Herr Neumann, im Fall des womöglich geplanten Anschlags auf den Augsburger Christkindlesmarkt haben die Behörden früh reagiert und den Verdächtigen festgenommen. Ist das ein Beleg dafür, dass das Sicherheitssystem funktioniert?
PETER NEUMANN: Nach den Informationen, die ich bislang habe, war der Verdächtige ja ohnehin schon im Fokus, weil er IS-Propaganda konsumierte. Dazu kam offenbar die Warnung ausländischer Geheimdienste. Damit waren die Hinweise auf einen Anschlagsplan so konkret, dass die Polizei kein Risiko mehr eingehen wollte. Nachdem der Mann auch noch dabei beobachtet wurde, wie er den Weihnachtsmarkt ausgespäht hat, war es absolut richtig, ihn festzunehmen, auch wenn wir nicht wissen, wie weit er mit seinen möglichen Anschlagsplänen tatsächlich gewesen ist. Das ist immer die Herausforderung bei solchen potenziellen Einzeltätern: Sie bekommen ja keinen Befehl von einer Terrororganisation, sondern können jeden Moment spontan zuschlagen.
Deutschland ist in solchen Situationen oft auf Hinweise ausländischer Geheimdienste angewiesen. Woran liegt das?
NEUMANN: Die Befugnisse von Polizei und Sicherheitsbehörden in Deutschland sind noch immer auf die Überwachung klassischer Telefon-Kommunikation ausgerichtet und wurden nicht auf das digitale Zeitalter übertragen. Das ist ein echtes Problem. Denn Anrufe laufen ja längst nicht mehr zwingend über das Telefonnetz, hinzu kommt der Austausch über Kurznachrichten und Messenger-Dienste- und die Befugnisse der deutschen Ermittler, hier mitzulesen, sind eng begrenzt. Wir sind da im Prinzip taub und deshalb davon abhängig, dass ausländische Nachrichtendienste uns helfen, die weit weniger Beschränkungen haben.
Oft waren spätere Täter ja längst auf dem Radar der Polizei. Warum werden sie nicht - wie im Augsburger Fall - frühzeitig aus dem Verkehr gezogen?
NEUMANN: Auf dem Radar der Sicherheitsbehörden sind natürlich sehr, sehr viele Personen und nicht alle können 24 Stunden, Tag und Nacht, überwacht werden. Deswegen ist es immer auch eine Abwägung, ob der eine womöglich gefährlicher ist als der andere. Und da können dann natürlich auch Fehler passieren.
Die Zusammenarbeit mit anderen Staaten funktioniert in der Regel gut, aber birgt diese Abhängigkeit nicht auch eine Gefahr?
NEUMANN: Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass 90 Prozent dieser Hinweise aus den USA kommen. Die Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten funktioniert gut, aber das kann sich auch schnell ändern, wenn man nur an den bevorstehenden Machtwechsel im Weißen Haus denkt. Wenn Donald Trump eines Tages realisiert, wie sehr wir von den USA abhängig sind, was unsere Terrorabwehr angeht, wird er vermutlich einen Preis dafür verlangen. Ich gehe nicht davon aus, dass die amerikanischen Nachrichtendienste uns dann hängen lassen, aber Trump wird uns dafür bezahlen lassen. Das ist genauso eine Schieflage wie in der Verteidigungspolitik. Es ist gut möglich, dass die künftige US-Regierung Deutschland vor die Wahl stellt und sagt: Ihr profitiert von unseren hohen Investitionen in die globale Überwachung, dann müsst ihr euch auch finanziell daran beteiligen.
Der Verdächtige in Augsburg hat sich offenbar in einer Asylunterkunft selbst radikalisiert. Ein Fall, wie er immer häufiger vorkommt. Welche Schlüsse müssen wir daraus ziehen?
NEUMANN: Zunächst einmal: Nur ein sehr kleiner Bruchteil der Muslime ist offen für islamistisches Gedankengut, auch die große Mehrheit der Asylbewerber in solchen Unterkünften radikalisiert sich nicht. Trotzdem müssen wir sehr viel stärker auf Prävention und Frühwarnsysteme, aber auch auf Repressionen, also Strafmaßnahmen setzen. Zweitens, und womöglich noch wichtiger: Dass sich Menschen radikalisieren, hat auch damit zu tun, dass die Asylverfahren so unfassbar lange dauern und junge Männer jahrelang tatenlos in Unterkünften herumsitzen, oft in dem Wissen, dass sie wohl ohnehin nicht in Deutschland bleiben dürfen. Sie beschäftigen sich dann nur mit ihren Smartphones, und einige werden eben doch empfänglich für Propaganda und radikalisieren sich oder bekommen psychische Probleme. Es gibt dann quasi keine Chance, sie zu integrieren. Und natürlich müssen wir uns auch mit der Frage beschäftigen, ob es vielleicht einfach zu viele Menschen sind, die da untergebracht werden müssen, die ein Verfahren brauchen, die wir zu integrieren versuchen. Denn auch wegen der großen Zahl dauert das ja alles so lange.
Zur Person: Peter Neumann, 50, ist Terrorismusexperte. Der gebürtige Würzburger lehrt als Professor am King‘s College London.
Das Miteinander der Nachrichtendienste ist geprägt vom Geben und Nehmen. Aber Deutschland ist meist nicht in der Lage, entsprechende Informationen zu geben, da man sich selbst so ziemlich aller Mittel und Möglichkeiten beraubt. Unter angeblichen notwendigen Datenschutzerfordernissen bzw. sonstigen angeblich notwendigen demokratischen Erfordernisse wird es deutschen Diensten verwehrt, effektiv und angepasst an die heutige Zeit Informationen zu sammeln und auszuwerten. Wir werden es noch erleben, dass ausländische Dienst ihren Gegenwert einfordern bzw. wir gravierende Vorfälle in Deutschland nicht verhindern können, da wir schlicht und einfach die notwendigen Informationen nicht sammeln dürfen.
Damit deutsche Sicherheitsbehörden wieder die Sicherheit im eigenen Land gewähren können, ohne auf Informationen von ausländischen Nachrichtendiensten angewiesen zu sein, braucht es ein Grundrecht auf Sicherheit. Karlsruhe wäre dann endlich gezwungen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit dem Recht auf Sicherheit abzuwägen. Im Augenblick hat der Datenschutz automatisch vorrang. Im kommenden Zeitalter der KI gibt es ohnehin keinen Platz mehr für das heutige Datenschutzverständnis. Denn auch Täter werden die KI nutzen!
und warum sind wir Deutschen von anderen Diensten so abhängig ?? weil jeder Politicker der gerade das sagen hat einen der seinen zum Chef macht ! egal ob auf Bundesebene oder Landesebene !! wie sollen da die wirklichen Könner weiterkommen , ein falsches Wort und schon Abgelöst . hat doch erst die Innenministerin uns vor 2 Jahren klar gezeigt wie es geht , auch wie man es mit der Wahrheit nicht so genau geht
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