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Merz‘ teurer Deal mit den Grünen – Zwischen Schuldenbremse und Zukunftsinvestitionen

Koalitionsverhandlungen

Der Milliarden-Kanzler Merz und sein Preis an die Grünen

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    Es war ein zähes Ringen – aber am Ende fand Friedrich Merz mit Union, SPD und Grünen einen Kompromiss für das Milliarden-Finanzpaket.
    Es war ein zähes Ringen – aber am Ende fand Friedrich Merz mit Union, SPD und Grünen einen Kompromiss für das Milliarden-Finanzpaket. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Friedrich Merz hat das Milliardenspiel gewonnen. Als er am Freitagmittag unter der Kuppel des Reichstags zum Sitzungssaal der Abgeordneten von CDU und CSU läuft, lächelt er freudig. Die kritischen Zeitungsartikel sind in diesem Moment Schnee von gestern. Noch wenige Minuten vorher galt er als der Mann, der seine Kanzlerschaft schon verstolpert, noch ehe sie begonnen hat. Doch Merz kämpft.

    Um fünf Uhr morgens war die Einigung mit den Grünen nach langer Nacht erreicht. Die Partei, deren Kanzlerkandidat Robert Habeck er im Wahlkampf noch als Gesicht der Krise schmähte, stimmt dem enormen Schuldenpaket zu, das das Schmiermittel für die Merz-Kanzlerschaft liefern soll. Ohne dieses Geld wäre er ein Kanzler ohne Spielraum, einer, der gegen viel Widerstand harte Sparrunden hätte durchsetzen müssen. Nun läuft es. Am Dienstag soll nun die Verfassung geändert werden, um die finanziellen Schleusen zu öffnen.

    Viel mehr Geld für die Armee und Wärmepumpen

    „Deutschland ist zurück“, sagt Merz nach dem Kraftakt in die Kameras der Hauptstadtpresse. „Wir sind verteidigungsfähig und in vollem Umfang verteidigungsbereit“. Enorme Summe in die marode Bundeswehr zu stecken, war der leichteste Teil der Übung. Im Angesicht des Ukrainekriegs und der Weltmachtpolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin muss die lahmende Truppe schneller, härter und größer werden.

    Kompliziert wurde es in den nächtlichen Stunden bei den geplanten Investitionen in Schulen, Straßen, Schienen und den Klimaschutz. Für ihre Zustimmung haben die Grünen an letzteren ein Preisschild drangehängt, das Merz teuer kommt. 50 Milliarden Euro mehr. Insgesamt sollen nun also 100 Milliarden Euro aus dem 500 Milliarden schweren Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Aus diesem Finanzvehikel lassen sich bald mehr Wärmepumpen fördern, als Robert Habeck es zu träumen wagte. „Wir als Grüne verhandeln als Erstes für mehr Klimaschutz“, erklärt Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge nach der Übereinkunft mit Konservativen und Sozialdemokraten. Tags zuvor hatte sich noch mit Merz in einer Rede im Bundestag abgerechnet.

    In den folgenden Stunden hat sie im Gegenzug für ihr Wohlwollen noch Weiteres herausgeholt. Kredite sollen künftig im Bereich der Verteidigung nicht nur für die Bundeswehr aufgenommen werden dürfen, sondern auch für Geheimdienste, die Sicherheit von Computer-Netzen und die Unterstützung der Ukraine.

    Grüne fordern zusätzliches Geld, kein bloßes Verschieben

    An einer anderen Stelle hat die SPD einen Schritt auf die Grünen zugemacht. Die Milliarden aus dem Sondervermögen Infrastruktur müssen zusätzlich zu den Investitionen fließen, die heute aus dem normalen Haushalt stammen. In den vergangenen Tagen hatten namhafte Wirtschaftsprofessoren kritisiert, dass Union und SPD mit einem Teil der Kredite Investitionen ersetzen wollten, die heute aus den Steuereinnahmen bezahlt werden. Sie hätten sich damit auf Pump die Möglichkeit verschafft, Wahlgeschenke, wie die Mütterrente oder eine höhere Pendlerpauschale zu bezahlen. Verschiebebahnhof war der Begriff, der sich dafür eingebürgert hatte. „Einen Verschiebebahnhof für Steuersenkungen kann es nun nicht mehr geben“, freuen sich die Grünen in einem kurzen Resümeepapier. Das Wörtchen „zusätzlich“ macht es möglich.

    Die Faktionschefinnen der Grünen, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, haben die Nacht mit Merz verhandelt und Einiges für ihre Partei herausgeholt..
    Die Faktionschefinnen der Grünen, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, haben die Nacht mit Merz verhandelt und Einiges für ihre Partei herausgeholt.. Foto: Michael Kappeler, dpa

    SPD-Chef Lars Klingbeil kann trotzdem damit leben, denn die bei den Genossen ungeliebte Schuldenbremse wird an mehreren Stellen ausgehebelt. „Es ist gelungen, in der demokratischen Mitte Brücken zu bauen. Das Paket ist ein kraftvoller Anschub für Deutschland“, kommentiert Klingbeil den Kompromiss. 

    Diesen können nur noch Abgeordnete stoppen, deren politische Karriere endet. Es sind aus dem abgewählten Bundestag ausscheidende Parlamentarier von Union und Grünen, die entweder die Schuldenpolitik ablehnen (CDU/CSU) oder die Merz und CSU-Chef Markus Söder die Giftpfeile aus dem Wahlkampf nicht verziehen haben (Grüne). Weil sie dem neuen Bundestag nicht mehr angehören werden, sind die üblichen Druckmittel der Fraktionsspitze wirkungslos. Der Ausgang ist nicht sicher vorherzusehen.

    Aiwanger stellt sich quer

    Auch die Freien Wähler in Bayern können noch ein Zünglein an der Waage spielen. Nicht im Bundestag, sondern anschließend im Bundesrat. Sollte die Partei um Hubert Aiwanger im Landtag bei ihrer ablehnenden Position bleiben, müsste sich Bayern bei der für die Verfassungsänderung notwendigen Abstimmung im Bundesrat enthalten - dadurch ist die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit von 46 Ja-Stimmen in Gefahr, und das von der CSU im Bund mitverhandelte Paket könnte ausgerechnet an fehlendem Rückhalt aus Bayern scheitern. In der Folge würde dann auch kein Geld aus Berlin bei den hiesigen Kommunen ankommen.

    Immerhin eine andere Unwägbarkeit ist ausgeräumt. Die Verfassungsrichter verwarf mehrere Anträge unter anderem von AfD und Linke als unbegründet, die eine Einberufung des alten Bundestages verhindern wollten.

    Glückstag für CDU-Mann Merz: Das Bundesverfassungsgericht verwarf wenige Stunden nach der Einigung mit Grünen und SPD Eilanträge von Linken und AfD , die die Grundgesetzänderung gerichtlich stoppen wollten.
    Glückstag für CDU-Mann Merz: Das Bundesverfassungsgericht verwarf wenige Stunden nach der Einigung mit Grünen und SPD Eilanträge von Linken und AfD , die die Grundgesetzänderung gerichtlich stoppen wollten. Foto: Uli Deck, dpa

    Obwohl nun der Weg zur Macht für Friedrich Merz und die Union geebnet scheint, grummelt der Wirtschaftsflügel über die Schuldenpolitik, die noch vor wenigen Wochen bekämpft wurde. Der CDU-Wirtschaftsrat befürchtet, dass das Geld die Notwendigkeit für Reformen überdeckt. „Der deutsche Staat steht vor einem Regelungsinfarkt. Staatsaufgaben müssen kritisch überprüft und Verwaltung neu gedacht werden, um Bürokratie abzubauen“, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger unserer Redaktion. Eine echte Staatsmodernisierung sei eine Führungsaufgabe und „die Bundesregierung muss sie zur Chefsache machen.“

    Bleibt eine Frage: Wer bezahlt das alles? Der Staat besorgt sich frisches Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Mit dem Kauf einer Staatsanleihe leiht ein Anleger dem Staat Geld und bekommt dafür Zinsen. Auf lange Sicht muss der Kredit zwar getilgt werden – anders als bei Privatleuten kann man das aber weit in die Zukunft verschieben. So lange muss der Staat aus seinen Haushalten Zinsen zahlen. Konsequenzen könnten die Pläne jetzt schon zum Beispiel für Hausbauer haben. Direkt nach der Ankündigung stiegen die Bauzinsen – das hängt mit der Rendite von Bundesanleihen zusammen. Ob der Effekt dauerhaft anhält, lässt sich nicht seriös vorhersagen.

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    1 Kommentar
    Klara Rasper

    Ob es die naechste Huerde ist, kann man nicht sagen. Aber eine kommende jedenfalls. Wenn Deutschland nicht mit zum Sargtraeger des Voelkerechts werden soll, dann sollte Merz nicht wie geplant Netanjahu einladen. Nach dem Voelkerrecht muesste er den festnehmen lassen, was er ja bereits abgelehnt hat. Deutschland darf sich nicht ueber das Voelkerrecht stellen und jemals von anderen verlangen, dass sie sich daran halten.

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