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Mehr Arbeitslose trotz Fachkräftemangel – wie passt das?

Jobmarkt

Wie passen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel zusammen?

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    Der Arbeitsmarkt trotzt der schwächelnden Konjunktur.
    Der Arbeitsmarkt trotzt der schwächelnden Konjunktur. Foto: Caroline Seidel, dpa (Archivbild)

    Als die Bundesagentur für Arbeit zuletzt die Arbeitslosenzahlen vermeldete, wurde zunächst Erwartbares verkündet: Die Zahl der Arbeitslosen stieg in Deutschland im August auf 2,696 Millionen. Das waren 79.000 mehr als im Juli und 148.000 mehr als vor einem Jahr. So weit, so wenig überraschend: Sommerpause, schwache Konjunktur. Die Arbeitslosenquote für August erhöhte sich entsprechend um 0,1 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent.

    Im wirtschaftsstarken Bayern stieg sie auf 3,5 Prozent – die Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich im Freistaat um 19.956 auf 269.060. Auch diese Zunahme um acht Prozent im Vergleich zum Juli sei zwar saisonal üblich, falle indes etwas stärker aus als in den Vorjahren, hieß es. Dennoch kein Grund zu großer Sorge, der Arbeitsmarkt gestaltet sich robust. Im Herbst wird – wie jedes Jahr – wieder mehr eingestellt.

    Weniger Stellenangebote in Bayern dieses Jahr bislang

    Dennoch gab es ein paar scheinbar widersprüchliche Zahlen, die einen zweiten Blick lohnen. So hat die Behörde – erstens – einen negativen Trend bei der Nachfrage nach Arbeitskräften beobachtet. Die Unternehmen im Bund wie in Bayern hätten in den vergangenen Monaten deutlich weniger neue Stellenangebote gemeldet. Seit Jahresbeginn seien die Zugänge an neu gemeldeten Stellen im Freistaat um 23.892 oder 10,1 Prozent zurückgegangen – im Vergleich zum Vormonat gar um 14,8 Prozent. Dennoch sei die Nachfrage nach Arbeitskräften mit einem Bestand von 152.095 gemeldeten Stellen langfristig gesehen weiter als sehr hoch einzuschätzen, teilte die Regionaldirektion Bayern mit.

    Dann verzeichnete – zweitens – die Behörde einen besonders großen Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Menschen zwischen 15 und 25 Jahren. Die Zahl der jungen Arbeitslosen nahm im Vergleich zum Vormonat um 29,7 Prozent auf 30.474 zu.

    Arbeitsmarkt-Experte Enzo Weber: "Keine dramatische Wirkung"

    Aber wie passt das zu den Großtrends? Dem andauernden Fachkräftemangel und der beständigen Klage der bayerischen Unternehmen, nicht genügend Nachwuchs zu finden? Enzo Weber, Experte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, erklärt den Rückgang bei den Stellenangeboten im Gespräch mit unserer Redaktion so: "Von dem extrem hohen Stellenniveau hat es nun in der Flugkurve die Nase nach unten genommen." Man beginne auf dem Arbeitsmarkt etwas von der Wachstumsschwäche zu merken – allerdings keine "dramatische Wirkung", betont Weber: "Wir haben im Moment ein Entlassungsniveau, das ist ein bisschen höher als vor einem halben Jahr, aber ansonsten immer noch auf dem niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung."

    Den Anstieg der (Jugend-)Arbeitslosigkeit erklärt er so: "Grundsätzlich haben wir einen hohen Bedarf an Arbeitskräften – bei Ausbildungsplätzen wie Stellen. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit langsam, aber sicher gestiegen." Die Quote bei Menschen mit einer abgeschlossenen Ausbildung sei nach Corona niedriger als davor, die bei denen ohne Ausbildung indes sei aber "deutlich" höher als vor der Pandemie. Warum? Weber: "Wir haben jetzt seit mehr als drei Jahren irgendwie Krise. Jetzt ist der nächste Abschwung da und irgendwann gibt es eine Verfestigung in der Arbeitslosigkeit."

    Ifo-Experte Sebastian Link: "Kein massiver Einbruch"

    Raus aus dem Jobrhythmus, dazu die Frustration, das Stigma als "Langzeitarbeitsloser" – und dann wird es schwer, wieder einzusteigen, selbst wenn der Bedarf wieder ansteigt. Das gelte allgemein, aber für junge Leute umso mehr. Weber betont: "Wer als Jugendlicher schlecht in den Arbeitsmarkt startet, trägt auch langfristig Blessuren davon." Zumal die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung weiter steigt.

    Auch Sebastian Link, Arbeitsmarkt-Experte am Münchener Ifo-Institut, bestätigt auf Anfrage: "Konjunkturell stehen die Zeichen für das laufende Jahr zwar nicht auf Erholung. Wir erwarten aber auch keinen massiven Einbruch und im nächsten Jahr eine einsetzende Erholung. Wir gehen tendenziell davon aus, dass die Arbeitslosigkeit bis Ende 2023 weiter leicht zunehmen dürfte. Im nächsten Jahr baut sie sich dann langsam wieder ab." (mit dpa)

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