Als die Pläne von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Mittwoch bekannt wurden, ließen die Reaktionen nicht lange auf sich warten. Während sich Verbraucherschützer zufrieden zeigten, hagelte es unter anderem Kritik aus der Opposition. Doch was steckt hinter dem Vorschlag, wie teuer könnte er für Verbraucher werden und welchen Nutzen kann eine Abgabe für den Tierschutz bringen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Worum geht es beim "Tierwohlcent"?
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat dem Finanzministerium ein Konzept vorgelegt, um einen sogenannten "Tierwohlcent" einzuführen. Laut dem Eckpunktepapier geht es darum, eine neue Steuer für Fleisch und Wurst zu erheben, um mit den Einnahmen den tierfreundlichen Umbau von deutschen Ställen zu fördern.
Bereits 2020 hatte die sogenannte Borchert-Kommission – benannt nach deren Vorsitzendem Jochen Borchert (CDU) – empfohlen, die Haltungsbedingungen schrittweise bis 2040 zu verbessern. Kühe zum Beispiel sollen in Ställen mehr Platz und mehr Zugang ins Freie bekommen. Dafür sind aber laut dem Expertengremium insgesamt 3,6 Milliarden Euro nötig. Der jetzt ins Spiel gebrachte Tierwohlcent könnte dazu beitragen, die Umbaukosten zu finanzieren.
Özdemir hatte zuletzt im Januar vor dem Hintergrund der Bauernproteste für eine Tierwohlabgabe geworben. Auf der Agrar-Messe "Grüne Woche" in Berlin bezeichnete er eine solche Steuer damals als "wertvolle Investition in die Zukunft unserer Landwirtschaft".
Um wie viel teurer würde Fleisch werden?
Der Begriff "Cent" ist hier nur symbolisch zu verstehen, die Abgabe würde tatsächlich wohl höher ausfallen. Im Raum steht derzeit ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch oder Wurst. Dies ist der Vorschlag der Borchert-Kommission aus dem Jahr 2020. Das Papier aus dem Landwirtschaftsministerium lässt die Höhe offen. Diese sei "politisch zu entscheiden".
Die Umweltorganisation Greenpeace hat ausgerechnet, dass Bürgerinnen und Bürger bei einer Abgabe von 40 Cent pro Kilo im Jahr durchschnittlich 20 Euro mehr für Fleisch bezahlen müssten. Die Nachfrage nach Fleisch ist in Deutschland seit Jahren rückläufig, 2022 konsumierte laut einer Statistik der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft jeder Deutsche im Schnitt 52 Kilogramm pro Jahr.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen begrüßte, dass sich die Koalition über eine Fleischsteuer Gedanken macht. Verbraucherzentralen-Chefin Ramona Popp betonte aber, eine Abgabe sei nur sinnvoll, wenn sie zeitlich beschränkt bleibe. "Die Tierwohlabgabe darf nicht zu einer dauerhaften finanziellen Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher werden", so Popp.
Wie kommt der Vorstoß zur Tierwohlabgabe in der Politik an?
Schon innerhalb der Ampelkoalition gibt es verhaltene Reaktionen auf den Vorschlag Özdemirs. "Neue Steuern oder Steuererhöhungen wird es mit der FDP nicht geben. Der Vorschlag von Cem Özdemir geht an den eigentlichen Nöten der Landwirte vorbei", sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer. Das Eckpunktepapier um den Tierwohlcent liegt derzeit im Finanzministerium, weil es sich um eine Steuer handelt. Die Ampel-parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag 2021 vereinbart, die Nutztierhaltung in Deutschland artgerechter umzubauen. Damals waren sich SPD, Grüne und FDP auch einig, die Investitionen mit einem "durch Marktteilnehmer getragenen finanziellen System" zu finanzieren.
Kritik kommt auch aus der Opposition. Steffen Bilger, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, bezeichnete den Tierwohlcent als "durchschaubares Manöver", um vom Versagen beim Thema Agrardiesel abzulenken. CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte schon im Januar bemängelt, dass mit einer zusätzlichen Abgabe die Preise für Fleisch und Wurst weiter ansteigen würden. Zwar befürworte man in der Union den tierfreundlichen Umbau von Ställen. Darüber, wie die Investitionen finanziert werden sollten, blieb Dobrindt allerdings im Unklaren.
Was sagt der Bauernverband zum Tierwohlcent?
Er lehnt den Vorschlag Özdemirs ab. Generalsekretär Bernhard Krüsken zweifelte am Mittwoch im RTL-Fernsehen an, dass die Tierwohleinnahmen tatsächlich bei den Bäuerinnen und Bauern ankommen würden. Aus seiner Sicht gebe es zwar in der Bevölkerung die Bereitschaft, für Fleisch auch mehr zu bezahlen. "Aber nur, wenn sichergestellt ist, dass es auch beim Landwirt ankommt", so Krüsken.
Krüsken kritisierte, dass der Tierwohlcent laut dem aktuellen Entwurf des Landwirtschaftsministeriums im Haushalt landen und nicht sofort an die Bauern fließen würde. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des Bayerischen Bauernverbandes auf Nachfrage unserer Redaktion.
Tatsächlich heißt es im Eckpunktepapier aus dem Landwirtschaftsministerium, dass eine "verbindliche Bindung der Einnahmen für die Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltung" nicht zu machen sei. Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 hatten die Ampelparteien eine solche Zweckbindung indes noch vereinbart. (mit dpa)