Kaum ein Jahr hat die Folgen des Klimawandels so deutlich vor Augen geführt wie dieses, das mit großer Wahrscheinlichkeit zum wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen wird. Eine Hitzewelle verwandelte Spanien in einen Glutofen, in Griechenland ließen Waldbrände Touristen fliehen. In Süddeutschland zerschlug Hagel viele Dächer. Nur eine kleine Minderheit zieht noch in Zweifel, dass die Erderwärmung menschengemacht ist. Und diese Einsicht hinterlässt Spuren. Zwar wird inzwischen einiges für den Klimaschutz unternommen. Erneuerbare Energien werden ausgebaut, E-Autos erobern die Straßen. Dennoch halten es Fachleute für eine Illusion, dass sich in diesem Tempo der Anstieg auf idealerweise 1,5 Grad begrenzen ließe. Mit den derzeitigen Maßnahmen steuert die Erde auf eine Erwärmung von fast drei Grad bis 2100 zu, warnt die UN. Die Folgen wären drastisch.
Doch ausgerechnet jetzt, wo das Engagement gegen den Klimawandel immer dringender wird, befindet sich die Klimapolitik in der Defensive. Die Klimademonstranten von Friday for Future kämpfen mit den Anti-Israel-Äußerungen ihrer Ikone Greta Thunberg. Und für den klimafreundlichen Umbau der deutschen Wirtschaft fehlen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts womöglich bald Milliarden. Das ist die Lage, in der am Donnerstag die 28. Weltklimakonferenz im Dubai beginnt. Einigen gilt die zweiwöchige Mammut-Tagung als wichtigste Klimakonferenz seit 2015 in Paris, als sich die Weltgemeinschaft auf das 1,5-Grad-Ziel einigte.
COP 28: Die Effektivität einer Mammut-Konferenz mit 197 teilnehmenden Staaten ist begrenzt
197 Staaten plus die EU und 70.000 Teilnehmer werden erwartet, darunter Papst Franziskus, König Charles III und Kanzler Olaf Scholz. Die Herausforderungen sind gewaltig, die Hürden ebenfalls. Ein Erfolg wäre es schon, wenn es gelänge, die Vereinbarungen der letzten Konferenz mit Leben – und Geld – zu füllen, unter anderem einen Fonds für die Entwicklungsländer, um die Folgen der Erwärmung zu bekämpfen. Dringend nötig wäre auch ein Fahrplan zum schrittweisen Ausstieg aus der Förderung von Kohle, Öl und Gas. Eine solche Einigung wäre aber eine Sensation, schließlich sitzen Öl-Länder wie Russland oder Saudi-Arabien mit am Tisch.
Dazu kommt, dass die Bürgerinnen und Bürger die Klimakonferenz längst nicht mehr mit so viel Aufmerksamkeit beschenken, wie dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine geht es in Europa um Verteidigung und die Sicherung der Energieversorgung, manches alte Kohlekraftwerk wurde reaktiviert. Jetzt fordert der Krieg Israels gegen den Terror der Hamas zusätzlich politische Aufmerksamkeit. Auch das Debakel um das Heizgesetz in diesem Sommer trägt dazu bei, dass in Deutschland eine Klima-Erschöpfung eintritt.
Klimaschutz eröffnet die Chance auf saubere, gut bezahlte Arbeitsplätze
All diese Rückschläge sind verhängnisvoll und kommen zur Unzeit. Denn das Problem der Erwärmung löst sich nicht, weil andere Probleme hinzukommen. Hitzewellen, Stürme und Unwetter werden auch kommendes Jahr den Menschen zusetzen und Milliardenwerte vernichten.
Viele Entwicklungen machen aber auch Mut: Wer hätte vor 20 Jahren nur ein Bier darauf verwettet, dass erneuerbare Energien in Deutschland bald 60 Prozent zur Stromversorgung beitragen, wie es heuer im ersten Halbjahr der Fall war? Wer hätte gedacht, dass gerade die USA Technologien wie Solarenergie oder die Wasserstoff-Produktion fördern? Klimaschutz ist Wirtschaftspolitik. Klimaschutz schafft neue, saubere Industrien und gut bezahlte Arbeitsplätze. Diese Power gilt es jetzt mitzunehmen – nach Dubai und ins nächste Jahr.