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Krieg in Nahost: Wie geht es im Gazastreifen weiter?

Krieg in Nahost

Wie geht es im Gazastreifen weiter?

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    Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen auf.
    Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen auf. Foto: Ariel Schalit/AP, dpa

    In Israel regiert in diesen Tagen das Konkrete: Wie viele Ziele hat die Luftwaffe getroffen, wie viele Terroristen ausgelöscht? Nach dem verheerenden Terrorangriff der Hamas vor gut zwei Wochen bündelt das Land seine Kräfte für den Gegenschlag: Die Verantwortlichen der Attacke sollen sterben, ihre militärische Infrastruktur vernichtet und ihre politische Herrschaft über den Gazastreifen beendet werden. In Nachbarschaft zu einem Regime zu leben, das die Auslöschung Israels nicht nur in seine Statuten geschrieben hat, sondern durch Gräueltaten an Frauen und Kindern herbeizuführen sucht – dass das nicht mehr geht, darüber besteht seit dem 7. Oktober ein breiter Konsens.

    Keine Einigkeit gibt es jedoch im Hinblick auf die Frage: Was kommt danach? Wer soll, sofern Israel seine Kriegsziele erreicht, den Gazastreifen und seine über zwei Millionen Einwohner anstelle der Hamas regieren? Die Armee muss und kann darauf keine Antwort geben; dies fällt in den Zuständigkeitsbereich der Regierung. Doch auch die schweigt sich zu dem Thema aus. Manche vermuten gar, dass sie selbst noch keine Vision für die Zeit danach hat.

    Schon einmal hatte Israel den Gazastreifen besetzt

    So bleibt es den Akademikern und Ex-Generälen überlassen, öffentlich Überlegungen anzustellen. Israels Armee, die IDF, werde Gaza zumindest zeitweise wieder besetzen müssen, glauben viele, um ein gefährliches Machtvakuum zu vermeiden. Israel hatte den Gazastreifen nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 besetzt und dort auch einige Siedlungen gebaut, sämtliche Truppen und Zivilisten jedoch 2005 unter dem damaligen Ministerpräsident Ariel Sharon abgezogen. Es besteht jedoch weithin Einigkeit, dass eine solche Besatzung von möglichst kurzer Dauer sein sollte.

    Der Sicherheitsexperte Kobi Michael kann sich vorstellen, einer entwaffneten Hamas die zivile Kontrolle des Gazastreifens weiterhin zu überlassen. Entscheidend sei es, dass die Organisation in Zukunft keine Bedrohung mehr für Israel darstelle. „Ohne ihre militärischen Kapazitäten sind ihre politischen Möglichkeiten sehr begrenzt“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Welche Alternativen gibt es für den Gazastreifen?

    Die meisten Experten indes halten es für klüger, die Kontrolle über Gaza der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu übertragen. „Ich denke, das ist die bevorzugte Option der internationalen Gemeinschaft, und Israel wird dazu nicht Nein sagen“, sagte der pensionierte Generalmajor Giora Eiland am Samstag in einem Pressebriefing. „Aber es muss ein Arrangement geben, das garantiert, dass Israels essenzielle Sicherheitsinteressen geschützt werden.“

    Auch Ghaith Al-Omari, ein früherer Berater des palästinensischen Verhandlungsteams, sieht die PA langfristig als Nachfolgerin der Hamas in Gaza – jedoch nicht in ihrer gegenwärtigen Verfassung. Die PA unter Führung des 87-jährigen Präsidenten Mahmud Abbas gilt als hochgradig korrupt und geschwächt von grassierender Vetternwirtschaft. „Die PA wäre nicht in der Lage, direkt nach dem Ende des Krieges die Kontrolle über Gaza zu übernehmen“, schreibt Al-Omari in einer Analyse für das Washington-Institut, einer angesehenen US-Denkfabrik, an der er forscht. „Die Institutionen der PA müssen reformiert und neu aufgebaut werden, zuerst im Westjordanland und später in Gaza.“

    „Es ist unmöglich, Israel auf dem Schlachtfeld zu besiegen“

    Manche Analysten glauben, dass aus dem opferreichen Krieg, der Israel bevorstehen dürfte, sich sogar eine neue Chance für Frieden mit den Palästinensern eröffnen könnte. Der Ökonom Manuel Trajtenberg, geschäftsführender Direktor des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, zieht in einer Analyse für das Institut einen Vergleich zum Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren. Der Angriff Syriens und Ägyptens habe Israel damals zwar unvorbereitet getroffen, dennoch habe der Krieg gezeigt: „Es ist unmöglich, Israel auf dem Schlachtfeld zu besiegen. Die Alternative musste sein, die diplomatische Route zu wählen und Frieden zu schließen, wie Ägypten es getan hat, wie Jordanien es getan hat.“ Sollte Israel die Hamas nun vernichtend schlagen, schreibt er weiter, würden die verbliebenden militanten Palästinenser „hoffentlich die gleiche Schlussfolgerung ziehen“.

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