Die Gründerin der Bewegung, über deren Radikalität Deutschland gerade diskutiert, wirkt in Gesprächen so gar nicht radikal. Lea Bonasera spricht oft leise, ihre Stimme klingt brüchig, fast ein wenig ängstlich. Bonasera ist Mitte 20 und Gründerin der "Letzten Generation". Die Gruppe ist so etwas wie das Schwarze Schaf unter den Klimabewegungen, ein aggressiveres "Fridays for Future".
Die Protestierenden blockieren Straßen und Flughäfen, sie kleben ihre Hände auf Asphalt oder hungern tagelang, um Gespräche mit Politikern zu erzwingen. Dass sie sich selbst verletzen? Scheint ihnen nichts auszumachen. Vorübergehende Haft? Auch nicht. Dabei haben Bonasera und ihre Mitstreiter oft bürgerlich-mustergültige Lebensläufe. Wann also kam der Wandel zum aggressiven Protest?
Nach einer Reise zur Weltklimakonferenz in Paris stellt Lea Bonasera ihr Leben um
Lea Bonasera wächst bei Gütersloh auf – in einer Stadt, die kaum bürgerlicher klingen könnte: Rheda-Wiedenbrück. Der Vater arbeitet in der IT-Branche, die Mutter im Kindergarten. Sie macht Abitur (Schnitt: 1,6), studiert in Amsterdam und Oxford.
Nach einer Reise zur Weltklimakonferenz in Paris stellt Bonasera ihr Leben um. In die Politik scheint sie wenig Hoffnungen zu setzen. Sie ernährt sich vegan, geht mit "Fridays for Future" auf die Straße, trifft Aktivistinnen und Aktivisten der extremeren "Extinction Rebellion". Bonasera schreibt ihre Masterarbeit, Thema: Ziviler Ungehorsam. Die Doktorarbeit bricht sie ab. Keine Zeit für akademische Würden, der Planet will gerettet werden.
Aber bei "Fridays for Future" mitmischen? Das genügt nicht. 2021 gründet Bonasera ihre eigene Bewegung. Die Forderungen: Tempolimit 100 auf Autobahnen, Ausstieg aus der Kohle, Neun-Euro-Ticket. Auch das: überraschend wenig radikal. Ähnliche Forderungen könnten auch im Parteiprogramm der Grünen stehen.
"Ich bin verzweifelt": Lea Bonasera traf Olaf Scholz zum Gespräch
Was Bonasera aber in der Argumentation von Baerbock, Habeck, Hofreiter unterscheidet: die Wortwahl. In ihrer Sprache steckt Fatalismus. Der Glaube, einer Apokalypse schutzlos ausgeliefert zu sein. Schon der Name ihrer Bewegung betont dieses Gefühl. Bonasera sieht sich als Teil einer Generation, die als letzte noch die Chance hat, eine Katastrophe abzuwenden – Klimaprotest als Schicksalskampf.
Und ihre Hoffnung, diesen Kampf noch zu gewinnen, scheint gering zu sein. "Ich bin verzweifelt", sagt sie im Gespräch mit Olaf Scholz. Sie spricht von Dürre, Hunger, Flut und Tod. Es ist dieser Fatalismus, aus dem heraus die "Letzte Generation" ihre Hände auf die Straße klebt, statt sich in Parteien oder Vereinen zu engagieren. Und es ist auch der Grund, warum sie wohl nicht so bald damit aufhören werden.