Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

London: Großbritannien schickt Klimaaktivisten von der Straße ins Gefängnis

London

Großbritannien schickt Klimaaktivisten von der Straße ins Gefängnis

    • |
    Die Aktivisten von "Just Stop Oil" haben im Zentrum Londons ein Gebäude mit oranger Farbe beschmiert.
    Die Aktivisten von "Just Stop Oil" haben im Zentrum Londons ein Gebäude mit oranger Farbe beschmiert. Foto: Just Stop Oil, dpa

    In Deutschland ist es die "Letzte Generation", in Großbritannien vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem die Aktionen der Umweltaktivisten-Gruppe „Just Stop Oil“ nicht für Schlagzeilen sorgen. Vergangene Woche besprühten einige der Aktivisten die Fassade des Ministeriums für Energiesicherheit im Zentrum Londons mit oranger Farbe – großflächig und in rauen Mengen. Anfang Juli stürmten zwei Mitglieder beim Wimbledon-Turnier während des Matches zwischen Grigor Dimitrov und Sho Shimabukuro auf den Platz Nummer 18. Eine Frau verteilte Konfetti und Puzzle-Teile, ein Mann setzte sich auf den getrimmten Rasen. 

    Indem die Protestler Autobahnen und Ölterminals blockieren, wollen sie erreichen, dass die britische Regierung die Gewinnung von Öl und anderen fossilen Brennstoffen stoppt. Gehör fanden sie bei der Tory-Partei jedoch nicht. Im Gegenteil: Um ihnen Einhalt zu gebieten, hatte diese schon im vergangenen Jahr die Polizeigesetze deutlich verschärft. So droht Demonstranten, die die öffentliche Ordnung stören, eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. 

    Deutscher Marcus Decker in Großbritannien verurteilt

    Einer der ersten, der unter dem neuen Gesetz verurteilt wurde, war der Deutsche Marcus Decker. Der 34-Jährige kletterte im Oktober 2022 gemeinsam mit Mitstreitern auf die Pfeiler der „Queen Elizabeth II. Bridge“, um daraufhin ein Banner mit der Aufschrift „Just Stop Oil“ auszurollen. Die Hängebrücke ist Teil der Ringautobahn um London und zählt zu den meistbefahrenen Verkehrswegen in Großbritannien. Sie wurde wegen der Protest-Aktion 40 Stunden gesperrt. Die Richterin begründete das Urteil unter anderem mit dem dadurch entstandenen Schaden für die Bürgerinnen und Bürger. 

    Decker wurde noch vor Ort festgenommen, inhaftiert und im April dieses Jahres zu zwei Jahren und sieben Monaten Gefängnis verurteilt. Seitdem sitzt er in der Haftanstalt Chelmsford, etwa zwei Stunden nordöstlich von London gelegen. Mit einer so hohen Strafe hatte der Deutsche, der schon vorher wegen eines Protestes verurteilt worden war, nicht gerechnet, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion sagte. „Das kam für alle völlig unerwartet. Aber die Justiz versucht eben mit so hohen Strafen Menschen abzuschrecken”, meinte er. Weil Decker kein britischer Staatsbürger ist und seine Haftstrafe über ein Jahr beträgt, droht ihm nun außerdem die Abschiebung nach Deutschland.

    Polizei kann Demonstranten präventiv verhaften

    Mittlerweile ist es der Polizei möglich, noch härter gegen Proteste vorzugehen. Seit Mai können Demonstranten schon vorsorglich festgenommen werden, wenn diese die öffentliche Ordnung stören. Anlässlich der Krönung von König Charles III. verhaftete die „Met Police“ Aktivisten der Organisation „Republic”, die für eine Abschaffung der Monarchie im Zentrum Londons demonstrieren wollten. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ bezeichnete dies als „unglaublich alarmierend“. Seit Anfang Juli sind nun auch Protestformen wie langsames Gehen unter Haftandrohung verboten, sofern sie darauf abzielen, etwa den Verkehr oder Bauarbeiten zu beeinträchtigen. Bürgerrechtler schlagen Alarm. Grundsätzliche Bedenken des britischen Oberhauses wurden von der Regierung ignoriert. 

    Die Regierung unter Premierminister Rishi Sunak bekennt sich zwar zur Demonstrationsfreiheit, kritisiert aber radikale Protestformen heftig. „Hart arbeitende Menschen möchten ihrem Alltag nachgehen, ohne von einer selbstsüchtigen Minderheit gestört zu werden“, sagte Innenministerin Suella Braverman. Viel Wirkung haben bislang jedoch weder die drohenden Worte noch die verschärften Gesetze gezeigt. Schließlich startet „Just Stop Oil“ nach wie vor fast täglich Aktionen, um sich Gehör zu verschaffen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden