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Medien: Wenn der Schirm weiß bleibt: Wie sich Menschen in Russland jetzt informieren

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Wenn der Schirm weiß bleibt: Wie sich Menschen in Russland jetzt informieren

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    Facebook und Instagram sind in Russland mittlerweile verboten.
    Facebook und Instagram sind in Russland mittlerweile verboten. Foto: Fernando Gutierrez-Juarez, dpa

    Der Bildschirm bleibt weiß. Sobald in Russland die Apps von Instagram, Facebook, Twitter geöffnet werden, sobald im Internetbrowser die Buchstaben von Russlands unabhängigen Medien wie Meduza, Tayga.Info oder TV Rain eingegeben werden, sehen die Leser und Zuschauerinnen in Russland nichts als Leere. Eigentlich. Seit russische Panzer auf Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin unter dem beschönigenden Begriff der „militärischen Spezialoperation“ die Grenze zur Ukraine überschritten haben, lässt der Kreml sein Volk im Unklaren darüber, was im Nachbarland passiert. Stattdessen werden übers Staatsfernsehen Siegesgeschichten der russischen Armee und die angebliche Zerstörungswut der ukrainischen „Nazis“, wie die Propagandisten letztlich alle Ukrainer nennen, verbreitet.

    Jede Kritik daran, jede Nachricht, die sich nicht an der offiziellen Verlautbarung des russischen Verteidigungsministeriums orientiert, wird als Falschinformation gebrandmarkt. Ihren Verbreitern drohen bis zu 15 Jahre Haft, so steht es im schwammig formulierten Fake-News-Gesetz, das das russische Parlament in aller Eile durchpeitschte.

    Vielen Journalisten in Russland sind die Hände gebunden

    Das Gesetz gilt nicht nur für russische Staatsbürger, sondern auch für ausländische, was auch die Arbeit von Auslandskorrespondenten im Land erschwert. Es kriminalisiert das journalistische Grundprinzip, mehrere Quellen zu benennen. Vor allem Russlands unabhängigen Journalisten sind dadurch vielfach die Hände gebunden. Sehr viele von ihnen haben seit Beginn der „Operation“ das Land verlassen. Ihre Arbeit lassen sie sich dennoch nicht nehmen, auch wenn sie nun vor allem aus Armenien, Georgien oder Lettland über ihr Land berichten.

    „Wir brauchen doch etwas zum Atmen. Macht irgendwas, aber lasst uns nicht allein hier in diesem Loch, in dem Schwarz plötzlich Weiß heißen muss“, schreiben die Menschen den Journalisten, um sie nach dem ersten Schock, ihr Land, wie sie es bislang kannten, verloren zu haben, wieder zum Berichten zu bewegen. „Ich hätte nicht gedacht, dass der Zuspruch so groß sein würde, dass die Menschen nach Informationen lechzen“, sagt Jekaterina Kotrikadse vom Online-Fernsehsender Doschd (TV Rain).

    Zusammen mit ihrem Mann Tichon Dsjadko, Chefredakteur von Doschd, ist sie nach Georgien geflohen. Kotrikadse ist gebürtige Georgierin. Der Sender ist Vergangenheit in Moskau. „Vorerst“, wie die Journalisten betonen. Kotrikadse und Dsjadko senden nun unter „KiD“ bei YouTube aus Tbilissi, ihre Doschd-Kollegen wie auch die Kollegen vom Radiosender Echo Moskau, der seine Arbeit nach 30 Jahren einstellen musste, haben eigene YouTube- oder Telegram-Kanäle gegründet, machen Podcasts, schreiben Newsletter und E-Mails und informieren so über das Geschehen in Russland und auch in der Ukraine.

    Blockierungen von Facebook und Instagram werden umgangen

    Auch Gesperrtes lässt sich lesen. Die einfachste Lösung dabei: das sogenannte virtuelle private Netzwerk, kurz VPN. Damit wird der gesamte Datenverkehr durch einen verschlüsselten virtuellen Tunnel geleitet. Die Blockierungen werden umgangen. Zwar existiert in Russland ein Gesetz, das gewisse VPNs verbietet. Trotzdem war nach dem Verbot von Facebook und Instagram die Nachfrage bei manchen VPN-Anbietern bis zu 11.000 Prozent gestiegen.

    Dass die ausländischen Plattformen nun gesperrt seien, sei ja sogar gut, frohlocken die Kremlloyalen im Land. Der nächste, landeseigene Dienst stehe schließlich bereits in den Startlöchern: Rossgram, das an diesem Montag für Firmenkunden gestartet ist. Das Netzwerk sieht ähnlich aus wie Instagram und bietet letztlich dieselben Funktionen wie die amerikanische Vorlage, doch es sei ein „vaterländisches“ Produkt. Dass Rossgram wie auch das russische Facebook-Pendant Vkontakte von russischen Geheimdiensten gelesen wird, stört die Macher dabei nicht.

    Die, die sich in Russland trotz der umfassenden Einschränkungen informieren wollen, können es auf Umwegen dennoch tun. Die breite Masse vertraut allerdings weiterhin der Fernsehpropaganda, die auf teils grausige Weise alles umdeutet, sodass die Menschen in einer Parallelrealität leben und den Krieg in der Ukraine, der in Russland nicht so genannt werden darf, als Friedensmission der russischen Armee wahrnehmen.

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