Vor dem Hintergrund der angespannten Lage auf dem Lebensmittelmarkt macht Russlands Präsident Wladimir Putin den Getreideexport zum Druckmittel, um Zugeständnisse vom Westen zu erhalten. Russland und die Ukraine produzieren zusammen ein Viertel des gesamten Weizens auf dem Weltmarkt. Das Getreide, das in der Ukraine geerntet wurde, kann allerdings gerade nicht verschifft werden, weil Russland die Ausfuhr blockiert. Dabei müssten nach ukrainischen Angaben bis zu 22 Millionen Tonnen in den nächsten Wochen exportiert werden, um Platz für die neue Ernte zu machen. Gerade in ärmeren Ländern wird aufgrund des Exportstopps eine Lebensmittelknappheit befürchtet, in Europa steigen die Preise für Lebensmittel.
In einem Telefonat am Wochenende forderten der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Putin auf, die Schiffe passieren zu lassen. Der russische Staatschef betonte daraufhin, er sei bereit, verschiedene Möglichkeiten des ungehinderten Getreideexports zu erörtern, sollten „antirussische Sanktionen“ abgebaut werden.
Emmanuel Macron und Olaf Scholz haben mit Putin telefoniert
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnete Russlands Forderung bereits auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos als „Erpressung“. Statt darauf einzugehen, sollten die westlichen Staaten mehr schwere Waffen in die Ukraine schicken – damit die Armee die Häfen befreien könne.
Deutschland hat bisher die Lieferung von zwei Arten schwerer Waffen zugesagt: So sollen der Flugabwehrpanzer Gepard und Panzerhaubitzen in das Land gebracht werden. Die Ukraine fordert allerdings immer wieder, auch Kampf- und Schützenpanzer zu liefern. Nach Informationen der SPD gibt es jedoch innerhalb der Nato eine informelle Absprache, keine schweren Kampfpanzer zu liefern, um eine Provokation Moskaus zu verhindern. In seinem Telefonat mit Scholz und Macron hatte Putin die westlichen Länder erneut davor gewarnt, schwere Waffen in die Ukraine zu schicken.
Macron und Scholz fordern sofortigen Waffenstillstand
Der Außenexperte der Union Norbert Röttgen kritisiert die zögerliche Haltung der Regierung bei diesem Thema. Putin sei zwar von vielen Entscheidungen Deutschlands zuletzt überrascht worden. Aber auch er könne sehen, welche Unklarheiten es aktuell noch gibt. „Dass es der Bundesregierung so schwerfällt, der Ukraine auch schwere Waffen zuzusagen und es dann wiederum so schwerfällt, diese auch zu liefern, daran wird er die Hoffnungen knüpfen, dass er weitermachen kann wie bisher“, sagte Röttgen im Interview mit unserer Redaktion. Er forderte, dass die Regierung klarer in ihrem Handeln werden müsse. „Die Bundesregierung hat noch nicht einmal eindeutig gesagt, was sie eigentlich erreichen will.“ Röttgen selbst ist der Meinung, dass das Ziel sein müsse, „dass die russischen Truppen sich wieder dorthin zurückziehen, wo sie vor dem 24. Februar waren“.
Scholz und Macron haben Putin in ihrem Telefonat aufgefordert, einen sofortigen Waffenstillstand und den Rückzug der russischen Truppen einzuleiten. Aber unter welchen Bedingungen könnte es nach einem möglichen Ende des Krieges überhaupt eine Wiederannäherung zwischen dem Westen und Russland geben? Außenpolitiker Röttgen ist der Meinung, dass Russland sich wieder dazu bekennen müsse, dass jedes Land das Recht hat, seinen inneren und äußeren Kurs selbst zu bestimmen. „Der Anspruch auf Einflusssphären, welche die Souveränität von Ländern einschränken, ist unvereinbar mit Frieden und Sicherheit in Europa.“