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Masken-Affäre: Warum Alfred Sauter und Monika Hohlmeier keine Reue zeigen

Vor neun Monaten erschütterte die Masken-Affäre das Land. Die CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein, Alfred Sauter und Monika Hohlmeier gerieten ins Zwielicht.
Masken-Affäre

Warum Alfred Sauter und Monika Hohlmeier keine Reue zeigen

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    Alfred Sauter sitzt an diesem nebligen Novembertag im Besprechungsraum seiner Kanzlei im noblen Münchner Stadtteil Bogenhausen. In den Regalen mächtige Bände mit Gesetzestexten und Urteilen. Zwischendrin ein gerahmtes Foto von Franz Josef Strauß, samt handschriftlicher Widmung: "Herrn Bundestagsabgeordneten

    Ende der 80er Jahre nimmt die Karriere des schwäbischen Strippenziehers Fahrt auf. Er wird Staatssekretär, später sogar Minister in Bayern. Vergangenheit. Sauter nimmt seine Gucci-Hornbrille ab. Er dreht sie an einem Bügel hin und her und spricht mit bemerkenswert sanfter Stimme, eigentlich ist er für sein sonores Reibeisen bekannt. "Wenn ich behaupten würde, dass ich jede Nacht ruhig durchschlafe, wäre das gelogen."

    Nüßlein, Sauter und ihre zwielichtigen Masken-Geschäfte

    Neun Monate ist es her, dass die Maskenaffäre um die damaligen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein und Alfred Sauter aufflog. Auch Strauß-Tochter Monika Hohlmeier geriet ins Zwielicht, weil sie einer Freundin – ebenfalls Tochter einer einstigen CSU-Größe – zu einem Millionengeschäft mit Corona-Masken verholfen haben soll. Gegen Nüßlein und Sauter ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München. Sie haben für die Vermittlung von Aufträgen aus Ministerien und Behörden Millionen kassiert. Der Verdacht: Abgeordnetenbestechlichkeit. Die politischen Karrieren der beiden Männer sind am Ende, selbst wenn sie – wonach es momentan aussieht – straffrei aus der Sache herauskommen. Aber das ist es gar nicht, was Sauter schlecht schlafen lässt.

    "Die Politik fehlt mir"

    Alfred Sauterundefined

    Was ihn wirklich emotional berührt, ist, dass er seine Töchter in die Angelegenheit hineingezogen hat: "Das schmerzt mich am meisten", sagt der 71-Jährige. Sauter hat die Provision für den Maskendeal über eine Firma laufen lassen, die er offiziell seinen beiden erwachsenen Töchtern überschrieben hatte. Was ihn zudem beschäftigt: wie schnell manch langjähriger Weggefährte auf Distanz zu ihm gegangen ist. Und wie sehr ihm das Tagesgeschäft abgeht. "Die Politik fehlt mir."

    Zum ersten Mal spricht der frühere bayerische Justizminister ausführlich über die Maskenaffäre, über die CSU – und über seinen Gemütszustand. Der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt ist zutiefst überzeugt davon, dass er sich strafrechtlich nichts hat zuschulden kommen lassen. Am Donnerstag bestärkte ihn das Oberlandesgericht München in dieser Gewissheit. Die Richter halten den Verdacht der Abgeordnetenbestechung gegen Sauter und Nüßlein für unbegründet und korrigierten damit eigene Entscheidungen aus dem Frühjahr. Sauter sagt dazu nur: "Der Beschluss spricht für sich."

    Die Generalstaatsanwaltschaft München sieht die Sache ganz anders und kündigte umgehend Beschwerde beim Bundesgerichtshof an. Nach mehreren Razzien, der Beschlagnahme einer Menge Unterlagen und einem dreiviertel Jahr Ermittlungsarbeit liegt die Anklage gegen Sauter, Nüßlein und den Geschäftsmann Thomas Limberger quasi fertig in der Schublade. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich bei dem Maskendeal um Abgeordnetenbestechung im Sinne des Paragrafen 108e des Strafgesetzbuches handelt. Dort heißt es, verkürzt ausgedrückt: Ein Abgeordneter, der Schmiergeld kassiert, fordert oder sich versprechen lässt, dafür dass er in Wahrnehmung seines Mandats etwas Bestimmtes tut oder unterlässt, wird mit einer Freiheitsstrafe bestraft.

    In der Masken-Affäre flossen Millionen an Provisionszahlungen

    Die beiden Abgeordneten haben kassiert, das ist unstrittig. Bei Sauter waren es 1,2 Millionen Euro, bei Nüßlein hätte es genauso viel werden sollen. Doch nach einer ersten Tranche von 660.000 Euro hatte die Liechtensteiner Bank weitere Zahlungen wegen eines Hinweises der Finanzaufsicht gestoppt. Das Geld floss über eine Firma in der Karibik, die dem Geschäftsmann Thomas Limberger zuzurechnen ist, der zwischendurch in Untersuchungshaft saß.

    Mit einer Razzia in den Wohn- und Büroräumen des Bundestagsabgeordneten Nüßlein hatte am 25. Februar die Maskenaffäre ihren Anfang genommen. Später kam Sauter als Beschuldigter hinzu. Mit Unterstützung der beiden Politiker hatte die hessische Textilfirma Lomotex zu Beginn der Pandemie im März 2020 Masken für insgesamt mehr als 60 Millionen Euro an die Gesundheitsministerien in Bayern und im Bund sowie weitere staatliche Abnehmer verkauft. Rund 20 Millionen Euro gingen für Provisionen und Ähnliches weg. 11,5 Millionen Euro davon flossen an eine Gruppe von sechs Männern um Nüßlein und Sauter. Alle bestreiten die Korruptionsvorwürfe. Knackpunkt des Paragrafen 108e ist der Einschub "in Wahrnehmung seines Mandats". Dieser Passus kann sehr unterschiedlich interpretiert werden.

    Während die Generalstaatsanwaltschaft davon überzeugt ist, dass die beiden Politiker die Maskendeals in ihrer Funktion als Abgeordnete eingefädelt haben, behaupten Sauter und Nüßlein, sie hätten dies als Anwalt und Berater getan. In den Parlamenten sei die Maskenbeschaffung damals ja gar kein Thema gewesen. Die Frage ist also, wie eng man dieses "in Wahrnehmung seines Mandats" auslegt. Geht es nur darum, ob sich die Abgeordneten für diese oder jene Abstimmung kaufen ließen? So beurteilt das Oberlandesgericht die Causa in seinem Beschluss vom Donnerstag. Oder handelt ein langjähriger Parlamentarier, der sein Netzwerk in Ministerien und Verwaltungen hinein nutzt, zwangsläufig als Abgeordneter? Alfred Sauter legt die Stirn in Falten – was bei ihm mit den Jahren immer eindrucksvoller aussieht – und sagt: "Ich bin nicht nur Landtagsabgeordneter, sondern auch Unternehmer."

    Daran besteht kein Zweifel. Der CSU-Mann war über all die Jahre im Landtag immer einer der Parlamentarier mit den sattesten Nebeneinkünften. Regelmäßig meldete er die höchste Stufe: mehr als 250.000 Euro. Beinahe legendär ist sein ironisch gemeinter Satz: Natürlich habe er einen Nebenjob: Abgeordneter. Sauter betreibt zwei gut gehende Kanzleien in München: Sauter & Wurm, die sich seit Jahrzehnten auf das Baurecht in allen Facetten spezialisiert hat. Und seit 2019 ist er, wie schon von 1979 bis 1982, in einer Sozietät mit CSU-Urgestein Peter Gauweiler, dessen Einkünfte als Anwalt jene als Abgeordneter auch meist deutlich überstiegen hatten. Sind gute Beziehungen also nun Teufelszeug oder notwendige Voraussetzung?

    Sauter hat seine Provision aus den Maskengeschäften gespendet

    Sauters Verteidiger Martin Imbeck, ein renommierter Wirtschaftsanwalt mit besten Kontakten, formuliert es so: "Die Staatsanwaltschaft verkennt, dass unsere Volkswirtschaft von ihrer Natur und Organisation her auf Vertrauen aufgebaut ist." Geschäfte kämen einfacher zustande, wenn es vorher Kontakte und Vertrauen gab. Jemand, der so lange in der Landespolitik tätig sei wie Sauter, verfüge natürlich über Kontakte in die Verwaltung. Imbeck hält das aber für kein Problem. Für ihn ist "die Grenze da, wo durch korruptes Verhalten die Allgemeinheit geschädigt wird". Und das kann er im Fall Sauter nicht erkennen.

    Munter verweisen die Beschuldigten darauf, ihre Masken seien sogar günstiger gewesen als in der offenen Ausschreibung, die Gesundheitsminister Jens Spahn wenige Tage später gestartet hatte. Tatsächlich betrug der Kaufpreis der Lomotex-Masken im Schnitt 3,70 Euro. Spahn sicherte allen, die rasch liefern können, einen Stückpreis von 4,50 Euro zu. Wo also soll hier die Allgemeinheit geschädigt worden sein? Das war von Anfang an Sauters Version der Geschichte: Er habe den Maskendeal als Anwalt und nicht als Abgeordneter begleitet. Und daher könne er nicht als Abgeordneter bestochen worden sein.

    Doch sind 1,2 Millionen Euro selbst für einen Spitzenanwalt nicht ein extrem üppiges Honorar? Sauter sagt, von dem Geld sei kein Cent bei ihm geblieben. Er zieht einen Zettel aus dem Portemonnaie, auf dem er notiert hat, wie viel Steuern bezahlt worden sind. Wenn man grob mitrechnet, kommt man auf einen Betrag von mehr als 650.000 Euro. Der Rest wurde gespendet, der größte Batzen davon – 470.000 Euro – an die "Bürgerstiftung Landkreis Günzburg", die das Geld aber bei der Justizkasse hinterlegt hat. Warum hat er die Provision überhaupt gespendet, wenn doch alles mit rechten Dingen zugegangen sein soll? Und weshalb hat er es erst getan, nachdem die Ermittler schon bei seinem schwäbischen Parteifreund Nüßlein aufgetaucht waren?

    Sauter steht zu dem fragwürdigen Geschäft, doch die CSU nicht mehr zu ihm

    Sauter schweigt und schaut in den Nebel. "Ich will auf keinen Fall Mitleid heischen", sagt er dann ernst. Nach außen hin ist aber auch nicht die Spur von Reue zu erkennen. Nicht einmal dann, wenn man direkt danach fragt. Bereuen kann man nur etwas, das man als falsch erkannt hat. Sauter steht zu dem moralisch fragwürdigen Maskengeschäft. Seine Partei steht aber nicht mehr hinter ihm: Die CSU-Spitze um Markus Söder hielt einen langjährigen Kollegen, der sich in einer der größten Krisen des Landes durch seine Kontakte persönlich bereichert hat, nicht mehr für tragbar und drängte ihn, seine Ämter niederzulegen, bevor die juristische Aufarbeitung so richtig begonnen hatte. Sauter hat das getan. Sein Abgeordnetenmandat hingegen nimmt er bis heute wahr. Und so sitzt er nun in den Plenarsitzungen des Landtags als fraktionsloser Politiker hinten in der letzten Reihe – auf dem Platz, der am nächsten zum Ausgang liegt. "Mit

    Die CSU hat sich überraschend schnell und hart von dem Mann getrennt, der viel für sie getan hatte. Denn Sauter nutzte sein Netzwerk nicht nur für eigene Geschäfte, sondern auch im Sinne seiner Partei. Als Vorsitzender der Finanzkommission sammelte er Parteispenden im großen Stil ein. Zum Dank für die Großspender gab es schöne Abendessen im Nebenzimmer des Luxus-Restaurants "Käfer" in München. Mit dem CSU-Chef. Und oft auch mit Sauter. Für das Jahr 2021 weist der Bundestag für die CSU übrigens nur noch eine einzige Spende höher als 50.000 Euro aus – sie beträgt 121.381,16 Euro und stammt vom Autovermieter Sixt. Selbst die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands schnitt besser ab.

    Doch all seine guten Kontakte und Verdienste haben nicht verhindert, dass die Partei Sauter fallen ließ. Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts hat die CSU allerdings ein Problem. Wie soll sie nun mit dem in Ungnade Gefallenen umgehen? Schon gibt es erste Stimmen, die eine Entschuldigung fordern oder sogar die Wiederaufnahme in die Landtagsfraktion. Vor wenigen Tagen weihte der fraktionslose Landtagsabgeordnete gemeinsam mit zwei Kommunalpolitikerinnen, einem Dekan und einem Mesner einen Kreisverkehr im kleinen Ortsteil Nattenhausen der kleinen Gemeinde Breitenthal im Landkreis Günzburg ein. Das ist nun die politische Welt des versierten Strippenziehers Alfred Sauter. In seinem Wahlkreis ist er immer präsent geblieben.

    Nüßleins Zeit im Bundestag endet nach fast zwei Jahrzehnten still und glanzlos

    Georg Nüßlein hingegen meidet die Öffentlichkeit. Sein Mandat als Bundestagsabgeordneter behält er bis zum bitteren Ende – was ihm ehemalige Parteifreunde bis heute übel nehmen. Will da einer auch noch den letzten Euro mitnehmen? Als der Druck zu groß wird, tritt er aus der CSU aus und bricht damit viele Brücken ab.

    Er sucht Abstand – und spürt, wie andere Abstand zu ihm halten. Nüßlein war zwar immer ein Netzwerker, aber kein Mann, der Freundschaften oder enge Kontakte im Wahlkreis pflegte. Und so hält sich die Anteilnahme ehemaliger Weggefährten in Grenzen. "Es hat ihn ja keiner gezwungen, solche Deals zu machen", sagt einer, der Nüßlein seit Jahrzehnten kennt und fügt hinzu: "Ein Politiker sollte sich bei seinem Verhalten immer fragen, ob er morgen noch im Amt ist, wenn es in der Zeitung steht." Nüßlein ist nicht mehr im Amt.

    Mit der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags endete seine Zeit im Parlament nach fast zwei Jahrzehnten maximal glanzlos. Sein letztes politisches Amt im Günzburger Kreistag wird er in wenigen Tagen auch noch niederlegen. Und dann? "Bevor die juristischen Fragen nicht geklärt sind, gibt es kein Leben danach – das ist hart, aber da muss er jetzt durch", sagt ein einflussreicher CSU-Mann aus Schwaben. Andere machen sich mehr Sorgen um Nüßlein. Sie erzählen von einem Mann, der mit Anfang 50 sein Leben nun völlig neu sortieren muss – ein Leben ohne Politik.

    Georg Nüßlein.
    Georg Nüßlein. Foto: Alexander Kaya

    Im Gegensatz zu Sauter wähnte Nüßlein die beste Zeit seiner Karriere noch vor sich: Es ist kein Jahr her, da konnte er sich Hoffnungen auf einen Platz im nächsten Kabinett machen. Als Fraktionsvize der Union im Bundestag hatte sein Wort Gewicht. Die Wiederwahl ins Parlament galt sowieso als Formsache. Niemand ahnte ja damals, dass die CSU in die Opposition verbannt werden würde. Dass Nüßlein über die vielen Jahre neben seinem Mandat einen ausgeprägten Geschäftssinn entwickelt hatte, ahnten hingegen alle. Mit der Maskenaffäre wurden ihm die lukrativen Nebentätigkeiten zum Verhängnis. Selbst wenn er ohne Strafe davonkommt, was ja inzwischen sehr wahrscheinlich ist, wird er für die meisten Deutschen einer jener Politiker bleiben, die in einer epochalen Krise vor allem an den eigenen Kontostand gedacht haben.

    Nüßleins Rechtsanwalt und das Bundesgesundheitsministerium widersprechen sich

    Nüßlein hadert mit diesem Bild. Aber er schweigt. Auch als ihn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in seiner Zeugenaussage bei der Generalstaatsanwaltschaft belastet, überlässt er seinem Verteidiger Gero Himmelsbach das Reden. Und der geht zum Gegenangriff über. Er will den Eindruck korrigieren, Nüßlein habe seinen engen Draht zu Spahn missbraucht, nur um einem Maskenhersteller zum großen Geschäft zu verhelfen – und sich selbst zu einer dicken Provision. Versuchte umgekehrt auch der Minister, sich das Netzwerk seines schwäbischen Parteifreundes zunutze zu machen?

    Nüßleins Rechtsanwalt behauptet auf Nachfrage unserer Redaktion, Spahn habe sich im Juni 2020 an seinen Mandanten gewandt und ihm 30 Millionen FFP2-Masken angeboten, die von China aus direkt nach Südamerika geliefert werden könnten. Hintergrund: Nachdem Behörden und Kliniken zu Beginn der Pandemie hektisch sehr viele – und oft sehr teure – Masken zusammengekauft und bestellt hatten, saßen sie schon wenig später auf einem gigantischen Berg davon – und wollten Lieferungen teilweise loswerden oder Aufträge stornieren. Sollte Nüßlein dabei behilflich sein?

    Das Gesundheitsministerium stellt die Sache anders dar: Nicht Spahn sei an Nüßlein herangetreten, sondern der CSU-Politiker habe sich "in Telefonaten selbst als Vermittler angeboten". Weder der Minister selbst, noch andere Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums hätten Abgeordnete "aktiv um Unterstützung beim Weiterverkauf gebeten". Der einzige, der sich "je zu diesem Zweck angeboten hat, war Herr Abgeordneter Nüßlein", teilt das Ministerium auf Anfrage mit.

    Auch in einem weiteren Fall, den Verteidiger Himmelsbach jetzt öffentlich macht, geht es um die Frage, wer hier, wem behilflich war: Im Juli 2020 habe Spahn Nüßlein erneut um Unterstützung gebeten. Dieses Mal sollten demnach 1000 überschüssige Beatmungsgeräte nach Südamerika weiterverkauft werden. Doch wiederum erzählt das Gesundheitsministerium eine andere Version: "MdB Nüßlein hat vielmehr seinerseits Spahn angeboten, entsprechend zu vermitteln." Er habe durch seine Tätigkeit als Abgeordneter Kontakte in diese Länder, soll Nüßlein gesagt haben. Beide Geschäfte kamen letztlich offenbar nicht zustande.

    Es ist womöglich kein Zufall, dass das Ministerium konsequent vom "Abgeordneten" oder "MdB" (Mitglied des Bundestags) Nüßlein spricht. Denn genau darum geht es ja bei der strafrechtlichen Aufarbeitung: Hat er all die Geschäfte in Ausübung seines Mandats getätigt?

    Schweizer Firma Emix soll mit Masken-Deal bis zu 200 Millionen Euro Profit gemacht haben

    Um einen kleinen Gefallen mit großem Ertrag geht es auch bei zwei Schweizer Jungunternehmern, die am Anfang der Corona-Krise zu Multimillionären werden. Und um einflussreiche Netzwerke. Mittendrin zwei Frauen, deren Väter einst die Politik im Freistaat bestimmt haben: Andrea Tandler macht mit ihrer PR-Firma Marketing für urbayerische Produkte – Landhausmöbel vom Chiemsee, Bier aus Neuötting, Wurst aus Plattling. Ihr Vater Gerold war mal eine große Nummer in der CSU. Generalsekretär, Fraktionschef, Minister – und enger Vertrauter von Ministerpräsident Franz Josef Strauß. In dieser Zeit entsteht eine Freundschaft zwischen die sich im Frühjahr 2020 bezahlt macht.

    Im Auftrag der beiden Schweizer Unternehmer, die Corona-Masken in großem Stil beschaffen können, klopft Andrea bei ihrer Freundin Moni an und fragt, ob Bedarf bestehe. Hohlmeier, die in der CSU ebenfalls Karriere gemacht und als Europaabgeordnete noch immer beste Drähte in die Spitzenpolitik hat, schreibt daraufhin zwei SMS. An Bundesgesundheitsminister Spahn und dessen damalige bayerische Amtskollegin Melanie Huml.

    Monika Hohlmeier.
    Monika Hohlmeier. Foto: Matthias Balk, dpa

    Die CSU-Politikerin betont, sie habe keinerlei wirtschaftliche Eigeninteressen. Doch man darf davon ausgehen, dass der Tipp einer ehemaligen Ministerin in den Behörden nicht gerade nachrangig behandelt wurde. Tatsächlich bestellt der Staat in großem Stil bei der Schweizer Firma Emix – obwohl deren Ware zum Teil sündteuer ist. Auch das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen ordert Millionen Stück - sogar für bis zu 9,90 Euro für eine Maske, die in der Herstellung nur Cent-Beträge kostet. Der Staat sitzt am kürzeren Hebel. Am langen sitzen die Schweizer Jungunternehmer.

    Sie realisieren früher als andere, dass Ärzte und Kliniken dringend Schutzausrüstung brauchen. Sie bestimmen den Kurs, sie bestimmen die Konditionen – inklusive Vorauskasse und zeitlichen Ultimaten. Nach Recherchen unserer Redaktion lässt Tandler in den Verhandlungen anklingen, man werde sicher auch Abnehmer in Italien oder Österreich finden, sollten die Masken den deutschen Behörden zu teuer sein. Unter dem Strich soll Emix bis zu 200 Millionen Euro Profit gemacht haben. Die Provisionen für Tandler und einen Partner liegen angeblich zwischen 34 und 51 Millionen Euro. Und ihre Freundin Hohlmeier wird nun in einem Atemzug mit Nüßlein und Sauter genannt. Zurecht?

    Vor dem Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre im bayerischen Landtag, der voraussichtlich im Januar seine Arbeit aufnimmt, wird sie wohl als Zeugin geladen. "Ich verstehe vor dem Hintergrund Sauter und Nüßlein, dass man fragt, wo die Grenzen liegen. Für mich ist die Grenze klar: Ich lasse mich für nichts bezahlen. Aber es macht mich wütend, wenn ich mich als Abgeordnete rechtfertigen soll, dass ich meinen Job mache", sagt Hohlmeier im Gespräch mit unserer Redaktion – und erklärt ihre Sicht der Dinge. "In so einer Krise, in der Altenheime, Arztpraxen, Krankenhäuser verzweifelt Masken suchen, ruft eine Freundin an und sagt, dass sie Millionen von Masken organisieren kann. Und dann soll ich mich als Abgeordnete in meinen Sessel setzen und sagen, dass ich das leider nicht weitergeben kann, weil mir sonst irgendjemand, irgendetwas, irgendwann unterstellen könnte", sagt sie und schiebt eine rhetorische Frage hinterher: "Was für Abgeordnete wollen wir denn haben? Welche, die sich einfach aus allem raushalten und hoffen, dass sich schon irgendjemand anders darum kümmern wird?"

    Hohlmeier interveniert bei Jens Spahn, aber der Minister lässt sie abblitzen

    Doch wie aus einer SMS-Kommunikation hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt, hat sich Hohlmeier durchaus noch stärker für ihre Freundin ins Zeug gelegt. Andrea erzählt Moni, das Gesundheitsministerium habe einen Teil der Emix-Masken aus unerfindlichen Gründen nicht bezahlt. Daraufhin schreibt die CSU-Politikerin eine weitere Nachricht an Spahn und ärgert sich darüber, dass da ein seriöser Maskenanbieter übelst behandelt werde. Als sie keine Antwort bekommt, schickt sie am nächsten Tag eine weitere SMS hinterher. Ist das noch das berechtigte Interesse einer Abgeordneten daran, dass der Staat die Versorgung mit medizinischer Ausrüstung in den Griff bekommt? Oder geht es doch vor allem um einen Freundschaftsdienst?

    Der Minister jedenfalls lässt seine Parteifreundin abblitzen. "Liebe Monika, da da mittlerweile Anwälte tätig sind und es um detaillierte Vertragsfragen und -verpflichtungen (z. B. Qualität der Masken) geht, werde ich mich da nicht einmischen. Viele der Geschehnisse dieser Tage werden noch Untersuchungsausschüsse beschäftigen und daher wird es meinerseits keine politische Einflussnahme geben. Schützt Dich und mich. Lg Jens", schreibt Spahn am 13. Mai 2020. Der ehrgeizige CDU-Politiker scheint bereits zu ahnen, dass er sich auf dünnem Eis bewegt.

    "Schützt Dich und mich"

    jens spahn per smsundefined

    Spätestens jetzt spürt Hohlmeier das auch. Sie wolle gar keine politische Einflussnahme, sondern nur einen "fairen, transparenten und ordnungsgemäßen Umgang", antwortet sie. "Daraufhin habe ich Andrea Tandler informiert, dass es anscheinend rechtliche Fragen gebe, die sie selbst mit ihren Anwälten klären müsse", sagt Hohlmeier heute. Dass ihre Freundin mit den Maskendeals mehrfache Millionärin wird und die beiden Schweizer Unternehmer ihre Gewinne gleich mal in teure Sportwagen investieren, scheint der Politikerin im Nachhinein etwas unangenehm zu sein. "Wenn jemand die Situation ausnutzt, um einen Riesenreibach zu machen, der weit über das normale Maß hinausgeht, dann finde ich das, zurückhaltend formuliert, nicht in Ordnung", sagt Hohlmeier.

    Hat sie sich für die falschen Leute eingesetzt? War es ein Fehler, bei Spahn so zu insistieren? "Wer würde jemals alle Sätze in einer SMS aus einer hektischen Krisenzeit nochmals exakt so formulieren?", antwortet sie mit einer Gegenfrage und betont, sie habe Emix für seriös gehalten. "Schließlich hatten mehrere Beschaffungsämter von Bund und Ländern in großem Stil dort eingekauft".

    Dass eben diese Geschäfte auch deshalb zustande kamen, weil Ex-Ministerin und Strauß-Tochter Hohlmeier sehr früh den direkten Kontakt zu den Ministern hergestellt hatte, sagt sie nicht. Geld habe sie von Andrea Tandler jedenfalls nie bekommen.

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