Horst Köhler war eine außergewöhnliche Persönlichkeit — persönlich und politisch. In allen seinen Positionen und Aufgabenfeldern ging es dem früheren Bundespräsidenten um das Schicksal der Menschen und das Wohl der Gemeinschaft. Das galt für sein Vaterland Deutschland, mit großer Verantwortung in der Regierung. Für die Einigung Europas als Schicksal für diesen Kontinent und die weltweite Entwicklung. Und für seinen Kampf um mehr Gerechtigkeit für ärmere Völker. Köhler gestaltete mit der Wirtschafts- und Währungsunion in Deutschland einen entscheidenden Schritt zur Einheit Deutschlands. Der Rückzug der sowjetischen Streitkräfte von deutschem Boden durch den sogenannten Überleitungsvertrag war auch sein Werk. Gleichzeitig bereitete er das politische Zusammenwachsen Europas durch eine gemeinsame Währung vor.
Die Mächtigen in Washington und Moskau suchten seinen Rat
Die Mächtigen in Washington und Moskau suchten seinen Rat. Als Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung oblag ihm die Transformation der osteuropäischen Volkswirtschaften in die Staatengemeinschaft Europas. Köhler war der erste und einzige deutsche „Managing Director“ des Internationalen Währungsfonds. Er entwickelte erste Schritte zur Reform dieser wichtigen Institution und scheute dabei auch den Konflikt mit den mächtigen Ländern nicht.
Die Begegnung mit Menschen war Horst Köhlers große Stärke
Als ihn der Ruf ereilte, als Bundespräsident im Jahr 2004 zu kandidieren, war ihm der Dienst an der Res Publica seines Vaterlandes oberste Priorität. Mit der ihm eigenen Freude am Gestalten und am Umgang mit den Bürgern formte er das höchste Staatsamt durch Begegnungen, Diskussionen und Gespräche mit den Menschen auf allen Ebenen. Seine Erfahrung als gelernter und praktizierender Ökonom und seine internationale Reputation kamen ihm dabei zugute. Er führte sein Amt unparteiisch und konsequent, am Gesetz und Gemeinwohl orientiert.
Die Bürgerinnen und Bürger liebten und schätzten seine spontane Art, mit Menschen umzugehen und auf ihr persönliches Schicksal einzugehen. Das schwäbische Bayern lag Köhler besonders am Herzen. In der Religionsstadt Augsburg nahm er an der wichtigen ökumenischen Veranstaltung über die gemeinsame Rechtfertigungslehre teil. Er begleitete die Augsburger Domsingknaben bei ihrem Konzert für Papst Benedikt in der Sixtinischen Kapelle und lud den Chor zum Neujahrssingen in das Schloss Bellevue ein. Konzerte in Ottobeuren und in der Wieskirche boten ihm die Möglichkeit, Kunst, Kultur und politische Gespräche in einer besonderen Atmosphäre zu verbinden. In Memmingen hielt er die Laudatio bei der Verleihung des Freiheitspreises an den Dichter Reiner Kunze. Auch im Kloster Roggenburg erinnert man sich gerne an den bemerkenswerten Aufenthalt des Bundespräsidenten und die Diskussion mit jungen Menschen. In Seeg besuchte er als überzeugter evangelischer Christ einen katholischen Gottesdienst und traf sich danach mit den Bürgern des Ortes. 2005 zog er sich ins Allgäu zurück, um über die wichtige Frage der vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder erbetenen Auflösung des Bundestags mit Repräsentanten des Geisteslebens und des Staatsrechts zu reflektieren. Unvergessen bleibt auch sein Besuch bei Fußballern mit Behinderung in Ursberg, wo er aktiv als Spieler zwei Halbzeiten bestritt.
„Mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich immer gut beraten“
Wenn Horst Köhler bei Konferenzen und Sitzungen an meiner Seite saß, fühlte ich mich gut beraten und gerüstet für die Bewältigung schwieriger Herausforderungen. Als er hohe internationale Positionen innehatte, bewunderte ich seine Sach- und Fachkenntnis und die Freude an der Bewältigung der jeweiligen Aufgabe. Als Freund war er mir Trost und Ermutigung in guten und schweren Tagen. Jedes Gespräch war ein Gewinn.
Noch vor wenigen Tagen sprachen wir letztmals miteinander
Erst vor wenigen Tagen, am 23. Januar, haben wir letztmals miteinander gesprochen. Seine Stimme war schwer, doch der Geist lebendig und klar wie immer. Wir unterhielten uns über gemeinsame glückliche Momente. Es ging aber auch um die Politik in Amerika und darum, wie Deutschland sich darauf vorbereiten müsse. Köhler sprach von einer geschichtlichen Krise. Danach nahm ich ein Buch von José Ortega y Gasset in die Hand: „Das Wesen geschichtlicher Krisen“. Dort heißt es: „Wie allein bleiben die Toten.“ Der Philosoph sagt, in Wahrheit seien wir die Alleingelassenen, die — einsam geworden — zurückbleiben.
Aus dem Schatz seiner Erfahrungen wollte Horst Köhler eine Botschaft zu den Herausforderungen der Politik in diesen Tagen an uns weitergeben. Das war nicht mehr möglich. Doch sein Leben war und ist eine Botschaft für uns alle.
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