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Michel Barnier: Das ist der neue Premierminister von Frankreich

Frankreich

Der französische Joe Biden wird neuer Premierminister

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    Frankreichs neuer Premier Barnier (rechts) sieht sein Land in einer ernsten Lage.
    Frankreichs neuer Premier Barnier (rechts) sieht sein Land in einer ernsten Lage. Foto: Stephane De Sakutin, Pool AFP/AP/dpa

    Michel Barnier versuchte die Spitzen gegen seinen jungen Amtsvorgänger humorvoll zu verpacken. „Darf ich jetzt auch ein paar Worte sagen?“, fragte der neue französische Premierminister bei der offiziellen Amtsübergabe nach den langen Ausführungen von Gabriel Attal. In ironischem Ton bedankte sich Barnier für die „Lektionen“, die der 35-Jährige, der nur acht Monate im Amt war, ihm, dem 73-Jährigen, mitgebe. Auch die Ankündigung, er werde „mehr handeln und weniger reden“, durfte durchaus als Kritik an Attal, aber auch an Präsident Emmanuel Macron verstanden werden.

    Schon dieser erste öffentliche Auftritt zeigte: So jovial und höflich der konservative Barnier auftritt, er ist ein hart gesottener Politiker, gestählt durch jahrzehntelange Erfahrung. Gerade die Briten machten leidvolle Erfahrungen mit ihm. Bei den langwierigen Brexit-Verhandlungen von 2016 bis zu einem Deal 2020 stießen sie sich an der Unnachgiebigkeit des Franzosen, den die EU als Chef-Unterhändler schickte. Er selbst, der aus der französischen Alpenregion stammt, nannte sich einmal einen „Bergbewohner, der vor keiner Anstrengung zurückweicht“.

    Marine Le Pen will den neuen französischen Premier unterstützen

    Diese Eigenschaft dürfte ihm in seiner neuen Rolle nutzen, in der er sich eingezwängt wiederfindet zwischen einem machtbewussten Präsidenten und einer zersplitterten Nationalversammlung. Die links-grüne Allianz hat schon angekündigt, für einen Misstrauensantrag zu stimmen, da sie als stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen den Posten des Regierungschefs für sich beansprucht hatte. Doch da Marine Le Pen als Fraktionschefin des rechtsextreme Rassemblement National (RN) versichert, Barnier als „Mann des Gesprächs, der den RN nie geächtet hat“, eine Chance zu geben, dürfte dieser zumindest nicht sofort gestürzt werden.

    Der „französische Joe Biden“ wird nun der älteste Regierungschef Frankreichs, nachdem er zu Beginn seiner Laufbahn so oft der Jüngste war: Mit nur 22 Jahren wurde er Generalrat des Departements Savoyen, fünf Jahre später nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums der jüngste Abgeordnete in der Nationalversammlung, dann jüngster Präsident eines Departementsrates. In seiner Heimatregion, der er stets verbunden blieb, ist er hoch angesehen, weil er 1992 die Olympischen Winterspiele in Albertville erfolgreich organisierte. Der Vater dreier Kinder liebt die Natur, das Bergwandern und Skifahren.

    In Brüssel blieb Michael Barnier die Krönung seiner Laufbahn verwehrt

    Später war der Berufspolitiker Barnier Umwelt-, Europa-, Außen- und Landwirtschaftsminister unter den konservativen Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy, bevor er in Brüssel Karriere als EU-Kommissar für Regionalpolitik und den Binnenmarkt und eben als Brexit-Unterhändler machte. Seine Hoffnungen, Kommissionspräsident zu werden, scheiterten jedoch.

    Gab sich der 73-Jährige oft als überzeugter Europäer, so irritierte es viele, als Barnier im parteiinternen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2021 kritisierte, dass europäisches über nationalem Recht stehe und Paris Entscheidungen etwa des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterliege. Auch forderte er nach seinem Umzug von Brüssel zurück in die Heimat plötzlich einen pauschalen Einbürgerungs-Stopp, ein „Moratorium“ über die Einwanderung und den Kampf gegen „Sozialschmarotzer“ – eine verblüffende Kehrtwende eines Mannes, der sich stets als „sozialer Gaullist“ definiert hatte.

    Seine Gegner nennen Barnier aufgrund solcher ideologischen Wendungen opportunistisch. Noch vor wenigen Jahren hatte er auch Macron für seine „einsame und arrogante“ Regierungsweise kritisiert. Damit muss er künftig zurechtkommen – oder „Änderungen und Brüche“ einleiten, die er bei seiner ersten Rede versprach. Die Erwartungen an Michel Barnier sind groß.

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    1 Kommentar
    Günter Köhler

    Michel Barnier ist zweifelsohne ein sehr erfahrener Politiker. Ob Präsident Macron mit seiner Ernennung zum Premierminister allerdings sich selber und dem Land einen Gefallen getan hat, daran habe ich doch gewisse Zweifel. Ich sehe hier eher eine Stärkung von Marine Le Pen und den rechten Kräften in Frankreich. Dies kann doch nicht wirklich im Interesse Macrons sein. Da hätte er dem Land auch die von ihm eingeleiteten überraschenden Parlamentsneuwahlen ersparen können. Auch Frankreich dürfte sich bald einer politischen und gesellschaftlichen Krise nähern.

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