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Krieg in der Ukraine: Wie Putin seinen Krieg in der Ukraine erklärt

Krieg in der Ukraine

Wie Putin seinen Krieg in der Ukraine erklärt

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    Wladimir Putin wendet sich in eine TV-Ansprache an die russische Nation.
    Wladimir Putin wendet sich in eine TV-Ansprache an die russische Nation. Foto: Russian Presidential Press Service, dpa

    Es war um kurz vor fünf Uhr am Moskauer Morgen, als Russlands Präsident Wladimir Putin an seinem Holztisch Platz nahm, um wieder einmal seine Klagen gegenüber dem Westen zu äußern. Zu erklären, wie es um die Ukraine stehe, um das Verhältnis der USA und der Nato gegenüber Russland. Es war, wie er selbst sagte, die Fortsetzung seiner Rede von diesem Montag. Und seines regelrechten Wutausbruchs vor der Unterzeichnung seines Dekrets, die selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk in der Ostukraine anzuerkennen. Seiner Kriegserklärung an die Ukraine. Das sagte er freilich nicht.

    In seinen Augen, das hatte er bereits mehrfach vorgelegt, existiert ein Land wie die Ukraine ohnehin nicht. Dass seine Aussagen vollkommen hanebüchen sind, interessiert den Kremlherrscher nicht. Auch an diesem Morgen wird es noch einmal deutlich. Fahrig wirkt der Präsident dabei; hasserfüllt wiederholt er zuweilen die gleichen Sätze. Seit mehr als 30 Jahren, so sagt es Putin, versuche Russland mit dem Westen über die Grundsätze der Sicherheit in Europa übereinzukommen – und bezichtigt seine Gesprächspartner in den USA und bei der Nato des zynischen Betrugs und der Lüge. Russland sei immer wieder erpresst worden. „Die Kriegsmaschinerie ist in Bewegung, und sie nähert sich unseren Grenzen.“ Unverschämt sei das. Die „Aneignung der Ukraine durch die Nato“ sei inakzeptabel. „Die russische Politik basiert auf Freiheit, und dieses Recht sollte jeder genießen können, auch die Einwohner der Ukraine“, sagt er und meint, Russland werde durch seine „Militäroperation“ die Ukraine zu einem „würdigen Land“ machen.

    Putin argumentiert mit falschen Tatsachen

    Es ist der gekonnte russische Dreh, Tatsachen so zu verdrehen, dass die Schuld an allen Problemen im eigenen Land andere tragen; dass Zweifel gesät werden in der Bevölkerung. Viele Russen sind mit starkem Antiamerikanismus aufgewachsen. Dennoch sind die USA, so paradox das scheint, für viele von ihnen weiterhin ein Traumland. Nach 20 Minuten sagt Putin den Satz, der schließlich Europas schwarzen Tag einläutet: „So habe ich entschieden, eine besondere Militäroperation durchzuführen.“

    Menschen suchen Schutz in einem Keller eines Gebäudes, während die Sirenen neue Angriffe ankündigen. Russland hat am Donnerstag einen umfassenden Angriff auf die Ukraine gestartet und Städte und Stützpunkte mit Luftangriffen oder Granaten beschossen.
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    Am Donnerstag hat Russland die Ukraine angegriffen. Menschen sind auf der Flucht und verlassen die Städte. Unsere Bilder zeigen Szenen des Kriegs.

    Die Ansprache hat der Kremlchef im selben Raum aufnehmen lassen wie bereits seine Montagsrede. Dieselben Telefone, dieselbe Fahne. Journalisten der kremlkritischen russischen Zeitung Nowaja Gaseta sind dem Video nachgegangen und wiesen anhand der Metadaten nach, dass Putins Marschbefehl ebenfalls am Montag aufgenommen worden sein muss. Putins Kriegserklärung ist eine Ansammlung von Sätzen und Wörtern, ohne diesen Krieg zu erklären. Ohne klar zu machen, auf welcher Grundlage er ihn führt. Außer auf seiner als offenbar traumatisch empfundenen Kränkung, dass die Sowjetunion als Verlierer der Geschichte dasteht. Das Land, das er stets als den großen Sieger wahrnimmt. Die Scheidung mit der Ukraine, die ihren eigenen Weg gehen will, hat der bald 70-Jährige nicht verkraftet. Deshalb zieht er immer wieder falsche Konstrukte als Beleg seines historischen Diskurses, die Ukraine sei ein Teil Russlands. Ein Geschenk praktisch. Eines, mit dem die ukrainische Führung, die er für ein „Marionettenregime“ der USA hält, nichts anzufangen gewusst habe.

    Er will die Verantwortlichen in der Ukraine vor Gericht stellen

    Er spricht von „Nationalisten und Neonazis“ und verblüffend wenig vom „Genozid“, auf den er die Tage vorher hingewiesen hatte, um das Vorgehen Russlands im Donbass zu erklären. Es geht dem Kremlherrscher um mehr: um „die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung“ der Ukraine. Alle, die „blutige Verbrechen gegen die friedliche Bevölkerung“ in der Ukraine begangen hätten, will er vor Gericht stellen.

    Ohne eine vollständige Kapitulation der Ukraine ließen sich solche Ziele kaum erreichen. Damit wird letztlich auch sein möglicher Plan deutlich: Es geht Putin nicht nur um die „Volksrepubliken“, nicht nur um den Donbass. Er meint die gesamte Ukraine. „Ich hoffe, dass ich gehört werde.“ Die schwache Begründung für den Irrsinn des Kremls: „die wahre Stärke Russlands: Gerechtigkeit und Wahrheit“. Kurz danach fallen seine Soldaten über ein anderes Land her.

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