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Krieg in Nahost: UN-Helfer als Terroristen: Generalkommissar unter Druck

Krieg in Nahost

UN-Helfer als Terroristen: Generalkommissar unter Druck

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    Entsetzt über Terrorverdacht: UNRWA-Chef Philippe Lazzarini.
    Entsetzt über Terrorverdacht: UNRWA-Chef Philippe Lazzarini. Foto: Salvatore Di Nolfi, dpa

    Mitte Dezember 2023 gab sich Philippe Lazzarini empört: „Ich bin entsetzt über die Verleumdungskampagnen gegen die Palästinenser und diejenigen, die ihnen helfen.“ Anschuldigungen gegen das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten UNRWA seien zuweilen „vulgär“. Das UNRWA, immerhin der größte Anbieter sozialer Leistungen für Millionen Palästinenser, sei selbst „Ziel“ des Krieges in Nahost geworden. Lazzarini, er ist der Generalkommissar des UNRWA, verteidigte damals nahezu bedingungslos seine 30.000 Mitarbeiter – und sich selbst.

    Jetzt aber sieht sich der 59-jährige Lazzarini mit Vorwürfen gegen UNRWA-Personal konfrontiert, die alles Bisherige übertreffen: Israels Regierung will beweisen können, dass zwölf Untergebene Lazzarinis an den Hamas-Terrorüberfällen am 7. Oktober auf den jüdischen Staat teilnahmen. Es könnten sogar weitere Fälle hinzukommen.

    Bericht: UN-Mitarbeiter an Hamas-Massaker und Entführung beteiligt

    Laut einem Bericht der New York Times soll ein UNRWA-Mitarbeiter an einem Massaker in einem Kibbuz beteiligt gewesen sein, bei dem 97 Menschen starben, ein weiterer an der Geisel-Entführung einer Frau aus Israel. Ein anderer habe Munition ausgeteilt, berichtete die Zeitung unter Verweis auf ein entsprechendes israelisches Dossier, das der US-Regierung vorliege. Von den zwölf Beschuldigten seien zehn Mitglieder der islamistischen Terrororganisation Hamas.

    Die mögliche Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern an den Massakern löst international Schockwellen aus und stürzt Lazzarinis UNRWA in seine schwerste Krise. Ohnehin überfordert der Nahost-Krieg die Lazzarini-Helfer jeden Tag aufs Neue. 

    UNRWA-Chef nach Terrorvorwurf: Unsere humanitäre Aktion bricht zusammen

    Die wichtigsten Geldgeber, darunter die USA und Deutschland, wollen zunächst keine neuen Mittel an die 1949 gegründete Organisation überweisen. „Unsere humanitäre Aktion, auf die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen als Lebensader angewiesen sind, bricht zusammen“, warnt Lazzarini. „Ich bin schockiert, dass solche Entscheidungen auf der Grundlage des angeblichen Verhaltens einiger weniger Personen getroffen werden.“ Lazzarini kämpft nun um das Überleben des UNRWA in seiner heutigen Form. 

    Der seit 2020 amtierende Lazzarini und auch frühere UNRWA-Generalkommissare sind Druck gewohnt, das Parieren von schweren Vorwürfen gehört zum Jobprofil: So beschuldigt die Nichtregierungsorganisation Impact-se das Hilfswerk regelmäßig, dass Lehrer in UNRWA-Schulen Hass auf Israel predigen, dass Kinder dort judenfeindliche Texte studieren. Der Hamas-Angriff auf Israel sei bejubelt worden. Israels Regierung bezichtigt das UNRWA sogar der Kumpanei mit der Hamas. 

    UNRWA-Chef Lazzarini sollte nach Skandal aufräumen

    Lazzarini dirigiert seine Beschäftigten nicht nur im Gazastreifen, sondern auch im Westjordanland, Ost-Jerusalem, Jordanien, Libanon und Syrien. Bildungsvermittlung ist die größte UNRWA-Aufgabe, die Organisation betreibt zudem medizinische Einrichtungen, unterstützt Unternehmensgründer und regelt sogar die Müllabfuhr. Zielgruppe sind die knapp sechs Millionen palästinensischen Flüchtlinge in der Region.

    Der vierfache Familienvater Lazzarini begann seine Karriere als Wirtschaftswissenschaftler beim Schweizer Kanton Bern, er arbeitete für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und als Marketingchef des Finanzhauses Union Bancaire Privée. Im Jahr 2003 heuerte er bei den Vereinten Nationen an und kam vielfach im Nahen Osten zum Einsatz, ab 2015 in hoher Position im Libanon. In dieser Zeit beobachtete Lazzarini den Sturz des damaligen UNRWA-Chefs Pierre Krähenbühl, ebenfalls ein Schweizer. Infolge eines UNRWA-Skandals um Machtmissbrauch und Nepotismus trat Krähenbühl zurück – wies aber jede Schuld von sich. 

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