Zwei Wochen vor der Europawahl startet Sahra Wagenknecht mit ihrer neuen Partei BSW eine Attacke auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, kurz ÖRR. In Verbindung mit der Forderung nach einer Reform der Öffentlich-Rechtlichen äußert die Parteichefin massive Kritik an den Programmen von ARD und ZDF. „Skandale, Misswirtschaft und einseitige Berichterstattung haben Vertrauen zerstört“, sagte Wagenknecht unserer Redaktion. „Der ÖRR sollte an der Meinungsbildung mitwirken“, erklärte die 54-Jährige. Er dürfe aber „keine Meinungsmache betreiben und den Meinungskorridor unzulässig einengen“. Faktisch geschehe genau das. „Es gibt zu viel Meinungs-Einheitsbrei im ÖRR“, kritisierte Wagenknecht. „Der öffentlich-rechtliche Sendebetrieb ist maßgeblich selbst dafür verantwortlich, dass immer mehr Bürger seine Legitimität infrage stellen“, erklärte die frühere Linke-Politikerin.
Deutscher Journalisten-Verband wirft Wagenknecht Populismus vor
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Mika Beuster, wies Wagenknechts Attacke zurück und warf der Gründerin des Bündnis Sahra Wagenknecht Populismus vor. „Meinungsmache? Einseitige Berichterstattung? Das sind unhaltbare und nicht belegte Vorwürfe an die Adresse Tausender Journalistinnen und Journalisten, die tagtäglich ihr Bestes geben für ein vielseitiges und informatives Programm“, sagte Beuster unserer Redaktion. „Es ist einfach falsch, wenn Sahra Wagenknecht so tut, als spiele Journalismus bei den Öffentlich-Rechtlichen keine Rolle“, betonte er. „Sie reitet mit ihrer Medienschelte auf der populistischen Welle der AfD und anderer Medienhasser“, erklärte der DJV-Chef. „Schlimm, dass sie das offensichtlich nötig hat“, fügte Beuster hinzu.
Manche der Wagenknecht-Vorschläge erinnern an CDU und CSU
In der Sache erinnern Wagenknechts Reformvorschläge an ähnliche Vorstöße von CDU und CSU: „Der ÖRR braucht keine weitere Erhöhung des Rundfunkbeitrages, sondern eine Programm- und Ausgabenreform sowie die Rückkehr zu einer Sprache und Vielfalt, in der sich die Mehrheit der Beitragszahler wiederfinden kann“, sagte Wagenknecht unserer Redaktion.
Ein Nein zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags kam auch vom CSU-Vorsitzenden Söder. Weitere Übereinstimmungen zwischen BSW und Christsozialen: Beide Parteien wollen die Gehälter der Intendantinnen und Intendanten deckeln. Sie sollen nicht mehr verdienen als ein Bundesminister. Eine weitere Forderung Wagenknechts betrifft die im Programm verwendete Sprache. „Für den ÖRR sollte im Angebot gelten, was sich auch im Bildungsbereich richtigerweise zunehmend durchsetzt: ein klares Genderverbot.“ Mehrere unionsgeführte Länder wie Bayern haben solche Verbote für Schulen und Behörden durchgesetzt oder angekündigt.
Länder haben Rundfunk-Reformen bereits angestoßen
CSU-Chef Söder hatte im Januar einen Forderungskatalog zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgestellt. Die CDU unter Friedrich Merz fordert in ihrem kürzlich beschlossenen Grundsatzprogramm den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf, „sich stärker auf seinen Kernauftrag“ zu konzentrieren. „Für Beitragsstabilität muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Finanzmitteln wirtschaftlich umgehen“, hieß es.
Änderungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind bereits auf dem Weg. Im Januar legte zumindest ein von den Ländern eingesetzter Zukunftsrat Reformempfehlungen vor. Die Öffentlich-Rechtlichen seien „eine Erfolgsgeschichte“, bräuchten aber angesichts des Medien- und Gesellschaftswandels "Umbauten des Systems“. Zu den Empfehlungen gehört eine „starke Fokussierung der neun Landesrundfunkanstalten auf ihre Region“, um „Bürgernähe und Akzeptanz“ zu schaffen.