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Landwirtschaft: „Unserer Branche reicht es auch“

Landwirtschaft

„Unserer Branche reicht es auch“

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    Ein Teilnehmer der Protestdemonstration hält während der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor Schilder hoch.
    Ein Teilnehmer der Protestdemonstration hält während der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor Schilder hoch. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Sogar das Wetter bei der großen Bauern-Demo in Berlin spielte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in die Karten. Zur Kundgebung vor dem Brandenburger Tor kam Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) als Vertreter der Regierung, und ihm wehte nicht nur der Proteststurm der Betroffenen, sondern auch ein eisiger Wind entgegen. Mehr Symbolik geht kaum noch: Die Politik der Ampel stößt bundesweit auf Unverständnis und Widerstand. Längst sind es nicht mehr nur die Landwirte und Landwirtinnen, die auf die Straße gehen. In Berlin leuchteten auf grünen Signalwesten auch Logos der Handwerkerschaft, des Hotel- und Gaststättengewerbes, der Transportunternehmen und andere mehr. Sie alle haben miteinander zu tun. Die einen produzieren, was die anderen transportieren und die Dritten auf den Tisch bringen. Ein Überblick:

    Bürokratieabbau: Finanzminister Lindner versprach auf der Kundgebung zwar einen Bürokratieabbau. Der FDP-Politiker verschwieg dabei aber, dass sein Parteifreund Marco Buschmann vor wenigen Tagen erst den Entwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt hat. Das Papier des Bundesjustizministers hätte das, was Lindner nun in Aussicht stellte, schon längst aufnehmen können. Erstens ist das offenbar nicht passiert, zweitens reichen die nun gemachten Vorschläge nach Einschätzung der Praktiker nicht aus. „Das Bürokratieentlastungsgesetz IV kommt viel zu spät und wird trotz des rechnerischen Entlastungsvolumens im Betrieb vor Ort nicht ankommen“, sagte der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, „dass zahlreiche Vorschläge, die das Statistische Bundesamt im Rahmen der Verbändeabfrage Anfang vergangenen Jahres als leicht umsetzbar eingestuft hat, im Entwurf fehlen“.

    Agrardiesel: Die geplanten Einschnitte bei der Steuerentlastung für Agrardiesel trifft nicht nur die Landwirte direkt, sondern beispielsweise auch die Forstwirtschaft. Ohne den Einsatz vieler Spezialmaschinen wäre die Arbeit gar nicht zu schaffen – eine Arbeit, die in Zeiten des Klimawandels, zunehmender Dürren und anderer Unbilden immer noch wichtiger wird. Die Pläne der Ampel würden die Kosten nach oben treiben, am Ende leiden darunter nicht nur die Waldbesitzer, sondern auch der Walderhalt und der Klimaschutz. 

    Transportgewerbe: Nicht nur zahlreiche Traktoren blockierten die Berliner Zufahrtsstraßen, im Pulk waren auch Lastwagen zu sehen. Schon seit Tagen demonstrieren die Landwirtschaft und das Transportgewerbe gemeinsam. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung fordert, dass sich die Ampel an ihren Koalitionsvertrag hält. SPD, FDP und Grüne haben darin bei Amtsantritt versprochen, dass sie „eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis“ bei der Maut und beim Diesel ausschließen. Das zuständige Bundesfinanzministerium zeigte sich auf Nachfrage am Montag ratlos, wie diesbezüglich der aktuelle Stand ist. Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange erinnerte die Regierung postwendend daran, dass CDU und CSU gefordert hatten, die doppelte Belastung zurückzunehmen. „Zudem haben wir gefordert, das Geld aus der Lkw-Maut auch weiterhin der Straße zugutekommen zu lassen und es nicht dafür zu missbrauchen, irgendwelche Haushaltslöcher zu stopfen. Die Ampel lehnt unsere Forderungen bis heute eiskalt ab und nimmt lieber sehenden Auges in Kauf, dass Existenzen im Mittelstand zerstört werden“, sagte der CSU-Politiker. 

    Eine weitere Forderung der Spediteure ist die nach mehr Geld für intakte Straßen und Brücken, Lkw-Stellplätze und verlässliche Förderprogramme für einen klimafreundlichen Straßengüterverkehr. Angesichts der bevorstehenden Kürzungen wird sich dieser Wunsch kaum erfüllen. Der Vorsitzende des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, fasste es so zusammen: „Unserer Branche reicht es auch!“ 

    Gastgewerbe: „Eine Verteuerung der Lebensmittelerzeugung bei den Landwirten wird zwangsläufig zu weiteren Preiserhöhungen bei regionalen Lebensmitteln führen“, betonte der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA), Guido Zöllick. Die Gastwirte sind alarmiert, schließlich müssen sie die Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer auf 19 Prozent auf Essen in Restaurants und Cafés seit dem Jahreswechsel auch schon verkraften. „Gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband setzen wir uns dafür ein, dass regional erzeugte Lebensmittel wie auch das Essen in der Gastronomie bezahlbar bleiben müssen. Gemeinsam stehen wir für die Stärkung der Familienbetriebe, die im ländlichen Raum eine hohe Relevanz haben“, erklärte Zöllick. 

    Straßenblockaden: Bereits in den Tagen vor der Kundgebung hatten große Schlepper zahlreiche Autobahnauffahrten in Deutschland blockiert. Ob das rechtlich zulässig ist, liegt in der Entscheidung der Länder, die teilweise unterschiedliche Versammlungsgesetze haben. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschied beispielsweise, dass Blockaden von Autobahnauffahrten rechtens sind. In der Hauptstadt stellten viele Treckerfahrerinnen und -fahrer ihre schweren Fahrzeuge auf der Straße ab und machten sich zu Fuß auf den Weg zum Brandenburger Tor. Strafzettel wird es – das ist am Ende eine Entscheidung der Berliner Landesregierung – deswegen wohl nicht geben. Das Bundesverkehrsministerium erneuerte aber seinen Appell, dass Rettungsfahrzeuge durch parkende Schlepper nicht behindert werden dürften. Insgesamt dürfte aus dem Thema aber kein neuer politischer Aufreger werden. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, eine Folge des Versammlungsrechts sei es, dass „Menschen Einschränkungen hinnehmen müssen, die durch Proteste entstehen“.

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