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Linkspartei: Die Linke – Ossi- und Protestpartei außer Dienst

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Die Linke – Ossi- und Protestpartei außer Dienst

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    Sahra Wagenknecht sieht ihre Partei auf falschem Kurs. Sie beklagt, dass die Partei das Protestpotential nicht mehr abholen kann.
    Sahra Wagenknecht sieht ihre Partei auf falschem Kurs. Sie beklagt, dass die Partei das Protestpotential nicht mehr abholen kann. Foto: Marcel Kusch, dpa

    Dass bei den Linken die Angst umgeht, zeigt das planlose Draufhauen auf den politischen Gegner. Es sind die Attacken einer Partei, die in die Ecke gedrängt ist, die in den Seilen hängt. Wahlverlierer in Sachsen-Anhalt, im Bundestrend gefährlich nahe an der 5-Prozent-Hürde. Es geht um die Existenz.

    Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow ließ nach dem enttäuschenden Ergebnis ihren Frust raus und setzte CDU und AfD als rechte Parteien gleich. Fraktionschefin Amira Mohamed Ali hatte zuvor in der Benzinpreisdebatte auf die Grünen eingeschlagen: „Baerbock schaut mit einer unerträglichen Arroganz auf die Menschen mit kleinen Einkommen.“ Wohlgemerkt ist ein Bündnis mit Grünen und der SPD nach der Wahl im September die einzige, wenn auch unwahrscheinliche Machtoption der Linken.

    Die Linke hat keine Machtoption

    Sie ist deshalb unwahrscheinlich, weil es die Orthodoxen in der Partei nicht wollen, weil sie die Nato als ein imperialistisches Bündnis begreifen und in Nibelungentreue zu Wladimir Putin stehen. Denn Russland steht für die Sowjetunion und damit für den Kampf gegen den Faschismus und damit für die SED. Die mangelnde Machtoption und die Rolle als Hüterin der reinen linken Lehre ist für die Wähler wenige Monate vor der Wahl kein fesselndes Angebot. Es ist aber nur ein Grund, warum die Linke in den Umfragen abgestiegen ist.

    Der Kampf gegen den Faschismus und die Treue zu Russland sind die Ursache dafür, dass die Linken nichts als koalitionsfähig gelten.
    Der Kampf gegen den Faschismus und die Treue zu Russland sind die Ursache dafür, dass die Linken nichts als koalitionsfähig gelten. Foto: Foto: Stoll

    Der zweite Grund hat mit der Geschichte zu tun und mit dem Erbe als Nachfolgerin der DDR-Staatspartei SED. Nach der Wende war die damalige PDS die Partei derjenigen Ostdeutschen, die weiter an den Sozialismus glaubten, und derjenigen, die der Kapitalismus ausspuckte. Sie war die Kümmerpartei auf den Trümmern der DDR-Wirtschaft.

    Weil die Wiedervereinigung mittlerweile über 30 Jahre her ist, hat die Linke von heute ein biologisches Problem. Die alten Genossen und treuen Anhänger sterben weg. In Sachsen-Anhalt war der Effekt stärker als der Sog zum Wahlsieger und Ministerpräsidenten Reiner Haseloff von der CDU. Gewiss stirbt die Frustration über das wirtschaftliche Elend in den 90er Jahren und Hartz-IV-Schicksale nicht automatisch mit den Alten aus. Die Kränkung kann auf die junge Generation übertragen werden.

    Die Protestwähler gehen heute zur AfD

    Doch das Ventil dafür ist nicht mehr die Linke, der Zorn entlädt sich über die AfD. Die Rechten haben der Linken die Rolle der Protestpartei abgenommen. Das ist Grund 3 für ihren Bedeutungsverlust. Ein verzweifelter Versuch, der AfD den Vertretungs-Anspruch für die Wütenden wieder zu entnehmen, war deshalb das Plakat mit der Parole „Nehmt den Wessis das Kommando“. Nach empörtem Widerspruch entschied sich die Linke, die Plakate nicht aufzuhängen. Für die Protestwähler erfüllt das Kreuzmachen bei der AfD viel eher seinen Zweck als ein Kreuzchen bei der Linken. Ist die AfD stark, dann ist der Aufschrei groß und der Westen schaut hin. Um die AfD nicht noch stärker werden zu lassen, fließen Milliarden aus der Bundeskasse nach Ostdeutschland, wie es bei den Kompensationen für das Ende des Braunkohleabbaus geschieht.

    Die AfD hat der Linken die Rolle als Protestpartei weggenommen.
    Die AfD hat der Linken die Rolle als Protestpartei weggenommen. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Der vierte Grund der Schwäche der Linkspartei hat mit den Zugpferden zu tun, die nicht ziehen. Das gilt für den Bund wie für Sachsen-Anhalt. „Spitzenkandidatin Eva von Angern spielte für das Linken-Votum nur eine untergeordnete Rolle“, heißt es in der Analyse zur Landtagswahl der Meinungsforscher von Infratest dimap. Die neuen Chefinnen der Bundespartei – Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler – sind noch weithin unbekannt.

    Sahra Wagenknecht sieht die Linke auf dem falschen Kurs

    Vom Fernsehen eingeladen wird Sahra Wagenknecht, die bei den Chefinnen als Unruhefaktor gefürchtet ist. Wagenknecht hat ein neues Buch geschrieben und ruft darin ihre Partei auf, nicht der Klasse der Bio-Markt-Gänger au Großstädten hinterherzulaufen, sondern Politik für die Leute mit wenig Geld zu machen. Ansatz und Analyse Wagenknechts sind strittig, genau wie die Parteispitze zerstritten ist. „Ich teile diesen Vorwurf von Frau Wagenknecht nicht“, entgegnete Hennig-Wellsow trocken, die sehr oft Fragen zu Wagenknecht beantworten muss.

    Bislang kein Aufbruch unter den neuen Vorsitzenden Janine Wissler (l) und Susanne Hennig-Wellsow.
    Bislang kein Aufbruch unter den neuen Vorsitzenden Janine Wissler (l) und Susanne Hennig-Wellsow. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

    Die Promi-Genossin, die Ende 2019 wegen eines Burnouts als Fraktionschefin aufhörte, reibt derweil den Vorsitzenden regelmäßig die Misserfolge unter die Nase. „Die Linke muss dringend darüber nachdenken, warum wir nicht mehr Stimme der Unzufriedenen und des sozialen Protests sind.“

    Der Vierklang aus mangelnder Bekanntheit der Wahlkämpfer, dem verloren gegangenen Protestpotential, die schwindende Basis im Osten und die fehlende Machtoption ist eine Bedrohung für die Linke. Antworten, wie sie darauf reagieren könnte, hat die Partei bislang nicht gefunden. Bis zum Wahltermin hat sie nicht einmal mehr vier Monate Zeit.

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