Haschpfeife und Joint haben - Verbot hin oder her - ihren festen Platz in der Jugend-, Studenten- und Gegenkultur. Der Ruf, die berauschenden Erzeugnisse aus dem Harz der weiblichen Hanfpflanze zu legalisieren, gehört seit Generationen zu den Klassikern linker und alternativer Politik. Jetzt, die Ampel-Regierung macht's möglich, geht der alte Kiffer-Traum bald in Erfüllung. Cannabis steht kurz vor der Freigabe, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der liberale Justizminister Marco Buschmann arbeiten am entsprechenden Gesetz. Doch die Herausforderungen dabei sind gewaltig, das Thema hat viele widersprüchliche Seiten. Regeln, die das nicht berücksichtigen, können riesigen gesellschaftlichen Schaden anrichten.
Je nach Sichtweise sind Haschisch und Marihuana harmlose, mild entspannende Substanzen oder Teufelszeug, das zu Abhängigkeit, Gehirnschäden oder schweren psychischen Störungen führt. Der Stand der Forschung lässt sich sehr vereinfacht so zusammenfassen: Cannabis kann beides sein, je nachdem, wer es konsumiert und in welcher Dosis. Für Erwachsene, die sich gelegentlich einen Joint rollen, sind Risiken und Nebenwirkungen offenbar vergleichsweise gering. Bei jungen Menschen sieht es anders aus. Erst mit Mitte 20 ist das Gehirn fertig entwickelt, einige Studien weisen darauf hin, dass der Konsum bis dahin zu massiven Schädigungen führen kann. Junge Kiffer leiden häufiger unter Depressionen, Antriebslosigkeit, Lernschwäche oder schulischen Problemen. Sie brauchen Schutz und Hilfe, strafrechtliche Verfolgung aber ist hier völlig fehl am Platz.
Cannabis-Ziel: "Kontrollierte Abgabe an Erwachsene"
So zielt die Vereinbarung des Koalitionsvertrags, "die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen, in die richtige Richtung. Zumindest theoretisch. In der Praxis stellen sich viele Fragen: Welche "Geschäfte" sollen das denn sein und wer soll die Lizenzen für sie bekommen? Die heutigen Dealer und die kriminellen Organisationen, die hinter ihnen stehen, kommen da sicher nicht infrage. Legale Gras-Boutiquen müssten streng kontrolliert werden, es wäre fatal, würden sie an Mafia und kriminelle Clans fallen.
Was aber ist mit den Leuten, die heute mit Cannabis handeln? Wohl kaum werden sie morgen Karrieren als Maurer oder Buchhändler einschlagen. Sondern weiter Drogen verkaufen, billige, verunreinigte, gestreckte Ware. Oder andere Substanzen, die gefährlicher sind als Hanf. Zielgruppe dann vor allem: Minderjährige, die in den offiziellen Abgabestellen nichts bekommen. Ziemlich sicher werden Polizei und Justiz längst nicht in dem Maß entlastet, wie das Legalisierungsbefürworter vorrechnen. Der Staat muss eher noch härter gegen illegale Dealer vorgehen, die ihn ja Steuereinnahmen kosten. Wie bei Alkohol oder Tabak wird der Fiskus nämlich auch beim Hanfgenuss mitkassieren.
Der gern gezogene Vergleich mit gesellschaftlich weitgehend tolerierten Suchtmitteln wie Alkohol und Nikotin taugt weder als Argument für noch gegen eine Legalisierung von Cannabis. Ein Gläschen Prosecco kann, muss aber nicht der erste Schritt zu Alkoholismus und Leberzirrhose sein. Wer sich mal ein Pausen-Zigarettchen gönnt, wird nicht gleich Kettenraucher mit Lungenkarzinom.
Doch bevor Cannabis zum "normalen" Genussmittel wird, muss vieles geklärt werden: Wie sieht es nach dem Konsum mit dem Autofahren aus? Welche Grenzwerte gelten? Welcher Joint entspricht einem Achtel Weißwein und welcher einer Pulle Schnaps? Reichen die erwarteten Einnahmen aus der Cannabis-Steuer überhaupt für den nötigen Ausbau von Suchtprävention, Jugendschutz und Verfolgung des illegalen Drogenhandels? Die Bundesregierung muss überzeugende Antworten liefern. So viel für eine Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums auch sprechen mag, so wenig darf sie zu dessen Verharmlosung führen.