Für den CSU-Abgeordneten Hansjörg Durz hat sich nach seinem Besuch bei Facebook im amerikanischen Silicon Valley der Verdacht bestätigt: Auch die deutsche Bundestagswahl im Herbst sollte mit Angriffen über das Internet manipuliert werden: „Wie eng das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit Facebook zusammengearbeitet hat, um einen groß angelegten Versuch zu vereiteln, den Ausgang der Bundestagswahl zu beeinflussen, hat mich beeindruckt“, sagt der Vize-Vorsitzende des Digitalausschusses des Bundestags.
Der Politiker aus Neusäß bei Augsburg hat bei Gesprächen im Facebook-Hauptquartier im kalifornischen Menlo Park neue Details zur Löschung tausender falscher Konten im Vorfeld der Wahlen im vergangenen September erhalten. Die Urheber der gescheiterten Cyber-Attacke hatten Experten damals Russland vermutet. Beim Besuch in der Facebook-Zentrale hat sich für Durz ein Gespräch mit Alex Stamos, dem weltweiten Sicherheitschef des wegen eines Datenskandals im Zusammenhang mit Versuchen der Beeinflussung von Wählern vor der US-Wahl 2016 in die Schlagzeilen geratenen Unternehmens ergeben.
Was Stamos, einer der engsten Mitarbeiter von Facebook-Chef Mark Zuckerberg, mit großer Offenheit berichtet habe, habe ihn, „elektrisiert“ sagt Durz. Demnach habe Facebook vor der Bundestagswahl intensiv mit den deutschen Behörden zusammengearbeitet, um zahlreiche sogenannte „Verstärkerkonten“, die seit längerem eingerichtet waren, zu identifizieren und stillzulegen.
Falsche Identitäten können Wahlpropaganda verbreiten
Dabei handelt es sich um falsche digitale Identitäten, die den Anschein erwecken, dass sich dahinter eine echte Person verbirgt. Über diese Konten können dann Botschaften verschickt werden, etwa Wahlpropaganda, Hassparolen, Hetze oder gezielte Falschinformationen. „Da wird etwa die Seite eines Fußballvereins gelikt, auf harmlose Nachrichten in Medien verlinkt oder Kontakt mit anderen Facebook-Nutzern geknüpft – so entsteht eine Scheinidentität“, erklärt Durz.
Dies sei im vergangenen Jahr auch im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen beobachtet worden. „Über einen längeren Zeitraum hinweg wurden in Frankreich hunderte solcher Scheinkonten aufgebaut“, sagt Durz. Über den jetzigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron waren vor der Wahl vermeintlich belastende, vertrauliche Dateien aufgetaucht. Zuvor waren im US-Wahlkampf 2016 interne Dokumente der Demokraten aufgetaucht, die die Kandidatin Hillary Clinton in ein schlechtes Licht rückten. Verdächtigt werden in beiden Fällen russische Hacker, mutmaßlich im Auftrag des Kreml.
"Vorbereitungen für Wahlmanipulationen waren im Gange"
Für Durz ist nach dem Besuch bei Facebook klar, dass auch falsche Konten angeblicher deutscher Nutzer eingerichtet worden sind. Über deren Zahl habe sich das Unternehmen nur vage geäußert, „es geht wohl Richtung Tausende“ sagt der CSU-Abgeordnete. Und auch darüber, wer diese Scheinkonten eingerichtet habe, gebe es zwar keine endgültige Sicherheit, aber Hinweise darauf, dass die Urheber in Russland zu finden sein könnten.
„Die Vorbereitungen für gezielte Wahlmanipulationen waren bereits im Gange, doch die Experten von BSI und Facebook haben die Scheinkonten, über die der Angriff erfolgen sollte, rechtzeitig entdeckt und abgeschaltet“, berichtet Durz. Die Erkenntnisse aus dem Fall seien von Facebook seither zudem verwendet worden, um mögliche Manipulationen vor insgesamt 15 weiteren Wahlen weltweit zu verhindern.
„Es muss alles unternommen werden, dass soziale Netzwerke nicht zur Gefahr für die Demokratie werden können“, sagt Durz. Er fordert: „Facebook muss seinen Anstrengungen zum Schutz der persönlichen Daten seiner weltweit zwei Milliarden Nutzer noch deutlich verbessern.“
Er habe bei seinem Besuch in Menlo Park auch Anzeichen für einen Bewusstseinswandel erkennen können. „Alex Stamos hat zugesagt, dass Facebook die künftige europäische Datenschutzgrundverordnung konsequent umsetzen und sogar zum Vorbild seiner weltweiten Sicherheitsarchitektur machen will.“ Zudem habe das Unternehmen versprochen, einen hochrangigen Vertreter aus dem US-Hauptquartier zu einer Anhörung des Bundestages zu schicken.