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Krieg in Nahost: Eskaliert nun auch der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon?

Krieg in Nahost

Eskaliert nun auch der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon?

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    Ein Blick auf den Brand, der durch Raketen- und Drohnenangriffe aus dem Libanon auf Israel verursacht wurde.
    Ein Blick auf den Brand, der durch Raketen- und Drohnenangriffe aus dem Libanon auf Israel verursacht wurde. Foto: Ilia Yefimovich, dpa

    Ruhig ist es im Norden Israels, an der Grenze zum Libanon, schon lange nicht mehr. Seit Monaten fliegen Raketen der Hisbollah aus dem Nachbarland auf israelisches Gebiet, die Armee antwortet mit gezielten, aber begrenzten Gegenschlägen. Immer wieder steigen Rauchsäulen auf. Weite Regionen auf beiden Seiten der Grenzen sind entvölkert, wer einst hier lebte, musste sich als Binnenflüchtling in Sicherheit bringen. Und nun könnte sich der Konflikt zwischen Israel und der im

    Hassan Nasrallah ist Chef der islamistischen Hisbollah-Miliz.
    Hassan Nasrallah ist Chef der islamistischen Hisbollah-Miliz. Foto: Hassan Ammar, dpa

    „Wenn sie (die Israelis) dem Libanon einen Krieg aufzwingen, wird der Widerstand ohne Einschränkungen, Regeln und Grenzen zurückschlagen“, warnte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei einer öffentlichen Ansprache am Mittwochabend. „Israel muss an Land, im Wasser und in der Luft mit uns rechnen.“ Israels Außenminister Israel Katz drohte: „Wir stehen kurz vor der Entscheidung, die Regeln gegen die Hisbollah und den Libanon zu ändern. In einem totalen Krieg wird die Hisbollah vernichtet und der Libanon schwer getroffen werden.“ Das Militär hat inzwischen „operative Pläne für eine Offensive im Libanon“ genehmigt. 

    Letzter Krieg zwischen Israel und dem Libanon war im Jahr 2006

    „Die Lage ist sehr instabil“, sagt Stephan Stetter, Nahost-Experte der Universität der Bundeswehr in München. „Es eskaliert sowohl auf der rhetorischen als auch auf der militärischen Ebene.“ Auch deshalb würden die diplomatischen Bemühungen unter anderem der USA auf Hochtouren laufen. Die Fortschritte sind überschaubar. Bislang ist es wohl vor allem die Furcht vor den verheerenden Folgen eines Krieges, die beide Seiten davor zurückschrecken lässt, den nächsten Schritt zu gehen. Der Schaden, so die Kalkulation selbst der Konfliktparteien, wäre weitaus größer als der Nutzen. 

    Der letzte große Krieg zwischen Israel und dem Libanon liegt 18 Jahre zurück. Die Kämpfe im Jahr 2006 dauerten sechs Wochen, mehr als 1500 Menschen starben, die Mehrzahl der Opfer waren libanesische Zivilisten. Das Land steht wirtschaftlich und politisch vor dem Abgrund. Es gibt weder ein Staatsoberhaupt noch eine voll handlungsfähige Regierung. Die international als Terrororganisation eingestufte Hisbollah präsentiert sich als Alternative, sie agiert als eine Art Staat-im-Staat und hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Kampferfahrung in Syrien sammeln können. Sie sieht sich als Unterstützer der Islamisten im Gazastreifen. Zudem gilt die Hisbollah als wichtigster nichtstaatlicher Verbündeter des Irans und zählt zur selbst ernannten „Widerstandsachse“, einer Front von Milizen mit dem Ziel,

    Welche Ziele verfolgt Israel?

    Israel will durch militärischen und rhetorischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es eine UN-Resolution aus dem Jahr 2006 auch vorsieht. Doch Premierminister Benjamin Netanjahu tut sich schwer. Die proiranische Schiitenmiliz gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas im Gazastreifen. Sie verfügt über ein Arsenal von rund 150.000 Raketen. Im Kriegsfall könnte sie täglich Tausende von Raketen auf israelische Städte feuern und wichtige Infrastruktur ausschalten. „In einem schonungslos geführten Krieg wird es mehr Zerstörung an der Heimatfront und tiefer in Israel geben“, sagte der israelische Brigadegeneral Schlomo Bron der New York Times. Ein Raketenhagel könnte zudem Israels Raketenabwehr überfordern. 

    „Hinzu kommt, dass die israelische Armee durch den Krieg im Gazastreifen erschöpft ist“, sagt Stetter. „Eine weitere große Front kann das Land nicht brauchen.“ Israel habe mit dem Gazastreifen zudem bereits ein unregulierbares Gebiet in der Nachbarschaft, sollte nun auch noch der Libanon vollständig zerfallen, wäre das kaum im eigenen Interesse. Auch deshalb glaubt er, dass die beiden Akteure die rote Linie, die ein offener Krieg markieren würde, nicht überschreiten werden. Denn auch die Hisbollah wisse, so der Experte, dass es besser für sie sei, den Konflikt zwar weiter köcheln, den Topf aber nicht überlaufen zu lassen. „Deshalb würde ich bei aller Eskalationsgefahr davon ausgehen, dass es eher nicht zu einem Krieg kommt – zu 100 Prozent ausschließen kann man es aber nicht“, sagt Stetter.

    Die israelische Regierung ist geschwächt

    Dass es gerade jetzt kriselt, ist gleichwohl alles andere als Zufall oder das Ergebnis unbedachter Äußerungen. „Die Hisbollah sieht, dass die israelische Regierung innenpolitisch geschwächt ist“, sagt Stetter. „Die Einigkeit, die es nach dem 7. Oktober gegeben hat, verschwindet langsam.“ Im Land selbst gibt es Proteste gegen Netanjahu, die noch immer in der Hand der Hamas befindlichen Geiseln lasten schwer auf der Gesellschaft, viele internationale Verbündete sind auf Distanz gegangen, der totale Sieg gegen die Hamas wird immer unwahrscheinlicher. Die Strategie der Hisbollah könnte daher sein, Israel selbst weiter zu destabilisieren, ohne dabei selbst ein allzu großes Risiko einzugehen. Umgekehrt wird auch in Israel die Diskussion vor allem von der extremen Rechten angeheizt, also jenem politischen Lager, das auch im Kampf im Gazastreifen stets Maximalpositionen vertritt. „Dass nun über den Libanon gesprochen wird, lenkt von den Fehleinschätzungen im Gazastreifen ab“, sagt Stetter. 

    Und die werden auch in Israel immer offensichtlicher. „Die Hamas ist eine Idee, sie ist eine Partei. Sie ist in den Herzen der Menschen verwurzelt. Wer glaubt, wir könnten die Hamas ausschalten, irrt sich“, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwochabend dem israelischen Sender Channel 13. Es müsse eine Alternative für die Hamas auf politischer Ebene gefunden werden, um sie im Gazastreifen zu ersetzen, forderte Hagari. Ansonsten werde die islamistische Terrororganisation weiterbestehen, mahnte er. Über die Zerstörung der Hamas zu reden führe die Öffentlichkeit in die Irre.

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