Muss Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihre Kontakte zu Interessenvertretern offenlegen? Ja, findet zumindest die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und klagt beim Verwaltungsgericht Köln auf Einblick in den Terminkalender der CDU-Politikerin. Unterstützung bekommt Foodwatch von einer Amtsvorgängerin Klöckners.
Renate Künast unterstützt Foodwatch-Forderung gegen Landwirtschaftsministerin Klöckner
Renate Künast, von 2001 bis 2005 selbst Landwirtschaftsministerin, sagte unserer Redaktion: „Das Problem ist nicht, dass sich Ministerin Klöckner mit Vertretern von Unternehmen und Verbänden trifft. Das massive Ungleichgewicht von Treffen mit Industrie und Verbänden im Vergleich zur Zivilgesellschaft und Umweltaktiven ist das Problem.“ Klöckner treffe sich „gern und oft mit dem Bauernverband und der Ernährungsindustrie, aber nur sehr selten mit Tier-, Umwelt- und Naturschutzorganisationen.“ Dies, so die Grünen-Politikerin, „würde deutlich werden, wenn es eine transparente Erfassung der Minister-Termine gäbe“.
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und ihr Terminkalender: Verfahren kann Signalwirkung haben
Das von Foodwatch angestrengte Verfahren könnte Signalwirkung haben: Urteilen die Richter im Sinne der Lebensmittelwächter, müssen auch andere Spitzenpolitiker bald Rechenschaft über geheime Treffen mit Lobbyisten ablegen. Nach Angaben von Foodwatch geht es bei der Klage zunächst einmal um Klöckners Termine im Januar 2020.
Die Öffentlichkeit habe ein Recht, von den Kontakten der Ministerin zu Lobbyisten zu erfahren, sagt Rauna Bindewald von Foodwatch. Es gehe um folgende, brisante Fragen: „Welche Lobbyisten nehmen Einfluss auf die Gesetze der Bundesregierung? Wie oft trifft Ministerin Klöckner Vertreter von Nestlé, Coca-Cola oder Bayer?“ Die Organisation beruft sich bei ihrem Auskunftsersuchen auf das Informationsfreiheitsgesetz. Es gewährt jeder Person einen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Allerdings enthält es zahlreiche Ausnahmen, etwa wenn es um personenbezogene Daten geht.
Das Kölner Gericht – zuständig, weil das Bundeslandwirtschaftsministerium neben seinem Berliner Standort weiter seinen Hauptsitz in Bonn hat – muss nun entscheiden, ob das Gesetz auch für die Treffen der Ministerin gilt. Im vergangenen August hatte das Ernährungsministerium einen Foodwatch-Antrag auf Einsicht in Klöckners dienstliche Terminliste abgelehnt. Begründet wurde dies unter anderem mit der Vielzahl von Klöckners Lobby-Kontakten. Dadurch könne nicht garantiert werden, dass die Liste alle Kontakte enthalte, daraus könne dann der Vorwurf „mangelnder Vollständigkeit“ entstehen. Zudem wurden Sicherheitsbedenken angeführt, die gegen entsprechende Auskünfte sprächen – aus den Informationen könnten Bewegungsprofile abgeleitet werden.
Kölner Gericht hatte Forderung abgewiesen - Foodwatch nennt Begründung "absurd"
Die Verbraucherschützer nennen diese Begründungen „absurd“ und „nicht nachvollziehbar“. Denn nach den Orten der Treffen hätten sie gar nicht gefragt. Dass es eine Vielzahl an Lobbytreffen gebe, spreche zudem nicht gegen, sondern für mehr Transparenz.
Foodwatch wirft Klöckner seit langem eine zu große und problematische Nähe zu Landwirtschaftsverbänden und der Lebensmittelindustrie vor. Erst kürzlich hatte die Organisation kritisiert, die Ministerin betreibe „Schönfärberei“, was die Zustände in der Nutztierhaltung betrifft. In Veröffentlichungen des Ministeriums würden Missstände verschwiegen. Auch im jahrelangen Streit um die im vergangenen Jahr dann doch eingeführte Lebensmittelampel hatte Foodwatch Klöckner vorgeworfen, zu sehr die Interessen der Lebensmittelindustrie zu vertreten.
Dass es gute Gründe gibt, warum sich Politiker mit Vertretern von Firmen und Interessenverbänden treffen, ist unbestritten. Zu den am politischen Prozess beteiligten Akteuren gehören schließlich auch Organisationen wie Foodwatch. Ex-Ministerin Künast sagt aber: „Der Einfluss von Lobbyisten auf politische Entscheidungsprozesse hat zugenommen.“ Sie nennt den Fall Wirecard, die Mautaffäre, die „Rent-A-Sozi-Affäre“ um gesponserte Treffen mit SPD-Politikern und die Nähe der CDU-Nachwuchshoffnung Philipp Amthor zu Firmenvertretern – „jeder Skandal erschüttert das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker“. Künast weiter: „Vor allem fällt auf, dass Versprechen von mehr Transparenz nicht eingelöst werden.“
Wie transparent müssen Lobby-Kontakte sein? Foodwatch fordert Einführung von Lobbyregister
Zahlreiche Organisationen, darunter Foodwatch, finden, dass Lobby-Kontakte unter größtmöglicher Offenheit stattfinden sollten. Seit langem fordern sie die Einführung eine so genannten Lobbyregisters. Dazu liegt bei der Bundesregierung bislang lediglich ein Gesetzesentwurf vor. Vorgaben zur Offenlegung von Lobbytreffen von Bundesregierung und Ministerien enthalte es aber nicht, kritisiert Foodwatch.
Auch Ex-Agrarministerin Künast sagt: „Die Bürger haben das Recht auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Handlungen von Regierungsmitgliedern. Die Unionsfraktion muss endlich ihren Widerstand gegen ein ordentliches Register und volle Transparenz über Lobbykontakte aufgeben.“
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