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Lars Klingbeil: Er soll die SPD künftig mit Saskia Esken führen: Das ist Lars Klingbeil

Lars Klingbeil

Er soll die SPD künftig mit Saskia Esken führen: Das ist Lars Klingbeil

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    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wird im Dezember wohl auch offiziell SPD-Parteichef.
    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wird im Dezember wohl auch offiziell SPD-Parteichef. Foto: Christophe Gateau, dpa

    An einem lauen Abend im vergangenen Sommer steht Lars Klingbeil an einer besonders malerischen Stelle der Lüneburger Heide. Genau hier hat er vor zwei Jahren Hochzeit mit seiner langjährigen Partnerin Lena-Sophie gefeiert. Er liebt diese karge Landschaft in Niedersachsen, die einmal im Jahr violett erblüht, in der Region ist er groß geworden. Versonnen schweigend blickt der 43-Jährige in die Weite. Zuvor hat der SPD-Generalsekretär lange geredet, eineinhalb Stunden einer Runde zweifelnder Journalistinnen und Journalisten die Strategie erklärt, die Olaf Scholz zum Bundeskanzler machen soll. Ein Vorhaben, das damals, als die SPD in den Umfragen zur Wählergunst bei 15 Prozent und darunter dümpelt, geradezu utopisch scheint.

    Klingbeil wird belächelt, doch seine Strategie geht auf

    Nur wenige Wochen später, am Abend des 26. September, zeigt sich, dass Klingbeils Strategie aufgegangen ist. Die SPD hat die Wahl gewonnen, Scholz wird Deutschland voraussichtlich bald regieren. Und auch Klingbeil, Regisseur des unwahrscheinlichen Comebacks, steht vor einem mächtigen Karrieresprung. Es soll die SPD künftig führen - neben Saskia Esken, die weitermacht. Das erklärten beide nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Montag in einer SPD-Präsidiumssitzung. Das Präsidium folgte dem einstimmig und schlug die Personalie dem Parteivorstand vor. Damit zeichnet sich ab, dass die SPD ihre offene Führungsfrage ohne großen Umbau in der Parteiführung parallel zur Regierungsbildung klärt. Gewählt werden soll die SPD-Führung auf einem Parteitag vom 10. bis 12. Dezember. 

    Norbert Walter-Borjans (links), Lars Klingbeil und Saskia Esken.
    Norbert Walter-Borjans (links), Lars Klingbeil und Saskia Esken. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Klingbeil wird Ende 2017 Generalsekretär, als die SPD vor einem Scherbenhaufen steht. Mit Martin Schulz hatte man das schlechteste Wahlergebnis der Parteigeschichte eingefahren, es herrschten Chaos, Ratlosigkeit und Richtungsstreit. In der stürmischen Phase der inhaltlichen und personellen Neuorientierung wirkt der eher sanft auftretende 1,96-Meter-Mann wie ein Fels in der Brandung. Als „Integrationsfigur“ wird er in den eigenen Reihen oft beschrieben, als Bindeglied zwischen den so schwierig unter einen Hut zu bringenden Strömungen innerhalb der SPD. Mit jungen, städtischen und digital affinen Jungsozialisten kann er es gut, aber auch mit gestandenen Gewerkschaftern. Er ist Mitglied im konservativen Seeheimer Kreis und steht gleichzeitig mit dem mächtigen Ex-Juso-Chef Kevin Kühnert im engen Austausch.

    Als Schüler demonstriert Klingbeil gegen Neonazis

    Schon als Schüler macht Klingbeil Politik, kämpft erfolgreich für einen Disco-Bus in seiner Heimat Munster, demonstriert gegen Neonazi-Umtriebe. In seinem Büro im Willy-Brandt-Haus steht noch die Gitarre, mit der er einst in einer Rockband spielte. Sein Vater ist Zeitsoldat, er selbst entscheidet sich nach dem Abitur für den Zivildienst in der Bahnhofsmission. Ein tiefes Verständnis für die Anliegen der Truppe ist ihm geblieben, deshalb hätten sich viele in der SPD Klingbeil auch als Verteidigungsminister vorstellen können. Jetzt wird er voraussichtlich Parteivorsitzender, wie schon sein Entdecker Gerhard Schröder, in dessen Wahlkreisbüro Klingbeil einst arbeitete.

    Dem mutmaßlich nächsten SPD-Kanzler Scholz hat Klingbeil eine Kampagne auf den Leib geschneidert, die sich als erfolgreich erwies, obwohl das Budget so klein war, wie nie zuvor. Unter Klingbeils Regie bespielte die SPD etwa die digitalen Kanäle weit cleverer als die Konkurrenten von der Union. Stoisch ertrug der studierte Politikwissenschaftler Häme und Kritik, als die Umfragewerte auch wenige Wochen vor der Wahl nicht steigen wollten. Am Ende würden die Wähler Scholz als den geeignetsten Nachfolger von Angela Merkel erkennen, war sein Credo - und er behielt recht.

    Integrationsfigur in einer zerstrittenen Partei

    Klingbeil hatte zu dem kleinen Kreis von Spitzengenossen gehört, die unter größter Geheimhaltung die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz aufs Gleis setzten. Dabei war der Vizekanzler und Bundesfinanzminister ja nicht lange zuvor im Rennen um den Parteivorsitz unterlegen. Statt Scholz und seine Partnerin Clara Geywitz wählten die Mitglieder das linke Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Die hielten an Klingbeil fest, mit der Basis wurden in ungezählten, durch die Corona-Pandemie meist digital stattfindenden Foren die künftigen Leitlinien ausformuliert. Dass sich auch die neuen Parteichefs schließlich auf den pragmatischen, wirtschaftsfreundlichen Scholz als Kanzlerkandidaten einließen, schreiben einflussreiche Genossen maßgeblich Klingbeils Einfluss zu. Sie erwarten, dass er die zuletzt nach links gerückte SPD inhaltlich wieder breiter aufstellen und den Verjüngungsprozess fortsetzen wird. Von der auf den ersten Blick zurückhaltenden Art Klingbeils solle sich niemand täuschen lassen - der norddeutsche FC-Bayern-Fan spiele auf Sieg, heißt es.

    SPD-Politiker Carsten Schneider könnte Klingbeil nachfolgen.
    SPD-Politiker Carsten Schneider könnte Klingbeil nachfolgen. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Mit seinem Kumpel Carsten Schneider, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, hat er zur Motivation manchmal Wetten laufen, wer sich etwa mehr Gewicht auf die Hantel packen kann. Beide quälen sich regelmäßig beim „Crossfit“, einem Krafttraining, das an den strengen Drill bei der US-Armee erinnert. Der umtriebige Erfurter Schneider wird auch als ein möglicher Nachfolger gehandelt. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in der SPD fordert allerdings, dass eine Frau Klingbeil nachfolgen sollte.

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