Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil fordert im neu entfachten Streit der Ampel-Koalition über den Bundeshaushalt für das kommende Jahr eine schnelle Einigung. «Diese ganze Aufführung, die wir in der letzten Woche erlebt haben, war völlig unnötig, sie war überflüssig, sie hat das Land nochmal zusätzlich verunsichert. Es ist der Job einer Bundesregierung, einen Haushalt dem Parlament zu übergeben», sagte Klingbeil im ARD-Sommerinterview. Es sei Unzufriedenheit mit der Regierung entstanden. Klingbeil sagte: «Klare Erwartung: Nächste Woche muss der Haushalt in der Regierung fertig werden.»
Einigung bis Mitte August angekündigt
In den vergangenen Tagen war die Auseinandersetzung neu entflammt. Hintergrund sind Vorhaben, die die Finanzierungslücke im Etat um insgesamt acht Milliarden Euro reduzieren sollten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte wegen rechtlicher und wirtschaftlicher Bedenken Gutachten dazu beauftragt. Diese bestätigten die Bedenken in Teilen, zeigten aber auch Wege auf, zumindest einen Teil der Maßnahmen umzusetzen.
Bis Mitte August wollen Lindner, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) eine Einigung erzielen und einen Kabinettsbeschluss herbeiführen.
Klingbeil: «Es gibt kein Recht auf Faulheit»
Der SPD-Vorsitzende äußerte sich auch zur Debatte um das Bürgergeld. Er erlebe bei Diskussionen, dass viele Menschen Teile des Bürgergeldes als ungerecht empfänden. «Aber da reden wir übrigens nicht über beispielsweise 800.000 Menschen, die ja arbeiten, und trotzdem Bürgergeld bekommen, weil sie so wenig Geld verdienen in der Arbeit, dass sie was obendrauf kriegen», sagte Klingbeil.
«Das, was die Menschen trifft in ihrem Gerechtigkeitsempfinden, ist, wenn da auf einmal 16.000 sind, die sich jeglicher Mitarbeit mit dem Staat verweigern. Die also Solidarität des Staates ausnutzen, sich zurücklehnen und sagen, ich muss nichts machen. Und denen muss man sehr klar sagen, es gibt kein Recht auf Faulheit.»
Lindner fühlt sich von Botschaft des Kanzlers «nicht angesprochen»
Im Streit um den Haushalt hatte zuvor Scholz Unmut erkennen lassen und klargemacht, dass ein juristisches Gutachten zum Etatentwurf durchaus Darlehen der Bahn und der Autobahngesellschaft als Finanzierungsmittel erlaube. Lindner kann darin nach eigenen Worten keine Kritik des Bundeskanzlers an sich erkennen. «Ich fühle mich von der Botschaft des Kanzlers nicht angesprochen», sagte der FDP-Vorsitzende der Funke Mediengruppe.
Scholz fügte im Gespräch mit «Zeit Online» hinzu: «Es bleibt ein Mysterium, wie das eigentlich klare Votum des juristischen Gutachtens vorübergehend grundfalsch aufgefasst werden konnte.» Lindner hatte Zweifel geäußert, ob rund acht Milliarden Euro für die Schiene und Autobahnen mit Darlehen finanziert werden können.
Bundesfinanzminister nimmt auch Solarförderung in den Blick
Lindner plädierte auch für ein schnelleres Ende der Subventionen für erneuerbare Energien. «Was die Solarförderung betrifft, besteht ein dringender Handlungsbedarf. Die Subventionen sind massiv gestiegen», sagte er der Funke Mediengruppe. «Dabei ist eine Förderung gar nicht mehr in der Breite nötig, weil es sich rechnet. Das muss schnellstmöglich beendet werden.»
Lindner verwies auf den Koalitionsbeschluss, die Subventionen für erneuerbare Energien spätestens mit dem Kohleausstieg zu stoppen. Aus seiner Sicht könne es deutlich schneller sein, sagte er. «Die neue Kleinanlage auf dem Hausdach habe ich von der Mehrwertsteuer befreit, das ist bereits Förderung genug.» Vereinbart ist der Kohleausstieg für 2038. Die Ampel hatte sich vorgenommen, das Datum «idealerweise» auf 2030 vorzuziehen.
Lindner warnte vor einer neuen Schuldenkrise in Europa, sollte Deutschland deutlich mehr Kredite aufnehmen und forderte von der Koalition weitere Schritte zum Umbau des Sozialstaats. «Wir brauchen mehr Empathie für wirklich sozial Schwache und Bedürftige - aber auf der anderen Seite mehr Konsequenz bei Trittbrettfahrern, die Geld von diesem Staat wollen, obwohl sie arbeiten könnten, oder die sie sich illegal in unserem Land aufhalten.»
Union hält mehr Zeit für Haushaltsberatungen für nötig
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, hält den Zeitplan für die Haushaltsberatungen im Bundestag für fragwürdig. Die für September vorgesehenen Beratungen über den Haushalt für 2025 sollten verschoben werden, falls die Ampel-Politiker nicht rechtzeitig eine «ehrliche Planung» vorlegen sollten, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
Die Annahme von Lindner, es müsse nur eine Finanzierungslücke von fünf Milliarden Euro geschlossen werden, sei «fern der Realität», kritisierte Middelberg. Tatsächlich müssten von den 17 Milliarden Euro, die in der bisherigen Planung als sogenannte globale Minderausgabe vorgesehen waren, noch mindestens 13,4 Milliarden Euro finanziert werden. Und selbst das sei noch sehr optimistisch berechnet.
Middelberg plädiert für Verschiebung der Haushaltswoche
Zwar seien auch in früheren Haushaltsjahren Minderausgaben zwischen einem und zwei Prozent angesetzt worden. Diesmal seien sie aber deutlich höher. Auch habe sich bereits in diesem Jahr gezeigt, dass eher mit höheren Mittelabflüssen zu rechnen sei. Mit einer globalen Minderausgabe werden Einsparvorgaben gemacht, ohne dass in den einzelnen Haushaltstiteln schon gekürzt wird.
Außerdem wird vorweggenommen, dass ohnehin nicht alle veranschlagten Mittel ausgegeben werden. Insgesamt hat der Haushalt für das kommende Jahr ein Volumen von 480,6 Milliarden Euro - rund acht Milliarden weniger als in diesem Jahr. «Ohne deutliche Minderung der geplanten Minderausgabe muss die für September geplante erste Lesung des Haushalts im Bundestag verschoben werden», forderte der Unionsfraktionsvize.
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