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Landtagswahl in NRW: "Kleine Bundestagswahl": Hochspannung vor der Landtagswahl in NRW

Landtagswahl in NRW

"Kleine Bundestagswahl": Hochspannung vor der Landtagswahl in NRW

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    Wahlplakate mit Porträts der NRW-Spitzenkandidaten von CDU, Ministerpräsident Hendrik Wüst (links), und SPD, Thomas Kutschaty, in Köln.
    Wahlplakate mit Porträts der NRW-Spitzenkandidaten von CDU, Ministerpräsident Hendrik Wüst (links), und SPD, Thomas Kutschaty, in Köln. Foto: Oliver Berg, dpa

    Als "Mini-Bundestagswahl" gilt die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen schon seit den Frühzeiten der Republik. Doch in diesem Jahr ist der Urnengang im bevölkerungsreichsten Bundesland so spannend und mit Bedeutung aufgeladen wie selten zuvor. Zwischen Amtsinhaber Hendrik Wüst (CDU) und seinem sozialdemokratischen Herausforderer Thomas Kutschaty zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab.

    Wer am Ende dann regiert, das dürfte stark von den Grünen abhängen. Der jüngsten Insa-Umfrage zufolge führt die CDU mit 31 Prozent, die SPD folgt ihr mit 29 Prozent fast auf dem Fuß. 16 Prozent bekämen die Grünen mit Landeschefin Mona Neubaur. Die FDP um Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp liegt bei acht Prozent, sodass es für die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf kaum reichen wird. Da müssten dann schon die Grünen das Jamaika-Trio komplettieren, möglich wäre aber auch eine Ampel wie im Bund.

    Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).
    Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Foto: Henning Kaiser, dpa

    Scholz und Merz werfen ihr ganzes Gewicht in den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen

    Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der in der Ukraine-Krise zuletzt an Zustimmung eingebüßt hat, gilt die Wahl als Lackmustest für seine Regierung. Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU muss ebenso zittern: Ein schwaches Ergebnis des Parteichefs in seiner Heimat würde seine Position erheblich schwächen. So werfen beide ihr ganzes Gewicht in diesen Wahlkampf, treten bei vielen Veranstaltungen auf. Merz und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützten zuletzt Wüst bei Terminen im Rheinland. Scholz steht Kutschaty sogar auf den SPD-Plakaten zur Seite.

    Ein Erfolg in der "Herzkammer der Sozialdemokratie", wie Nordrhein-Westfalen oft genannt wird, wäre auch für Scholz die erträumte Bestätigung in schweren Zeiten. Doch so hartnäckig sich das Klischee vom "Malocher" in Kohlegrube oder Stahlhütte hält, der selbstverständlich sein Kreuzchen bei den Roten macht: Historisch gesehen wechselten sich SPD und CDU, die im gutbürgerlichen, rheinisch-katholischen Milieu tief verwurzelt ist, immer wieder ab. In den USA wäre "NRW" ein "Swing State", ein Schaukelstaat, der seine politische Farbe häufiger wechselt und damit das politische Gefüge im ganzen Land verändern kann.

    Vor Hendrik Wüst war Armin Laschet Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

    Einen solchen Machtwechsel gab es bei der letzten Wahl vor fünf Jahren. Damals trat ein gemütlich wirkender Mann namens Armin Laschet für die CDU gegen die quirlige Amtsinhaberin Hannelore Kraft von der SPD an. Die verfügte durchaus über Landesmutter-Qualitäten und saß scheinbar fest im Sattel. Sehr frei zusammengefasst und zugespitzt lautete Laschets Botschaft an die Wähler: Ihr steht auf dem Weg zur Arbeit im Stau, während Kriminelle in eure Häuser einbrechen. Und schuld daran ist die SPD. Das verfing bei einer unzufriedenen Mittelschicht, die noch dazu mit der Bildungspolitik der rot-grünen Koalition haderte. Laschet gewann die Wahl und nahm die FDP als Partner mit ins Boot. Der Status als Ministerpräsident des größten Bundeslandes ebnete ihm schließlich auch den Weg zum Vorsitz der Bundespartei und zur Kanzlerkandidatur.

    Doch seine Chance, Angela Merkel nachzufolgen, konnte er bekanntlich nicht nutzen. Das lag an mangelnder Unterstützung durch CSU-Chef Markus Söder, aber auch an Laschets eigenen Patzern. So leistete er sich beim Besuch im von einer todbringenden Flut betroffenen Katastrophengebiet einen peinlichen Lacher, anschließend brachen seine Umfragewerte ein. SPD-Mann Scholz wurde Kanzler, Laschet einfacher Bundestagsabgeordneter. In der Düsseldorfer Staatskanzlei übernahm der bisherige Verkehrsminister Hendrik Wüst.

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    Foto: Oliver Berg, dpa

    Hendrik Wüst war in Nordrhein-Westfalen der "Mann fürs Grobe"

    1975 im westfälischen Rhede geboren, trat Wüst als 15-Jähriger dem CDU-Nachwuchs bei. Er studierte Jura in Münster und begann 2002 noch als Referendar eine Tätigkeit bei der Münchner Lobbyagentur Eutop, die unter anderem die Interessen von Unternehmen in Brüssel vertritt. 2005 wurde er als Direktkandidat des Wahlkreises Borken in den Landtag gewählt, ab 2006 übernahm der junge Konservative den Posten des Generalsekretärs der NRW-CDU. Er galt als "Mann fürs Grobe" des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU). Für eine umstrittene Sponsoring-Affäre, bei der gegen Zahlungen Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten angeboten wurden ("Rent a Rüttgers"), übernahm Wüst 2010 die Verantwortung und trat zurück.

    Im selben Jahr löste Hannelore Kraft (SPD) Rüttgers als Ministerpräsident ab. In der Opposition machte Wüst vor allem als Wirtschaftspolitiker auf sich aufmerksam. Neben seiner Abgeordnetentätigkeit führte er die Geschäfte des Landesverlegerverbands. Als 2017 wiederum Laschet die Staatskanzlei für die CDU zurückeroberte, übertrug er Wüst eine wichtige Aufgabe: Als Verkehrsminister sollte der 1,91-Meter-Mann sein wichtigstes Wahlversprechen einlösen, für weniger Staus zu sorgen.

    Wüst, der privat gerne Rad fährt, packte die Herausforderung mit viel Elan an, sorgte für Rekordinvestitionen ins marode Straßennetz und schnellere Planungsverfahren. Doch zunächst verursachte das noch mehr Baustellen und damit Staus, sodass der Ärger der Autofahrer bis heute andauert. Auch am Grundproblem des Landes, den gewaltigen wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden zwischen den einzelnen Regionen, konnte Wüst bislang wenig ändern. Während mittelständisch geprägte Regionen wie Ostwestfalen boomen, ist die Lage im ehemaligen Industrierevier weiter düster. Städte wie Gelsenkirchen, Duisburg oder Bochum machen weiter durch hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität von sich reden.

    Zum Amtsbonus hat es bei Hendrik Wüst noch nicht gereicht

    Im Oktober 2021 vom Landtag zum neuen Ministerpräsidenten gekürt, hat es Wüst bislang nicht zu einem echten Amtsbonus gebracht. Daran änderten auch die Auftritte nach diversen Corona-Gipfeln als turnusmäßiger Chef der Ministerpräsidentenkonferenz wenig. Noch immer sind die Hochwasserschäden im Land nicht beseitigt und dann sorgte auch noch Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) für Ärger, die nach Mallorca flog, als sie als Flut-Managerin gebraucht wurde.

    Immerhin: Heinen-Esser trat schneller zurück als die zeitweilige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne), die als Umweltministerin im benachbarten Rheinland-Pfalz ebenfalls urlaubte, statt auf dem Posten zu sein. Ob Wüst Rückenwind aus Schleswig-Holstein bekommt, wo sein Parteifreund Daniel Günther gerade erst einen wahren Triumph bei der Landtagswahl erzielt hat, ist fraglich. Ebenso kann im Moment niemand sagen, inwieweit Friedrich Merz, der Sauerländer, auf Wüst abstrahlen kann.

    Thomas Kutschaty ist Vorsitzender der NRW-SPD und der Landtagsfraktion.
    Thomas Kutschaty ist Vorsitzender der NRW-SPD und der Landtagsfraktion. Foto: Julia Meya/NRWSPD, dpa

    Für SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty sieht es nicht unbedingt besser aus. Der Rechtsanwalt, 1968 in Essen als Sohn eines Eisenbahners geboren, diente Hannelore Kraft als Justizminister, bundesweit ist er noch weniger bekannt als Wüst. Der Triumph seiner Genossin Anke Rehlinger im Saarland scheint durch die krachende Schlappe der SPD an der Küste schon vergessen. So setzt er im Wahlkampf-Endspurt ganz auf Olaf Scholz als Zugpferd, der ihn etwa bei Auftritten in Essen und Köln unterstützt. Ob das für Kutschaty reicht, in die großen Fußstapfen von Johannes Rau zu treten, der ab 1978 für 20 Jahre als Landesvater in Düsseldorf wirkte, ist die große Frage. Die Antwort geben am Sonntag die rund 13 Millionen Wahlberechtigten.

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