Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz kann die FDP wieder zu dem machen, was sie früher einmal war: Zum sprichwörtlichen „Zünglein an der Waage“ der deutschen Politik. Weil in Mainz alles auf eine Fortsetzung der rot-grün-gelben Koalition deutet und eine solche auch in Stuttgart möglich ist, wird die „Ampel“ nun plötzlich in der Bundespolitik ernsthaft diskutiert. Der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer jedenfalls ist überzeugt: „Spitzen-Technologien, innovative mittelständische Weltmarktführer, Klimaschutz und Soziale Marktwirtschaft – das kann nicht nur in Baden-Württemberg funktionieren. Das kann sogar ein globaler Exportschlager werden.“
Zwar ist weder im „Ländle“, noch im Bund und erst recht nicht auf der Welt klar, wie wahrscheinlich Ampel-Regierungen wirklich sind. Sicher aber ist, dass die Chancen der FDP mit dem Wahlsonntag gestiegen sind, mal wieder Mehrheitsbeschaffer zu sein. Eine Rolle die den Liberalen historisch bestens vertraut ist. Mal verhalfen sie der Union zur Regierung, mal der SPD. Mit dem Dreiparteiensystem der alten Bundesrepublik jedoch verschwand die Sonderrolle der FDP, denn Grüne, Linke und die AfD traten auf den Plan. Für die FDP schienen die Aussichten zuletzt sogar ausgesprochen düster. 2013 aus dem Bundestag geflogen, schafften sie 2017 den Wiedereinzug. Sogar für eine Regierungsbeteiligung hätte es gereicht.
Landtagswahlen: Die FDP findet aus ihrem Tief heraus
Doch dann ließ Christian Lindner, der Vater des Comebacks, die schon weit gediehenen Gespräche mit Union und Grünen platzen. Zur Jamaika-Koalition kam es nicht, worüber mancher Liberale bis heute grollt. Seither heißt es, Lindner werde kein zweites Mal eine Chance aufs Regieren vergeben. Zumal sich die Oppositionsbank für die FDP als überaus hart erwies. In den Umfragen zur Wählergunst rutschte sie bis an den Rand der Fünfprozenthürde – während die Grünen stetig zulegten.
Als Corona zum bestimmenden Thema der politischen Debatte wurde, ging die FDP auf Konfrontationskurs zur Regierung und hinterfragte kritisch den Sinn vieler Eingriffe in die bürgerlichen Freiheitsrechte. Da viele Bürger aber gerade in der ersten Phase der Pandemie dem Regierungskurs fast uneingeschränkt zustimmten, fand die FDP aus ihrem Tief nicht heraus. Das hat sich inzwischen geändert. Immer mehr Bürger teilen die Besorgnis vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu heftiger Lockdown-Maßnahmen. Im Bundestag liefern sich FDP und Union regelmäßig heftige Scharmützel um den richtigen Pandemie-Kurs.
Weil die Umfragen bis vor kurzem ohnehin auf ein Regierungsbündnis von Union und Grünen deuteten, sahen die Strategen von CDU und CSU wohl auch keinerlei Notwendigkeit, sich die Liberalen gewogen zu halten. Das könnte sich nach den Bundestagswahlen im September bitter rächen. Nicht zuletzt mehrere Korruptionsaffären haben die Union auf Talfahrt geschickt. Sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz fuhr die CDU ihr jeweils schlechtestes Ergebnis aller Zeiten ein. Dabei müsste gerade CDU-Chef Armin Laschet ja wissen, wie wichtig die Liberalen als Mehrheitsbeschaffer sind.
Bundestagswahl 2021: Wird Jamaika eine Option für die Regierung?
Er regiert in Düsseldorf zusammen mit der FDP. Setzt sich die Schwäche der Union fort, könnte es für Schwarz-Grün allein nicht reichen und wiederum wäre Jamaika der Ausweg. Vorausgesetzt natürlich, die Grünen und Liberalen wollen das überhaupt noch. Zwar betont FDP-Chef Christian Lindner, eine Ampel im Bund sei nicht das Ziel und die inhaltliche Nähe zur Union weiter groß. Doch gleichzeitig sagen führende Liberale, dass es nicht auf altes Blockdenken, sondern auf die Inhalte ankomme. Michael Theuer etwa meint nicht nur Baden-Württemberg, wenn er als FDP-Ziel die „Verzahnung von Ökonomie, Ökologie und sozialen Aspekten“ nennt.
Während die Ampel für die Union zum Albtraum werden könnte, gilt sie den Parteistrategen von Grünen und SPD zunehmend als lockende Option. Für eine gemeinsame Regierung wird es wohl allenfalls mit einem dritten Partner reichen. Die Vorbehalte gegenüber einer Regierungsbeteiligung der Linkspartei, die etwa die deutsche Nato-Mitgliedschaft aufkündigen wollen, sind in der Bevölkerung aber nach wie vor groß. Ein liberales Korrektiv würde wohl viele Sorgen zerstreuen, dass ein solches Bündnis zu weit nach links abdriftet und die Interessen der Wirtschaft zu wenig berücksichtigt. Die Liberalen wittern nach dem Auftakt des Superwahljahres Morgenluft. Standen sie gerade noch im bundespolitischen Abseits, sind sie nun zurück auf dem Feld: Als Kraft, die im Endspiel um das Kanzleramt womöglich das alles entscheidende Gewicht in die Waagschale werfen kann.
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