigen Brahim Gali, Präsident der von der Polisario ausgerufenen Arabischen Westsahara-Republik. Gali wird von Marokkos König Mohammed VI. als Staatsfeind und seine medizinische Behandlung in Spanien als Provokation angesehen.

    Spaniens Außenministerin Arancha González Laya versuchte nun, Marokko zu besänftigen. „Es handelt sich lediglich um eine humanitäre Geste gegenüber einem kranken Menschen.“ Spanien habe marokkanische Empfindlichkeiten nicht verletzten wollen. Zudem beeilte sich Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez, 30 Millionen Euro an Hilfe für Marokko lockerzumachen. Das Geld wurde Rabat zugesagt, um den Kampf gegen die illegale Einwanderung Richtung Spanien zu verstärken und um den marokkanischen Grenzschutz auszubauen.

    Nicht nur Marokkaner riskieren ihr Leben, um nach Europa zu gelangen

    Nicht nur aus dem nordafrikanischen Marokko versuchen immer mehr Bewohner, europäischen Boden zu erreichen. Im südeuropäischen Mittelmeerland Italien zum Beispiel stammt inzwischen ein Drittel aller in Booten ankommenden Migranten aus dem ebenfalls in Nordafrika liegenden Tunesien. Marokko, das Nachbarland Algerien und Tunesien haben jeweils eine sehr große junge Generation, die wegen mangelnder politischer und wirtschaftlicher Perspektiven von einem Leben in Europa träumt.

    Gerade erst berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM), dass vor der tunesischen Küste ein Boot sank und vermutlich 50 Menschen ertranken. Seit Jahresbeginn starben laut IOM vor Nordafrika bereits 700 Migranten. Wegen dieser Tragödien ist das Mittelmeer, wie Flüchtlingsorganisationen beklagen, zum größten Massengrab Europas geworden.

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