Ministerpräsident Hendrik Wüst hat die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nach ersten Hochrechnungen klar gewonnen – und kann sich doch noch nicht ganz sicher sein, im Amt zu bleiben. Der CDU-Politiker, der erst im Oktober die Nachfolge von Armin Laschet angetreten hatte, landete weit vor seinem sozialdemokratischen Herausforderer Thomas Kutschaty, der seine eigenen Hoffnungen aber trotzdem noch nicht begraben musste. Beide Spitzenkandidaten sind nun auf die Grünen angewiesen. Diese sind der eindeutige Sieger des spannenden Wahlabends, konnten ihr Ergebnis von 2017 fast verdreifachen und werden nun zum Regieren gebraucht – so oder so.
Bisher hatte der 46-jährige Wüst in Düsseldorf an der Spitze einer schwarz-gelben Koalition regiert. Dieses Bündnis, das er von seinem Vorgänger Laschet nach dessen Wechsel in den Bundestag übernommen hatte, hat allerdings keine Mehrheit mehr. Das liegt weniger am Ministerpräsidenten selbst als am desaströsen Abschneiden der FDP, die weit hinter den Werten der vergangenen Landtagswahl zurückgeblieben ist und am Abend sogar um den Wiedereinzug in den Landtag bangen musste. Vor fünf Jahren waren die Liberalen noch mit Parteichef Christian Lindner als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen.
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Die Unterstützung von Scholz für Kutschaty fruchtete kaum
Die CDU muss sich also neu orientieren – hat es aber eben nicht selbst in der Hand, ob sie weitermachen kann. Für Schwarz-Grün würde es locker reichen, das wäre auch die Regierung der beiden Wahlsieger – doch die Grünen um ihre Spitzenkandidatin Mona Neubaur dürften den Preis nach ihrem furiosen Erfolg ordentlich in die Höhe treiben. Schließlich haben sie im Koalitionspoker das entscheidende Ass im Ärmel: Sie könnten auch Kutschaty (mit oder ohne Hilfe der FDP) zum Ministerpräsidenten machen und damit der SPD zurück an die Macht in jenem Bundesland verhelfen, das einmal als Herzkammer der Sozialdemokratie galt.
Linke und AfD werden bei der Regierungsbildung keine Rolle spielen. Die Linke bleibt im freien Fall und verpasste den Einzug in den Düsseldorfer Landtag noch deutlicher als vor fünf Jahren. Die AfD ist nach den Hochrechnungen drin. Vor einer Woche waren die Rechtspopulisten in Schleswig-Holstein aus dem Parlament geflogen.
Dort musste sich die SPD, genau wie nun im Westen, der Union geschlagen geben. Und so dürfte es in den kommenden Tagen auch für Olaf Scholz ungemütlich werden. Der Bundeskanzler hatte sich im Wahlkampf für Kutschaty ins Zeug gelegt – mit überschaubarem Erfolg, wie sich nun zeigt. Noch am Wahlabend entbrannte folglich hinter den Kulissen die Debatte, wie viel Scholz in der SPD-Niederlage am Sonntag steckt.
NRW-Ergebnis ist Warnschuss für die Ampel auf Bundesebene
Wenn man die Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland als eine Art Zwischenzeugnis für die Bundesregierung betrachtet, muss sich der Kanzler durchaus Sorgen machen, angesichts der Noten, die ihm die Wählerinnen und Wähler an diesem Sonntag gegeben haben. So dürfte die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auch Auswirkungen auf die Berliner Ampel-Koalition haben.
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