Die Situation wirkt surreal: Östlich von Kreta sind inzwischen zahlreiche Kriegsschiffe und Kampfbomber unterwegs. Doch es handelt sich nicht um ein Manöver, sondern um einen Machtpoker unter Nato-Partnern. Es ist unübersehbar, dass sich der Streit um Gasvorkommen im Mittelmeer zwischen der Türkei und Griechenland weiter zuspitzt.
Die Isolation Ankaras schreitet voran: Frankreich verstärkte am Donnerstag seine Militärpräsenz im östlichen Mittelmeer, um Athen im Konflikt mit Ankara beizustehen. Außerdem bemüht sich Griechenland um Rückendeckung der USA. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will deshalb Bundeskanzlerin Angela Merkel als Vermittlerin gewinnen. Nach einem Telefonat Erdogans mit Merkel teilte das türkische Präsidialamt am Donnerstagnachmittag mit, Erdogan habe in dem Gespräch mit der Kanzlerin für eine Lösung der Probleme „auf der Basis des Völkerrechts, der Gerechtigkeit und des Dialogs“ geworben. Merkel hatte sich bereits Ende Juli als Vermittlerin zwischen der Türkei und Griechenland eingeschaltet und eine vorübergehende Beruhigung der Lage erreicht. Inzwischen eskalieren die Spannungen aber wieder. Auch mit EU-Ratspräsident Charles Michel wolle er telefonieren, sagte Erdogan am Donnerstag in einer Rede vor Funktionären seiner Regierungspartei AKP in Ankara.
Türkische Kriegsschiffe begleiten Forschungsschiff bei der Suche nach Gas
Inhaltlich wich Erdogan in seiner Rede nicht von seiner kompromisslosen Linie ab. Er warf den Griechen „Heimtücke“ vor und sagte, die Türkei werde auf ihren Hoheitsrechten bestehen. Während Griechenland auf der Grundlage der UN-Seerechtskonvention große Teile der Ägäis sowie Gebiete im Mittelmeer für sich beansprucht, pocht die Türkei dort auf eigene Einflusszonen, die sich mit den griechischen Forderungen überschneiden. Türkische Kriegsschiffe begleiten das Forschungsschiff „Oruc Reis“, das seit Montag in einem von Griechenland beanspruchten Sektor des Mittelmeeres nach Gas sucht. Griechenland hat seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt und ebenfalls Kriegsschiffe in die umstrittenen Seegebiete entsandt.
Griechenland und Zypern gehören zusammen mit Ägypten, Israel, Jordanien, der Palästinenser-Regierung und Italien zum sogenannten Gas-Forum Östliches Mittelmeer. Das Bündnis will gemeinsam – und ohne die Türkei – riesige Erdgasvorräte unter dem Meeresboden zu Geld machen. Ankara wirft seinen Nachbarn vor, die Türkei aus dem Mittelmeer verdrängen zu wollen. „Die Türkei hat die Stärke, die Entschlossenheit und auch die Mittel, die gegen sie gerichtete Achse der Feindseligkeit zu zerstören“, warnte das Außenministerium in Ankara.
Macron schickt militärische Hilfe für Griechenland zum östlichen Mittelmeer
Erdogan versicherte, dass die Türkei keinesfalls auf eine militärische Konfrontation aus sei: „Wir wollen keine Abenteuer.“ Verantwortlich für die Spannungen seien allein Griechenland und Zypern. Die griechischen Hoheitsansprüche bezeichnete Erdogan als „lächerlich und haltlos“. Obwohl sie immer wieder ihre Gesprächsbereitschaft beteuert, will Erdogans Regierung noch vor Ende des Monats Lizenzen für neue Gassondierungen in Gewässern um Rhodos und Kreta vergeben. Kompromisse kämen nicht infrage, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
Der amerikanische Türkei-Experte Nicholas Danforth von der Denkfabrik Wilson-Center in Washington sprach auf Twitter von einer „Kanonenbootpolitik“ Ankaras. Zusätzlich angeheizt wird der Konflikt durch den Krieg in Libyen. Die Türkei unterstützt die Regierung in Tripolis, während Frankreich, Ägypten und Griechenland auf der Seite des Rebellengenerals Khalifa Haftar stehen. In den vergangenen Wochen waren die Türkei und Frankreich bereits wegen türkischer Waffenlieferungen an Tripolis aneinandergeraten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron schickte die Fregatte „Lafayette“ sowie zwei Kampfflugzeuge zur Unterstützung Griechenlands ins östliche Mittelmeer. Die französischen Soldaten hielten vor Kreta mit griechischen Verbänden ein Manöver ab. Macrons Parteinahme für Griechenland zeigt, dass sich ein Bündnis gegen die Türkei formiert. Am Freitag kommen die EU-Außenminister auf Initiative Athens per Videoschalte zu einem Dringlichkeitstreffen zusammen. Griechenland, Zypern und Frankreich fordern europäische Sanktionen gegen die Türkei.
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