Herr Kubicki, wenn die FDP regieren könnte, schaltet sie zuverlässig in einen Jammermodus. Erst von Merkel an die Wand gespielt, dann vor Jamaika gekniffen und nun tun Sie so, als hätten Sie mit dieser Ampel nie etwas zu tun gehabt. Ist die FDP vielleicht besser in der Opposition aufgehoben?
Wolfgang Kubicki: Ich räume ein, dass wir in der schwarz-gelben Koalition selbstbewusster hätten auftreten können – aber damals war ja ich noch nicht dabei. Dass Jamaika nicht geklappt hat, lag vor allem daran, dass die Grünen all die Zusagen, die Angela Merkel uns gemacht hätte, blockiert haben. Also haben wir unsere Sachen gepackt und sind gegangen. Und die Ampel stand zumindest in den ersten Monaten tatsächlich für einen Aufbruch, bis uns der Ukraine-Krieg und das Haushaltsurteil die Geschäftsgrundlage entzogen haben.
Also alles richtig gemacht?
Kubicki: Wenn Sie derart desaströse Umfragewerte haben wie alle drei Ampel-Parteien und gleichzeitig eine destruktive Truppe wie die AfD bei mehr als 20 Prozent steht, haben Sie natürlich etwas falsch gemacht. Aber: Die Schuld daran, dass es soweit gekommen ist, trägt Markus Söder.
Das müssen Sie erklären.
Kubicki: Hätte Söder nicht bis zur letzten Sekunde gegen Armin Laschet gekämpft, hätte die Union die Wahl gewonnen und uns allen wäre die Ampel erspart geblieben. Aber dieser Mann ist nun mal der größte Populist, den ich je getroffen habe. Das meine ich gar nicht mal nur abwertend. Söder hat eine unglaubliche Witterung dafür, wenn die Stimmung sich dreht und richtet sich immer wieder neu danach aus.
Mit Susanne Seehofer sitzt die nächste Politiker-Generation neben Ihnen. Was raten Sie ihr?
Susanne Seehofer: Jetzt bin ich gespannt...
Kubicki: Ich rate ihr, dass sie auf keinen Fall jeden Rat eins zu eins umsetzen sollte. Nicht einmal, wenn er von mir kommt.
Frau Seehofer, wenn Sie sich den Scherbenhaufen FDP anschauen – wäre es nicht einfacher gewesen, für die CSU anzutreten? Ihr Vater hätte bestimmt ein gutes Wort für Sie eingelegt…
Seehofer: Mein Vater kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich immer schon gerne meine eigenen Entscheidungen getroffen habe. Abgesehen davon: Ich habe die CSU 30 Jahre lang hautnah miterlebt. Da bin ich dann sehr gerne zu einer liberalen Partei gegangen.
![Susanne Seehofer im Wahlkampf Susanne Seehofer im Wahlkampf](https://images.mgpd.de/img/100985035/crop/c1_1-w100/862949830/1709220357/img8409.jpg)
Was bedeutet liberal für Sie?
Seehofer: Liberale Politiker verhalten sich nicht so, als seien sie die Erziehungsberechtigten der Bürgerinnen und Bürger. Wenn junge Menschen ihren eigenen Weg gehen wollen, sich etwas erarbeiten, etwas aufbauen, dann sollte der Staat ihnen das nicht gleich mit immer höheren Steuern und Abgaben wieder wegnehmen. Politiker und Beamte können keinen Wirtschaftsaufschwung verordnen. Der gelingt nur, wenn die Menschen merken, dass sich Arbeit und Mehrarbeit wieder lohnen.
Herr Kubicki, Sie haben den Aufstieg der AfD angesprochen. Wie gehen Sie als Bundestagsvizepräsident mit der AfD-Fraktion um?
Kubicki: Ich finde es immer ein bisschen albern, wenn Abgeordnete, zum Beispiel von den Grünen, ihre Reden mit dem Satz „Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen“ beginnen – womit sie zeigen wollen, dass die AfD eben nicht dazu gehört, dass wir die Guten sind und die anderen die Bösen. Damit kriegt man Applaus in der eigenen Blase, aber wem bringt das was? Zu oft ersetzen Politiker echte Kommunikation durch Haltungsnoten. Ich finde, wir müssen mit der AfD knallhart in der Sache umgehen, anstatt nur zu sagen, dass das alles Faschisten sind, selbst wenn es bei einigen stimmt. Im Übrigen: Nichts tut solchen Leuten mehr weh als Ironie, die wirkt.
Mit Humor gegen Extremismus?
Kubicki: Warum nicht? Als die AfD-Spitze angekündigt hat, dass sie zur Trump-Vereidigung fliegt, hätte ich mich nicht empört, sondern einfach gefragt, was die dort wollen. Sich aus der „Versklavung durch die Amerikaner“ befreien, von der Alice Weidel sprach? Oder den „Eid der Vasallen“ schwören, weil Björn Höcke so begeistert ist von Trump? Auf die Antworten wäre ich gespannt gewesen.
![Wolfgang Kubick ist Bundestagsvizepräsident. Wolfgang Kubick ist Bundestagsvizepräsident.](https://images.mgpd.de/img/104968975/crop/c1_1-w100/1578816728/1877515586/berlinpolitik0973.jpg)
Die Parteien im Bundestag scheinen sich insgesamt immer feindseliger gegenüberzustehen?
Kubicki: Ja, es gibt – auf allen Seiten – heute mehr Leute, die mit Kolleginnen und Kollegen anderer Parteien gar nichts mehr zu tun haben wollen. Ich gehöre nicht dazu und bedauere das sehr, weil ich beispielsweise weder den sozialdemokratischen Kampfgenossen, noch den Grünen oder Schwarzen unterstelle, dass sie unentwegt etwas Böses wollen. Nehmen wir Karl Lauterbach. Wir beiden könnten unterschiedlicher nicht sein. Ich vergesse auch nicht, dass er in der Corona-Zeit die Öffentlichkeit und das Parlament belogen hat. Und trotzdem würde ich mit ihm ein Glas Wein trinken gehen, sogar wenn er dazu etwas Salzloses essen würde.
Mit den AfD-Leuten auch?
Kubicki: Denen gehe ich zumindest nicht aus dem Weg. Neulich hat mich Markus Lanz gefragt, ob ich in seine Sendung komme, auch wenn eine führende AfD-Vertreterin da ist. Ich habe geantwortet: „Na klar, die mache ich platt.“ Also rein rhetorisch natürlich. Wir dürfen keinen Millimeter demokratischen Boden preisgeben.
Seehofer: Wer Extremisten das Feld überlässt, braucht sich nicht zu wundern, wenn man im Leben mancher Menschen keine Rolle mehr spielt. Wir dürfen nicht zuschauen, wie die AfD Soziale Netzwerke dominiert und junge Menschen schon früh vereinnahmt. Dazu gehört auch endlich eine geordnete Migrationspolitik. Floskeln und Appelle reichen nicht.
Kubicki: Es würde schon helfen, wenn Politiker sich selbst nicht mehr so wichtig nähmen. In Wahrheit täuschen wir oft eine Problemlösungskompetenz vor, die wir gar nicht haben. Und das merken die Menschen. Ich wage die Prognose, Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün wäre eine Art „Ampel light“, mit ganz vielen Streitereien. Am Ende kämen wieder nur halbgare Lösungen heraus, die dem Land nicht weiterhelfen. Und dann steht die AfD in vier Jahren vielleicht wirklich bei 30 Prozent.
Friedrich Merz will im Bundestag alles auf eine Karte setzen. Er nimmt in Kauf, dass er seinen Migrations-Antrag mit AfD-Stimmen durchbringt. Gute Idee?
Kubicki: Wenn wir den Umfragen Glauben schenken, dann hat er die überwältigende Mehrheit der Bundesbürger, sogar der SPD-Wähler hinter sich. Natürlich ist es richtig, dass Friedrich Merz seine eigenen Überzeugungen nicht von den Launen von Rot-Grün abhängig macht. Das macht die FDP auch nicht. Am Ende entscheidet übrigens nicht die AfD oder Friedrich Merz, sondern der Deutsche Bundestag. SPD und Grüne haben in der Vergangenheit jede Gelegenheit genutzt, um eine vernünftige Migrationspolitik zu hintertreiben – immer mit dem „Argument“, wer sich anders verhält, befinde sich außerhalb des demokratischen Spektrums.
Ist die Brandmauer in Wahrheit nur noch eine Attrappe?
Kubicki: Die Brandmauer-Debatte ist mir egal, das ist ein Unions-Narrativ. Richtig bleibt, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird. Und eigene Anträge zur Abstimmung stellen, ist keine Zusammenarbeit. Wo kommen wir denn hin, wenn die AfD entscheidet, was wir zur Abstimmung stellen?
Werden Sie dem Antrag zustimmen?
Kubicki: Dem Fünf-Punkte-Plan werde ich zustimmen, natürlich. Sonst hätten wir ja auch die Ampel fortführen können.
Man spürt, dass Sie sich noch nicht im politischen Abklingbecken befinden. Was machen Sie eigentlich, wenn es am 23. Februar nicht mehr reicht für die FDP?
Kubicki: Erlauben Sie mir den Hinweis, dass es nicht soweit kommen wird. Falls doch, würde ich am nächsten Tag meinen Rausch ausschlafen – und weitermachen. Rentner bin ich ja ohnehin schon. Aber ich würde weiterhin publizieren, weiterhin große Reden halten - könnte dann aber, anders als heute, Geld dafür verlangen. Und ich würde ein paar Versprechen einlösen, die ich meiner Frau gegeben habe. Mit mir war es in den letzten Jahren ja ein bisschen so wie mit den Rolling Stones – bei jedem Wahlkampf habe ich behauptet, das sei der letzte.
Zu den Personen:
Susanne Seehofer (33) kandidiert bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau für die FDP. Ihr Vater Horst Seehofer prägte Bayern als CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident.
Wolfgang Kubicki (72) ist stellvertretender FDP-Chef, war lange Landesminister in Schleswig-Holstein und ist seit 2017 Vizepräsident des Bundestags.
Ein großaufgemachtes Interview für eine kleingewordene Partei. Neue Form der Wahlwerbung - anders wohl nicht zu verstehen. Die Trümmertruppe soll halt, koste es was es wolle, über die 5 % gehievt werden; für Schwarzgelb wird ews trotzdem nicht reichen.
Insgesamt sehr gutes Interview. Mit ihrem Ampelaustritt hat die FDP dafür gesorgt, dass Deutschland nicht noch ein weiteres Jahr mit einem Kanzlei Scholz, der anscheinend gar nicht regieren will, verschläft und wirtschaftlich ins Hintertreffen gerät. Die FDP hat uns durch den Ampelaustritt ein weiteres Jahr wirtschaftlichen Stillstands bzw. Rückgangs erspart. Dafür gebührt der FDP Respekt. Und Kubicki hat Recht: >>Und eigene Anträge zur Abstimmung stellen, ist keine Zusammenarbeit. Wo kommen wir denn hin, wenn die AfD entscheidet, was wir zur Abstimmung stellen? <<. Merz hat es ganz richtig gesagt: Das Richtige zur Abstimmung zui bringen wird nicht automatisch dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen.
Nicht die FDP ist aus der Ampel ausgetreten, Herr Koch, sondern sie wurde rausgeworfen. Und das aus gutem Grund.
Nur in einem liegt Kubicki falsch: >>Hätte Söder nicht bis zur letzten Sek gegen Armin Laschet gekämpft, hätte die Union die Wahl gewonnen und uns allen wäre die Ampel erspart geblieben. << Die Ampel-Regierung und somit 3 Jahre wirtschaftl. Stillstand, hat alleine die CDU zu verantworten. Der Kardinalfehler der Union im Vorfeld der letzten BT-Wahl war, auf den schwächsten und unbeliebtesten K-Kanditaten Laschet zu setzen. Hätte die CDU im Februar 2020 Merz oder sogar noch eher Röttgen als Parteivorsitzenden gesetzt, wäre uns die Ampel erspart geblieben. Die größte Chance für eine unionsgeführte Regierung ab 2021 wäre Söder gewesen, der in allen Umfragen vorne lag. Aber einen CSU-Kanzler wollten die CDU-Granden um Schäuble verhindern. Lieber setzte man man hat mit Laschet als K-Kanditat auf das schwächste Pferd im Stall, wie schon 1998 mit Kohl. Nun macht die SPS mit K-Kandidat Scholz anstatt Pistorius den gleichen Fehler. Hoffentlich reicht es 2025 für eine Regierung ohne Grüne!!!!!
Es war wohl auch nicht Söder der Herrn Laschet im Flutgebiet zum Lachen gezwungen hat...
Völlig richtig die Meinung der Herren Johann Koch und Peter Pfleiderer die den Richtigen beim Namen genannt haben und der hieß nämlich Wolfgang Schäuble und "nicht" Markus Söder! Denn der hätte anstatt des schwachen Armin Laschet, die Wahl "Haushoch" gewonnen! Und zu Frau Susanne Seehofer sei gesagt, bei diesem Vater Herrn Horst Seehofer, der der CSU so viel Schaden hinterlassen hat, kann ich es voll und ganz verstehen, dass Sie "nicht" in die CSU eingetreten ist. Dass Sie deshalb zu einer Partei gegangen ist wo ein Herr Wolfgang Kubicky, wahrscheinlich ein letztes Mal so richtig aufsprechen konnte, Ja! Das aber nach der Wahl wohl Geschichte sein dürfte und er dann seinen Rausch ruhig ausschlafen kann und das dann auch völlig zurecht, Ja!
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