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Migration: Briten schließen einen Abschiebe-Pakt mit Ruanda

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Briten schließen einen Abschiebe-Pakt mit Ruanda

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    Großbritanniens Regierung wird illegale Migranten künftig ohne Rücksicht auf ihre eigentliche Herkunft nach Ruanda abzuschieben
    Großbritanniens Regierung wird illegale Migranten künftig ohne Rücksicht auf ihre eigentliche Herkunft nach Ruanda abzuschieben Foto: Gareth Fuller, dpa

    Wochenlang leisteten Mitglieder des britischen Oberhauses gegen die Pläne der Regierung Widerstand; immer wieder versuchten sie, einen Gesetzentwurf, der die Abschiebung von Asylsuchenden aus Großbritannien nach Ruanda ermöglichen soll, in ihrem Sinne zu verändern. Nun gaben die Mitglieder des House of Lords auf. Es sei Zeit, das Vorrecht der „gewählten Kammer“ anzuerkennen, sagte Lord Anderson of Ipswich, einer der führenden Juristen am Dienstag. Damit wird das höchst umstrittene Gesetz in den kommenden Tagen rechtskräftig. Das afrikanische Land wird zum sicheren Drittstaat erklärt. Flüchtlinge können, ohne Rücksicht auf deren Herkunft, dorthin abgeschoben werden. Die ersten Flüge sollen in zehn bis zwölf Wochen und damit im Juli abheben, hieß es. Die britische Regierung spricht von einem „wichtigen Schritt nach vorne“, Menschenrechtler, aber auch der Europarat schlagen Alarm.

    Der britische Premier Rishi Sunak bezeichnete die Entwicklung am Dienstag als bahnbrechend. Es trage dazu bei, Migranten zu schützen. Gefährdete Menschen würden von der Fahrt in Schlauchbooten über den Ärmelkanal abgeschreckt und das Geschäftsmodell von Schleusern zerstört. Allein in diesem Jahr haben mehr als 6000 Menschen die gefährliche Reise über den Ärmelkanal unternommen. Erst am Dienstag starben fünf Migranten bei der Überfahrt, darunter ein Kind. 

    Verstößt das britische Gesetz gegen die Flüchtlingskonvention?

    Experten bezweifeln hingegen, dass das Vorhaben Migranten von der Überfahrt abhalten wird. Aus Sicht von Denisa Delić vom International Rescue Committee UK, einem Verein zur Flüchtlingshilfe, ist das geplante Vorhaben jedoch „ineffektiv, unnötig, grausam und kostspielig“. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und das Menschenrechtsbüro der

    Der einst unter Ex-Premier Boris Johnson im Jahr 2022 angestoßene Plan sieht vor, dass irreguläre Ankömmlinge auf der Insel in Lagern interniert und dann auf schnellstem Wege nach Ruanda ausgeflogen werden, um dort in Unterkünften auf die Bearbeitung ihres Asylantrages zu warten. Dabei werde nicht etwa nach britischem, sondern nach ruandischem Recht entschieden, sagte Joelle Grogan von der Denkfabrik „UK in a Changing Europe“ gegenüber unserer Redaktion. 

    Großbritannien zahlt Ruanda 200 Millionen Euro

    Der Plan scheiterte in den vergangenen Jahren immer wieder an den britischen Gerichten, einmal intervenierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Juni 2022 in letzter Minute. Zuletzt verhindert wurde das Vorhaben im November, als der Oberste Gerichtshof Großbritanniens urteilte, dass der ostafrikanische Staat nicht sicher sei und damit auch keine Geflüchteten in den Drittstaat gesendet werden dürfen. Mehr als 200 Millionen Euro wurden bislang an Ruanda gezahlt, Unterkünfte bereitgestellt. 

    Mithilfe des umstrittenen Gesetzes, das nun noch von König Charles III. abgesegnet werden muss, will Sunak nun so schnell wie möglich Flugzeuge nach Kigali schicken, „ohne Wenn und Aber“, wie er sagte. Expertin Grogan umschrieb die Verordnung indes als „juristische Fiktion“, weil es den afrikanischen Staat als sicher einstuft, unabhängig von den dort herrschenden Bedingungen. Laut Human Rights Watch sind willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen und Folter in dem Staat gängig. 

    Mehrere Flüge pro Woche sollen nach Ruanda fliegen

    Wie viele Menschen nach Ostafrika geschickt werden sollen, dazu machte Sunak keine Angaben. Er bestätigt aber, dass „mehrere Flüge pro Monat während des Sommers und darüber hinaus“ nach Ruanda starten sollen. Ein Flugplatz stehe bereit, kommerzielle Charterflugzeuge seien gebucht. Aus Regierungskreisen heißt es, es gebe bereits eine Liste von Personen, die ausgeflogen werden sollen. Diese würden in den nächsten Tagen vom Innenministerium angeschrieben. 

    In den kommenden Wochen sei mit viel Gegenwind gegen die geplante Maßnahme zu rechnen, prophezeit Grogan. Denn wenn die britischen Gerichte die Flüge nicht stoppen, würden sich die Migranten wohl an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden. Für den Fall, dass die Richter in Straßburg die Abschiebung zu verhindern versuchen, hat die britische Regierung zwar eine Befugnis geschaffen, diese Anordnung zu ignorieren. Das wäre Experten zufolge jedoch ein Verstoß gegen internationales Recht.

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