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Krieg in Nahost: Neue Verhandlungen nach Israels Vorstoß in Rafah

Krieg in Nahost

Neue Verhandlungen nach Israels Vorstoß in Rafah

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    Binnenvertriebene Palästinenser errichteten Zelte auf den Ruinen des Lagers Chan Junis, nachdem die israelische Armee sie aufgefordert hatte, die Stadt Rafah zu räumen.
    Binnenvertriebene Palästinenser errichteten Zelte auf den Ruinen des Lagers Chan Junis, nachdem die israelische Armee sie aufgefordert hatte, die Stadt Rafah zu räumen. Foto: Omar Naaman, dpa

    Nach dem Vorrücken der israelischen Armee in die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens richten sich die Augen erneut auf die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Die bestehenden Lücken zwischen den Standpunkten beider Seiten könnten geschlossen werden, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby.

    "Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Prozess zu unterstützen und dieses Ergebnis zu erreichen." Die Hamas hatte ihre Zustimmung zu einem Verhandlungsvorschlag erklärt, was Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu jedoch als vergeblichen Versuch bezeichnete, den - später tatsächlich erfolgten - Vorstoß in Rafah zu torpedieren. Das aktuelle Angebot der Islamisten sei weit von den Anforderungen seiner Regierung entfernt, sagte er.

    Auch die US-Regierung wies Darstellungen zurück, die Hamas habe kurz vor dem Vorrücken der israelischen Truppen einem Verhandlungsvorschlag über eine Feuerpause zugestimmt. "Die Hamas hat reagiert und in ihrer Antwort mehrere Gegenvorschläge gemacht", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, in Washington. "Das ist aber nicht dasselbe, wie einen Vorschlag zu akzeptieren." Vielmehr habe die Terrororganisation "mit Änderungswünschen geantwortet - man könnte es einen Gegenvorschlag nennen - und mit diesen Details befassen wir uns momentan".

    Israel zeigt Kompromissbereitschaft

    Er habe das israelische Verhandlungsteam in Kairo angewiesen, an Israels Bedingungen festzuhalten, teilte Netanjahu weiter mit. Sein Verteidigungsminister Joav Galant stellte derweil einen Zusammenhang zwischen dem Rafah-Einsatz von gestern und den Verhandlungen in Kairo über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln her.

    "Wir sind bereit, Kompromisse einzugehen, um Geiseln zurückzuholen", sagte Galant nach Angaben seines Büros. "Aber wenn diese Option wegfällt, werden wir weitermachen und den Einsatz vertiefen." Der Einsatz werde fortgesetzt, "bis wir die Hamas im Gebiet von Rafah und im gesamten Gazastreifen eliminiert haben oder bis die erste Geisel zurückkehrt".

    Israel: Tunnel in Rafah zerstört

    Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben bei ihrem Vorstoß in den Osten der Stadt Rafah Tunnel und andere militärische Einrichtungen zerstört. Bei Gefechten seien eine ungenannte Zahl von Gegnern getötet und im ganzen Gazastreifen mehr als 100 Ziele aus der Luft angegriffen worden. In "bestimmten Gebieten" im Osten Rafahs gebe es "präzise" Angriffe, teilte die Armee weiter mit.

    Geburtsklinik in Rafah stoppt Aufnahme von Patientinnen

    Die wichtigste Geburtsklinik in Rafah im Süden des Gazastreifens hat wegen der israelischen Angriffe und der Kämpfe in der Stadt die Aufnahme neuer Patientinnen gestoppt. Dies bestätigte die Verwaltung des Emirati-Krankenhauses der Deutschen Presse-Agentur telefonisch. Als Gründe wurden die fortwährenden Angriffe der israelischen Armee auf die islamistische Hamas in Rafah und die Treibstoffknappheit genannt. 

    Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist das Emirati-Krankenhaus eine der wichtigsten Einrichtungen seiner Art im Gazastreifen. Dort würden monatlich mehr als 100 Babys entbunden, berichtete WHO-Mitarbeiter Dr. Ahmed Dahir am Dienstag den Vereinten Nationen. Wenn die Klinik keine Patientinnen mehr aufnehmen könne, "dann können wir Schwangere zum Beispiel in Feldkrankenhäuser in der Al-Mawasi-Region und das Nasser-Krankenhaus überweisen", sagte er. Das Nasser-Krankenhaus liegt in Chan Junis weiter nordöstlich von Rafah. Die israelische Armee hatte sich vor einem Monat aus Chan Junis zurückgezogen.

    Militärischer Hamas-Arm beschießt Grenzübergang Kerem Schalom

    Zum dritten Mal binnen weniger Tage hat der militärische Arm der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom beschossen. Die Kassam-Brigaden teilten mit, sie hätten Raketen auf israelische Truppen in Kerem Schalom gefeuert. Nach Angaben der israelischen Armee gab es in dem Ort Raketenalarm. 

    Der wichtige Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen war am Mittwoch gerade erst nach mehrtägiger Schließung wieder geöffnet worden. Er war am Sonntag nach einem Raketenangriff der Terrororganisation Hamas, bei dem vier israelische Soldaten getötet worden waren, für humanitäre Transporte geschlossen worden. 

    Trotz eines weiteren Raketenangriffs aus dem Gazastreifen am Dienstag seien nun wieder Lastwagen aus Ägypten mit humanitärer Hilfe, darunter Lebensmittel, Wasser, Ausrüstung für Unterkünfte, Medikamente und von der internationalen Gemeinschaft gespendetes medizinisches Material am Übergang eingetroffen, hatte die Armee vor dem neuen Angriff mitgeteilt. Es war unklar, ob der Übergang nun erneut für humanitäre Hilfsleistungen gesperrt wird. Die israelische Nachrichtenseite Ynet berichtete, Kerem Schalom sei auf Druck der USA wieder geöffnet worden.

    USA: Israels Einsatz in Rafah begrenzt

    Auch nach Auffassung der US-Regierung handelte es sich dabei nicht um eine großangelegte Bodenoffensive, vor der Washington den Verbündeten immer wieder gewarnt hat. Das Weiße Haus sei der Ansicht, dass Israels Einsatz zur Einnahme des Grenzübergangs Rafah nicht die "rote Linie" von US-Präsident Joe Biden überschreite, sagten zwei US-Beamte dem Nachrichtenportal "Axios".

    Zugleich betonte der Kommunikationsdirektor des nationalen Sicherheitsrats der USA, Kirby, man beobachte das weitere Vorgehen. US-Medienberichten zufolge verzögern die USA aus Sorge über eine Großoffensive in Rafah den Verkauf weiterer Munition an Israel.

    Die Stadt im Süden Gazas gilt als letzte Bastion der Hamas in dem Küstengebiet, dort werden ihre Führungsspitze sowie Geiseln vermutet. Die Einnahme des Grenzübergangs Rafah versetze das israelische Militär nun in die Lage, im Falle eines vollständigen Scheiterns der indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln eine umfassendere Offensive einzuleiten, schrieb das "Wall Street Journal".

    Krankenhaus: Mindestens 36 Tote bei israelischen Angriffen in Rafah

    Bei israelischen Angriffen und Kämpfen in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens sind nach Krankenhausangaben binnen 24 Stunden mindestens 36 Palästinenser getötet worden. Darunter waren nach Angaben des Kuwait-Krankenhauses in Rafah auch Kinder, die bei einem Luftangriff auf ihr Wohnhaus getötet worden seien. Die israelische Armee teilte am Mittwoch mit, bei Gefechten im Osten Rafahs seien 30 Terroristen der islamistischen Hamas getötet worden. 

    Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde sprach von 55 Toten binnen 24 Stunden im gesamten Gazastreifen. Seit Kriegsbeginn seien damit 34.844 Menschen in dem Küstenstreifen getötet worden. Die Zahlen, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

    Philadelphi-Korridor

    Israels Führung ist seit Langem besorgt darüber, dass das Grenzgebiet zu Ägypten eine Route für den Schmuggel von Waffen in den Gazastreifen und ein entscheidendes Element der militärischen Versorgungskette der Hamas darstellt. Israel dringt auf strengere Kontrollen in einem Abschnitt, der entlang der Grenze zu Ägypten verläuft und als Philadelphi-Korridor bekannt ist.

    "Der Korridor ist viel wichtiger als die vier Hamas-Bataillone in Rafah", zitierte die US-Zeitung einen Militäranalysten des Instituts für nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv. Die USA haben jedoch wegen der großen Zahl an Flüchtlingen in Rafah wiederholt Bedenken hinsichtlich einer größeren Bodenoffensive geäußert, auch gegenüber der israelischen Regierung. Daran habe sich nichts geändert, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, Kirby.

    Auch Baerbock warnt vor Großoffensive in Rafah

    Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte Israel erneut vor einer Großoffensive in Rafah. "Eine Million Menschen können sich nicht in Luft auflösen. Sie brauchen Schutz", schrieb die Grünen-Politikerin auf dem Rückweg von ihrer Indopazifik-Reise nach Berlin auf X. "Sie brauchen dringend weiter humanitäre Hilfe." Dafür müssten die Grenzübergänge Rafah und Kerem Schalom unverzüglich wieder geöffnet werden.

    Der militärische Arm der Hamas hatte gestern erneut den Grenzübergang Kerem Schalom mit Raketen und Mörsergranaten angegriffen. Erst am Sonntag hatten die Kassam-Brigaden bei einem Raketenangriff auf Kerem Schalom vier israelische Soldaten getötet. Der wichtigste Grenzübergang für die Lieferungen von Hilfsgütern aus Israel in den Gazastreifen wurde daraufhin ebenfalls vorerst geschlossen.

    Der US-Regierung wurde nach Angaben des Weißen Hauses mitgeteilt, dass Kerem Schalom heute wieder geöffnet werden soll. Auch der Grenzübergang Rafah sollte schnell wieder für humanitäre Hilfslieferungen geöffnet werden, hieß es. Nach Ende des Militäreinsatzes in Rafah soll einem israelischen Medienbericht zufolge ein privates amerikanisches Sicherheitsunternehmen die Verwaltung des Grenzübergangs in der Stadt im Süden Gazas übernehmen.

    Darauf hätten sich Israel, die USA und Ägypten geeinigt, meldete die Zeitung "Haaretz". Um welches Unternehmen es sich dabei handeln soll, blieb zunächst unklar. Die israelische Regierung wollte sich auf Anfrage nicht zu dem israelischen Zeitungsbericht äußern. Kirby sagte dazu in Washington, er wisse nichts davon.

    (dpa)

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