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Lauterbachs Bundes-Klinik-Atlas enthält falsche Angaben

Bundes-Klinik-Atlas

Lauterbachs neuer Klinik-Atlas enthält falsche Angaben

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    Karl Lauterbachs umstrittener Bundes-Klinik-Atlas enthält offenbar viele Schwächen und falsche Angaben.
    Karl Lauterbachs umstrittener Bundes-Klinik-Atlas enthält offenbar viele Schwächen und falsche Angaben. Foto: Popow, Imago

    Man benötigt keine zwei Minuten, um im neuen Bundes-Klinik-Atlas auf Ungereimtheiten zu stoßen. Klickt man zum Beispiel auf die Brustkrebsbehandlung fällt auf, dass eine darauf spezialisierte kleinere bayerische Klinik davon nur zehn Operationen im Jahr machen soll. In Wirklichkeit sind es über hundert. Doch auf dem neuen Internetportal, das Gesundheitsminister Karl Lauterbach groß in Berlin vorstellte, sind offenbar die dort üblichen Operationen von Belegärzten nicht berücksichtigt. Mit weitreichenden Folgen: Die Klinik taucht in Lauterbachs Atlas abgeschlagen unter ferner liefen auf, während sie im AOK-Krankenhausatlas mit korrekten Behandlungsfallzahlen Topwerte bei Qualität und Weiterempfehlungsrate von Patientinnen erzielt.

    Für die betroffene Klinik grenzen die Daten des staatlichen Infoportals an Rufschädigung. Nur ein Einzelfall? Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft Roland Engehausen bestätigt, dass es offenbar zahlreiche Ungereimtheiten gibt, bei denen die Informationen nicht stimmen könnten.

    Krankenhäuser vermuten falsche Berechnungen aus offiziellen Daten

    „Wir sind bei ersten Testklicks kurz nach Freischaltung des Portals auf einige nicht plausible Angaben gestoßen, die wir uns nicht erklären können, sagt der Vertreter der bayerischen Krankenhausträger unserer Redaktion auf Anfrage. „Und hören auch von Krankenhäusern nicht nur aus Bayern von ähnlichen Fällen“, berichtet Engehausen.

    „Offenbar gibt es innerhalb des Systems des Bundes-Klinik-Atlas Fehler, die Daten aus den Krankenhäusern korrekt zusammenzurechnen, denn die Fallzahlen liegen alle offiziell vor“, erklärt der Geschäftsführer. Allerdings handle es sich bei Daten von rund 17 Millionen Behandlungsfällen in deutschen Klinken um ein komplexes System. „Die Krankenhäuser hatten leider keine Chance, den Bundes-Klinik-Atlas vorher zu testen.“

    Lauterbach ließ Klinken neuen Atlas nicht zur Probe testen

    Dies liege offensichtlich an der harten Auseinandersetzung zwischen Lauterbach und den Ländern um die Krankenhausreform. „Bei jedem anderen Bundesgesundheitsminister hätte die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein Portal solcher Tragweite mindestens einen Monat intensiv auf mögliche Fehler und Unklarheiten durchtesten können, bevor es online geht“, kritisiert Engehausen. 

    Auch unabhängig von den Schwachstellen ist Engehausen wie viele in der Gesundheitsbranche enttäuscht vom Start des neuen Angebots: „Angesichts der großen Ankündigungen ist das, was präsentiert wurde, überraschend dürftig“, erklärt er. „Transparenz ist ausgesprochen wichtig, deshalb veröffentlichen die Krankenhäuser nicht nur tausend Seiten starke Qualitätsberichte, sondern betreiben auch für allgemeine Öffentlichkeit ein eigenes Informationsportal“, sagt Engehausen.

    Selbst Krankenhaus-Infoseite ist Bundes-Klinik-Atlas weit voraus

    Tatsächlich hinkt der Bundes-Klinik-Atlas derzeit weit hinter vergleichbaren Angeboten hinterher. Die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft als Organisation der Klinikträger betreibt im Internet die Seite „deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de“. Dort werden nicht nur die korrekten Behandlungszahlen der jeweiligen Kliniken für entsprechende Operationen angezeigt, sondern auch die Quote der Komplikationen und wie viel ärztliches und pflegerisches Personal zur Verfügung steht.

    Der neu online geschaltete Bundes-Klinik-Atlas enthält offenbar viele Schwächen.
    Der neu online geschaltete Bundes-Klinik-Atlas enthält offenbar viele Schwächen. Foto: Soeren Stache, dpa

    Die AOK bietet bei ihrem Gesundheitsnavigator ebenfalls Angaben über die Zahl der Fälle als Zeichen der Erfahrung der Klinik an und zusätzlich, wie viele Qualitätsindikatoren das Krankenhaus erfüllt. Besonders interessant scheint, dass die Krankenkasse zudem die Weiterempfehlungsrate behandelter Patienten nennt

    Holetschek wirft Lauterbach schlechte Qualität und Steuerverschwendung vor

    Bundesminister Lauterbach versprach, dass der Bundes-Klinik-Atlas in den kommenden Monaten deutlich ausgebaut werden soll. In „einigen Wochen“, so hieß es, sollen auch dort Angaben zu Komplikationen der Klinken gemacht werden. Bislang ist dort vor allem die Zahl der Behandlungsfälle für die nötigen Operationen angegeben. Und auch der Anteil des Pflegepersonals pro Patient – allerdings nur für das gesamte Krankenhaus und nicht für die entsprechende Abteilung.

    Die Union kritisierte den SPD-Minister scharf, den Klinikatlas als Schnellschuss nur als taktisches Mittel im Streit um die Krankenhausreform einzusetzen. „Einmal mehr stiftet Karl Lauterbach Verwirrung und Unsicherheit über die Krankenhausreform insgesamt“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge. „Die Art und Weise und insbesondere der Zeitpunkt, wie der Klinik-Atlas jetzt auf den Weg gebracht wird, ist absolut ungeeignet, um Vertrauen zu schaffen“, kritisierte er. 

    Auch unabhängig möglicher Fehler, sei das Portal aus Sicht der Patienten eine Enttäuschung: „Was Karl Lauterbach jetzt veröffentlicht, ist größtenteils nichts Neues“, sagte Sorge. Die präsentierten Angaben lägen deutlich hinter Informations-Angeboten der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder verschiedener Krankenkassen zurück. „Dort sind auch Komplikationsraten und viele andere Daten aufgeführt“, erklärte der CDU-Politiker. 

    CSU-Politiker Klaus Holetschek: Klinikatlas ist verschwendetes Steuergeld

    Gesundheitspolitisch sei das Internetangebot des Bundes sogar bedenklich: „Der Klinik-Atlas könnte erhebliche Verzerrungseffekte mit sich bringen: Kliniken, die besonders viele schwere Fälle behandeln, schneiden bei der Komplikationsrate schlechter ab – obwohl sie qualitativ nicht schlechter sind, sondern womöglich bloß besonders viele Hochbetagte und Risiko-Patienten operieren“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte. „Das könnte in Zukunft sogar dazu führen, dass riskante Eingriffe in manchen Häusern abgelehnt werden – aus Angst vor Komplikationen und schlechten Rankings.“

    Auch der CSU-Fraktionschef und Ex-Gesundheitsminister Klaus Holetschek meldete sich zu Wort: „Der Klinikatlas von Karl Lauterbach ist von minderer Qualität und verschwendetes Steuergeld. Für die Patienten ist er verwirrend und bringt keinerlei Mehrwert, weil die Daten längst anderweitig verfügbar sind.“ Lauterbach solle lieber klären, was die Krankenhausreform für die ländlichen Räume bedeute. „Der Bundesgesundheitsminister hätte gut daran getan, stattdessen die lange versprochene Auswirkungsanalyse seiner Krankenhausreform auf den Tisch zu legen, um zu zeigen, was diese gerade auch für die ländlichen Räume bedeutet“, betonte der CSU-Politiker.

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