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Kriegsrecht verhängt: Was ist in Südkorea los?

Kriegsrecht

Was ist eigentlich in Sükorea los?

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    Proteste vor dem Parlament in Seoul: Präsident Yoon musste sich dem demokratischen Kräften beugen.
    Proteste vor dem Parlament in Seoul: Präsident Yoon musste sich dem demokratischen Kräften beugen. Foto: Ryu Hyung-seok, Yonhap/AP

    Es waren Szenen, die kaum jemand in Südkorea für möglich gehalten hatte: Zuerst war da der Präsident, der am Dienstagabend völlig überraschend das Kriegsrecht ausrief, die parlamentarische Opposition der Kollaboration mit dem verfeindeten Nordkorea bezichtigte. Dann blockierte das Militär das Parlamentsgebäude. Kurze Zeit später aber stimmten Abgeordnete trotzdem einstimmig dafür, das Kriegsrecht wieder aufheben zu lassen. Und dann, inmitten großer Straßenproteste, gab der Präsident doch noch klein bei.

    Es wird dauern, bis die Ereignisse in Südkorea restlos aufgeklärt sind

    Noch einige Tage, vielleicht Wochen, dürften vergehen, bis das, was zwischen Dienstagabend und Mittwoch in dem ostasiatischen Land geschah, vollends verstanden sein wird. Südkorea – nach Jahrzehnten unter Militärregierungen seit 1987 eine Demokratie – schien kurzfristig in eine Diktatur abzugleiten. Doch Rechtspopulist Yoon Suk-yeol, der seit Frühjahr 2022 auf oft kompromisslose Weise regiert, fehlte offenbar der Rückhalt, den er für eine Durchsetzung des Kriegsrechts gebraucht hätte.

    Was war genau passiert? Angespannt ist die politische Lage in Südkorea schon länger. Jenseits der Staatsgrenzen ist da der Ein-Parteienstaat Nordkorea, der seit kurzem mit Russland einen potenten Sicherheitspartner hat und gegenüber Südkorea noch vollmundiger auftritt als früher schon. Diktator Kim Jong-un hat sein Militär aufgerufen, man solle für einen Krieg bereit sein. In Nordkoreas Verfassung wird Südkorea mittlerweile als „feindseliger Staat“ bezeichnet.

    Präsident Yoon Suk-yeol macht Kritiker mundtot

    Aber der eher arme, hochgerüstete Staat nördlich der Grenze ist längst nicht der einzige Quell von Nervosität in Südkorea. Ein anderer ist Yoon Suk-yeol selbst. Nachdem er 2022 hauchdünn die Wahl zum Präsidenten gewonnen hatte, ist er immer wieder wie ein Mann aufgetreten, der nicht verstanden hat, dass Politik in einer Demokratie auch aus Kompromissen besteht. Fragerunden mit Medien schaffte er ab, weil ihm die Fragen zu kritisch wurden. Politische Widersacher ließ der Ex-Generalstaatsanwalt verfolgen.

    Die Beliebtheitswerte für Yoon sind auch wegen dieses Stils schlecht: Am Tag vor der Ausrufung des Kriegsrechts zeigten Daten des Umfrageinstituts Realmeter, dass nur 25 Prozent der Menschen in Südkorea zufrieden mit der Arbeit des Präsidenten waren. Denn Yoon regiert nicht nur kompromisslos, sondern auch eher erfolglos: Auf den Politikfeldern Gesundheit, Wirtschaft und Nordkorea hat er mehr Probleme geschaffen als gelöst, sagen seine Kritiker.

    Tausende gingen auf die Straßen Südkoreas

    Man sah es dann auch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Binnen Stunden waren die Straßen in Seoul mit Tausenden Protestierenden gefüllt. Zu einem Großteil waren es jene Menschen, die über die letzten zweieinhalb Jahre immer wieder den Rücktritt Yoons gefordert hatten. Aber nun waren die Yoon-Gegner viel mehr. Selbst Han Dong-hoon, Chef der konservativen People’s Power Party, der Yoon selbst angehört, hatte sich gegen seinen Präsidenten gestellt.

    Der Mut – oder die Wut – vieler Menschen war ohnehin beeindruckend. Bilder zeigten, wie eine Protestierende in den Gewehrlauf eines Soldaten griff. Wobei die Vertreter des Militärs wiederum gewusst haben dürften: In Südkorea, das seit dem dreijährigen, letztlich nur durch einen Waffenstillstand in den 50er Jahren beigelegten Koreakrieg formal im Kriegszustand verharrt, hat praktisch jeder Mann Militärdienst absolviert. Kämpfen könnten sie alle. Und am Dienstag schienen sie bereit, ihre Demokratie zu verteidigen.

    Die Menschen in Südkorea haben dies immer wieder getan. 2017 wurde die konservative Präsidentin Park Geun-hye nach einer Korruptionsaffäre ihres Amtes enthoben. Begonnen hatte dies mit Straßenprotesten. Ein ähnliches Schicksal könnte nun Yoon Suk-yeol ereilen. Am Mittwoch haben mehrere Oppositionsparteien gemeinsam einen Antrag auf Amtsenthebung eingereicht.

    Yoon bleiben nun nur zwei Möglichkeiten

    Mehrere Beobachter gehen davon aus, dass Yoon nach der Blamage vom Mittwoch nur noch zwei Optionen bleiben: Amtsenthebung oder Rücktritt. Schließlich wird die Opposition, deren Stimmen Yoon bei vielen politischen Themen benötigt, kaum noch zur Zusammenarbeit mit dem Präsidenten bereit sein.

    Der Politologe Jean Yhee sagte: „Ob und wie lange der Präsident Yoon im Amt bleiben kann, ohne einen zweiten Putsch zu wagen, ist jetzt eine dringende Frage. Deutschland und die internationale Gesellschaft müssen sich für die Demokratie des Landes klar positionieren, um unnötige Opfer und Eskalation zu vermeiden.“

    Theoretisch würde Yoons Amtszeit bis 2027 laufen. Dass dieser Mann nun noch zur Tagesordnung zurückkehren kann, glaubt im Land aber kaum jemand. Zumal Yoon die Tagesordnung ja eigentlich selbst nicht mehr wollte.

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