Im Jahr 2022 hat die politisch motivierte Kriminalität einen neuen Höchststand erreicht. Seit die Statistik vor gut 20 Jahren eingeführt wurde, sind noch nie so viele Delikte registriert worden: Fast 60.000 waren es, ein Anstieg von rund sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei rund 4000 Fällen handelt es sich um Gewalttaten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag in Berlin von der politisch motivierten Kriminalität als "Spiegelbild der gesellschaftlichen Konflikte in unserem Land". Mit dem Beginn "von Putins verbrecherischem Krieg gegen die Ukraine" seien dessen Auswirkungen auch in Deutschland zu spüren gewesen. "Besondere Sorge macht mir, dass Angriffe auf Geflüchtete stark zugenommen haben", so die SPD-Politikerin weiter. Vom Rechtsextremismus gehe "weiter eine besonders hohe Gefahr aus".
Viele Straftaten im Umfeld von Corona-Demos
Gerade zu Jahresbeginn sei 2022 noch stark von der Corona-Pandemie geprägt gewesen. Vielerorts regte sich Protest gegen die staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen, der nicht immer friedlich blieb. Teils wurden Polizisten oder Journalisten beleidigt oder tätlich angegangen, teils Hass und Verschwörungserzählungen verbreitet.
Bei mehr als 10.000 Delikten handelt es sich um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Besonders viele Taten, die im Zusammenhang mit Corona stehen, wurden den Angaben zufolge in Ostdeutschland registriert. Weil Fälle, die sich etwa im Umfeld der "Querdenker"-Szene abspielen, nicht wirklich ins herkömmliche Schema von rechter, linker, von religiösen oder ausländischen Ideologien motivierter Taten passen, fällt inzwischen der größte Teil der Taten in die Kategorie "nicht zuzuordnen". Fast 24.000 erfasste Delikte werden so registriert.
Auf dem unrühmlichen zweiten Platz folgen die von rechten Einstellungen befeuerten Taten, knapp 23.500 wurden gezählt. Linksextremistisch motivierte Fälle gab es rund 7000 Mal, im Jahr davor waren es noch mehr als 10.000. Eine Erklärung für den Rückgang dürfte sein, dass Großereignisse, die üblicherweise zu linken Protesten führen, etwa große Staats- oder Wirtschaftsgipfel, auch wegen der Pandemie kaum stattfanden.
Straftaten gegen Asylunterkünfte und Geflüchtete nehmen zu
Hass und Hetze dürften nicht verharmlost werden, warnte Faeser. Straftaten, die sich gegen Asylunterkünfte und Geflüchtete richteten, haben ihr zufolge stark zugenommen, was mit dem gesellschaftlichen Klima zu tun habe. Da sei es wichtig, dass der Verfassungsschutz rechtsextremistische Gruppierungen eindeutig benenne - etwa die Jugendorganisation der AfD.
Der Statistik zufolge ist die Zahl der Delikte, die von sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern verübt wurden, um knapp 40 Prozent auf 1865 Fälle gestiegen. Der Szene werden etwa 23.000 Menschen zugerechnet. Im vergangenen Jahr hätten noch etwa 400 "Reichsbürger" eine Waffenbesitzerlaubnis besessen. Faeser drängte in diesem Zusammenhang auf die Umsetzung der von ihr vorgeschlagenen Reform des Waffenrechts, gegen die es etwa bei der FDP noch Bedenken gibt.
Tiefe Spuren in der Statistik der politisch motivierten Gewalt hat der Ukraine-Krieg hinterlassen. Um fast 240 Prozent auf rund 3900 Fälle ist der Bereich der Straftaten im Zusammenhang mit ausländischen Ideologien gestiegen. Für die Zunahme sind zum Großteil Delikte verantwortlich, bei denen es um die Billigung von Straftaten, Sachbeschädigungen und Beleidigungen, aber auch Körperverletzungen geht.
Aktionen der Klima-Kleber: Anstieg bei Straftaten von Klima-Aktivisten
Deutlich mehr Delikte zählt das Bundeskriminalamt auch im Bereich Klimaschutz: Um rund 73 Prozent stieg ihre Zahl auf 1716. Bei den Straftaten, größtenteils im Zusammenhang mit "Klebe-Aktionen" auf Straßen, geht es etwa um Sachbeschädigung, Nötigung, Bedrohung, Hausfriedensbruch oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Faeser äußerte zwar Sympathie für das Anliegen des Klimaschutzes, doch für diese Art der Straftaten habe sie "nicht das geringste Verständnis".
Nach wie vor sei die Gefahr, die von islamistisch gesinnten Straftätern ausgehe, sehr hoch, warnte die Innenministerin. Deutschland befinde sich weiter im Fokus von islamistischen Terrororganisationen oder radikalisierter Einzelner. Sie kündigte an: "Wir setzen unsere harte Gangart gegen Islamisten fort."