Ein „Haus des Heilens“ sollte es sein, verspricht der vollständige Name der Klinik, „Dar Al-Shifa“. Nun aber ist das Krankenhaus einer der bekanntesten und zugleich tragischsten Orte des Gazakrieges geworden. Zum Symbol des israelischen Dilemmas, umkämpft militärisch ebenso wie propagandistisch. Dort, in der größten Klinik des Gazastreifens, soll die Hamas ein Kommandozentrum eingerichtet, Waffen gelagert und womöglich sogar Geiseln versteckt haben. Zugleich jedoch zeigen die Bilder und Berichte aus dem Krankenhaus das ganze Elend, welches der Krieg über Gaza und seine Menschen gebracht hat. Damit steigt der internationale Druck auf Israel – worauf die Terroristen zweifellos spekulieren.
Dabei hätte das Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, ein weißer Bau mit strengen Linien und grauer Fensterfront, ein Ort der Hoffnung sein können. In den 80er-Jahren, als Israel den Gazastreifen noch besetzt hielt, ließ die damalige israelische Regierung die Klinik renovieren und vergrößern. Heute ist das Al-Schifa ein Ort des Elends: Schwer erträgliche Videoaufnahmen zeigen mindestens ein Dutzend frühgeborene Babys, die nebeneinander auf einem Krankenbett für Erwachsene liegen. Weil es an Treibstoff für die Generatoren des Krankenhauses fehle, heißt es, hätten Ärzte die Frühchen aus den Brutkästen nehmen müssen. Mehrere Babys sollen dem örtlichen Gesundheitsministerium zufolge bereits gestorben sein. Dieses Gesundheitsministerium untersteht der Hamas, die zur Genüge bewiesen hat, vor keiner ihr dienlichen Lüge zurückzuschrecken. Unter diesem Aspekt muss jede Information betrachtet werden, die von offiziellen Stellen aus dem Gazastreifen kommt.
Operationen werden in den Kliniken in Gaza ohne Betäubung durchgeführt
Zugleich ist es plausibel, dass die Lage im Al-Shifa-Krankenhaus ebenso wie in anderen Kliniken dramatisch ist. „Derzeit führen wir im Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza bei allen Verletzungen bis zum mittelschweren Grad chirurgische Eingriffe ohne Betäubung durch“, schrieb Fadel Naim, Leiter der orthopädischen Chirurgie am Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt, am Dienstag auf der Plattform X.
Israels Armee wiederum hat Fotos veröffentlicht, die zeigen sollen, dass es im Gazastreifen sehr wohl den dringend benötigten Treibstoff gibt – in den Depots der Hamas. In einem der veröffentlichten Videos von Verhören mit gefassten Terroristen des 7. Oktobers bestätigen mehrere der Männer, dass die Hamas das Al-Shifa und andere Kliniken bewusst für militärische Zwecke missbrauche. Im Keller eines anderen Krankenhauses, der Rantisi-Klinik in Gaza-Stadt, stieß die IDF in den vergangenen Tagen auf zahlreiche Waffen, darunter Maschinenpistolen, Sprengsätze und Panzerabwehrraketen.
USA fordern Schutz für Krankenhäuser
Für Israel bedeutet das ein schwieriges Dilemma. Sollte die IDF versuchen, die Einrichtungen der Hamas in Krankenhäusern anzugreifen, ist ein internationaler Aufschrei zu erwarten – und, für Israel weit wichtiger, mehr Druck aus den USA. „Krankenhäuser müssen geschützt werden“, sagte am Montag bereits US-Präsident Joe Biden.
Israels Regierung hat ein klares Kriegsziel ausgegeben: die militärische und politische Entmachtung der Hamas in Gaza. Das vorherrschende Gefühl im Land ist, dass Israel um seine Zukunft kämpft. Wenn Israel es für unabdinglich hält, wird es den Kampf deshalb vermutlich auch in die Keller der Al-Shifa-Klinik tragen.
Zugleich hat die Armee eine erste Antwort auf die humanitäre Krise dort gefunden. Die IDF koordiniere derzeit eine Lieferung von Inkubatoren für das Al-Shifa-Krankenhaus, meldete IDF-Sprecher Daniel Hagari. Denn: „Wir führen Krieg gegen die Hamas, nicht gegen die Menschen Gazas.“