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Krieg in der Ukraine: Ukrainischer Gouverneur Sergij Osachuk: "Auf ein Ziel gehen vier, fünf Raketen"

Krieg in der Ukraine

Ukrainischer Gouverneur Sergij Osachuk: "Auf ein Ziel gehen vier, fünf Raketen"

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    Sergij Osachuk ist Gouverneur des Oblast Czernowitz in der Ukraine.
    Sergij Osachuk ist Gouverneur des Oblast Czernowitz in der Ukraine. Foto: Sergij Osachuk

    Wie ist die aktuelle Lage in Czernowitz? Die Region ist bisher von Luftangriffen verschont geblieben.
    SERGIJ OSACHUK: Das stimmt. Trotzdem haben wir regelmäßig Luft-Alarm. Das heißt, die Bedrohung ist da, allerdings nicht so akut wie in den Nachbarregionen. Bei unseren unmittelbaren Nachbarn nördlich von Czernowitz gibt es fast täglich Angriffe. Auf ein Ziel gehen vier, fünf Raketen.

    Was sind das für Ziele, die in der Nachbarregion beschossen werden?
    OSACHUK: Das sind entweder militärische Objekte oder Infrastruktur, sprich Eisenbahnstationen, die Energieversorgung, Generatoren, Strom-Lieferanten oder auch Verkehrsinfrastruktur. Allerdings ein Nebeneffekt, wenn ich das so brutal ausdrücken darf, ist auch das Schulen, Kindergärten und Sportanlagen getroffen werden. Ob das jetzt zufällig oder gezielt ist, kann ich nicht beantworten. Aber ein Effekt der Einschüchterung der Bevölkerung ist anwesend.

    Sind denn viele Flüchtlinge bei Ihnen im Oblast?
    OSACHUK: Es waren über 100.000 Personen. Allerdings sind in den letzten Wochen circa 20.000 Menschen zurückgegangen, denn große Teile der nördlichen Regionen oder die Gebiete um Kiew sind längst befreit. Bei uns bleiben nur Menschen, die aus den umkämpften Gebieten der Ukraine gekommen sind.

    Wie wurden die Flüchtlingen untergebracht?
    OSACHUK: In den ersten Tagen und Wochen haben wir alles geöffnet, wo wir unsere Mitbürger unterbringen konnten. Jeder, der Verwandte und Freunde unter den Flüchtlingen hatte, hat diese bei sich aufgenommen. Dann wurden Hotels, Studentenheime, Schülerheime geöffnet; alles, wo es fertige Betten gab, aber diese waren auch schnell aus. Deswegen wurden dann Sporthallen, Konzertsäle und Schulen umfunktioniert. Solche Bildungseinrichtungen und Kindergärten haben uns einen großen Dienst geleistet. Die einzelnen Gemeinden haben die Verpflegung dieser Menschen übernommen.

    Wie sieht jetzt das Leben von den Menschen im Oblast Czernowitz aus?
    OSACHUK: Sehr unterschiedlich. Menschen, die ein Trauma haben und Kriegserfahrung mit sich bringen, können auch nach vielen Wochen nicht zu sich kommen. Psychologen arbeiten mit ihnen und Sicherheitsbeamte nehmen alles auf, denn diese Erfahrungen waren schreckliche. Die Menschen, welche arbeiten können, suchen eine Anknüpfung an die bestehenden Betriebe. Über 100 Industriebetriebe sind aus den umkämpften Gebieten zu uns umgesiedelt worden. Der Staat hat diese Verlegung sozusagen bezahlt. Somit haben wir seit zwei, drei Monaten einen großen Anstieg an Arbeitsplätzen. Wir suchen nach Menschen, die arbeiten wollen. Qualifizierte Arbeiter sind sehr gefragt.

    Haben Sie da Sorge, dass die Region durch die Verlegung der Betriebe zum Ziel von Angriffen wird?
    OSACHUK: Einerseits muss ich sagen, dass wir sehr stolz drauf sind und uns sehr freuen, dass die Industriebetriebe bei uns arbeiten. Auch unsere Medien berichten darüber, allerdings offenbaren wir nie die Adressen und die Betriebe sind gut getarnt. Wir haben inzwischen gelernt, wie man in den Zeiten des Krieges vorsichtig mit Informationen umgeht.

    Wie sieht denn die Lage an der Grenze zu Rumänien aus? Fliehen noch viele Leute ins Nachbarland?
    OSACHUK: Mittlerweile hat sich die Lage an der ukrainisch-rumänischen Grenze beruhigt. Das ist kein Vergleich, wie es in den ersten Wochen und Monaten des Krieges war. Wenn wir über den Personenverkehr sprechen, ist das in einer geregelten Größenordnung. Eine enorme große Belastung ist die Ausfuhr von ukrainischem Getreide, Lebensmittel, Öl. Es gibt kilometerlange Lkw-Staus an unseren Grenzübergängen. Deswegen sind wir bemüht, und der Bezirk Schwaben und Präsident Martin Sailer hat uns enorm unterstützt, dass seitens der EU der Ausbau und die Eröffnung weiterer Grenzübergänge beschleunigt wird.

    Wie sieht es auf der anderen Seite der Grenze aus? Gibt es auch viele Ukrainer die jetzt wieder zurückkehren?
    OSACHUK: Diese Tendenz haben wir seit Mai festgestellt. Viele kehren wieder nach Hause zurück. Und immer noch kommen große Mengen an humanitärer Hilfe aus Italien, aus Österreich, aus Deutschland über diese Grenzübergange. Und ich möchte immer unsere Nachbarn und Partner in Rumänien loben, die vom ersten Tag an unsere Flüchtlinge aufgenommen haben, die Menschen verpflegen und ihnen geholfen haben. Es war entlang der gesamten EU-Grenze zur Ukraine bestens organisiert. Großes Lob an die EU und alle europäischen Staaten, die uns geholfen haben. Vielen Dank!

    Zur Person

    Sergij Osachuk, geboren am 7. Juni 1972, ist ukrainischer Historiker und Politiker und ist seit dem 22. November 2019 Gouverneur des Oblasts Czernowitz im Westen der Ukraine, an der Grenze zu Rumänien.

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