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Krieg in der Ukraine: Ukrainisch-russische Verhandlungen in Istanbul: Ein Funken Hoffnung

Krieg in der Ukraine

Ukrainisch-russische Verhandlungen in Istanbul: Ein Funken Hoffnung

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    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte die Delegationen aus der Ukraine und aus Russland in Istanbul.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte die Delegationen aus der Ukraine und aus Russland in Istanbul. Foto: Turkish Presidency, dpa

    Die ganze Welt warte auf gute Nachrichten, schärfte Recep Tayyip Erdogan den Unterhändlern ein. Vor den ukrainisch-russischen Gesprächen in Istanbul am Dienstag sagte der türkische Präsident, die Zeit für „konkrete Ergebnisse“ sei gekommen. Mehr als fünf Stunden später berichteten Ukrainer und Russland tatsächlich von Fortschritten.

    Gespräche zwischen Russland und Ukraine scheinen konstruktiv

    Die Verhandlungsrunde in einem Amtssitz Erdogans am Bosporus begann frostig. Zwar schüttelte Erdogan den Unterhändlern nach seiner Eröffnungsansprache die Hand, doch einen Handschlag zwischen Russen und Ukrainern gab es offenbar nicht. Die Atmosphäre im Saal war unterkühlt. Die Delegationen saßen sich an einem weiß gedeckten Tisch gegenüber, der mit den Fahnen beider Länder und rosa Blumen geschmückt war. Einer der ukrainischen Unterhändler erschien im Kampfanzug.

    Hinter verschlossenen Türen ging es dann jedoch offenbar konstruktiver zu als erwartet. Mit im Saal war Roman Abramowitsch, kremlnaher russischer Oligarch und Noch-Besitzer des britischen Fußballclubs Chelsea, der in den vergangenen Wochen nach Moskau und Kiew gereist war und vom russischen Präsidenten Wladimir Putin laut Presseberichten als Vermittler akzeptiert wird.

    Welche Rolle der Milliardär bei den Istanbuler Gesprächen spielte, blieb offen. Doch als sich Vertreter beider Seiten nach der Verhandlungsrunde in getrennten Stellungnahmen vor den Medien äußerten, wurde schnell klar, dass es am Bosporus mehr vorangegangen war als in bisherigen Treffen. Die Gespräche hatten zunächst in Belarus stattgefunden und dann per Videoschalte. Die Zusammenkunft am Bosporus war das erste persönliche Treffen der Delegationen seit Wochen.

    Russland will seine Angriffe reduzieren und Angebote der Ukraine prüfen

    Der russische Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin sagte, „militärische Aktivitäten“ in der Umgebung der ukrainischen Hauptstadt Kiew und der Stadt Tschernihiw würden im Interesse einer Vereinbarung mit der ukrainischen Seite „im großen Maßstab“ reduziert. Delegationsleiter Wladimir Medinsky sagte, seine Seite werde die ukrainischen Vorschläge prüfen und Präsident Putin informieren. Medinsky meinte damit den Plan für eine politische Lösung des Konflikts, den die ukrainische Seite am Dienstag vorgelegt hatte.

    Demnach verzichtet die Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft und sagt zu, keine ausländischen Truppen im Land zu stationieren. Voraussetzung für diese „dauerhafte Neutralität“ seien feste Zusagen von internationalen Garantiemächten – im Gespräch dafür sind unter anderem die Nato-Länder Türkei, Polen und Kanada sowie Israel: Die ohne selbst Nato-Mitglied zu sein. Für die von Russland annektierte Halbinsel Krim soll es nach ukrainischen Vorstellungen eine 15-jährige Frist geben, in der über die Zukunft der Region gesprochen wird.

    Doch von Frieden kann derzeit noch keine Rede sein. Ein Waffenstillstand wurde in Istanbul nicht vereinbart; anders als geplant, wird die Istanbuler Verhandlungsrunde an diesem Mittwoch nicht fortgesetzt. Die Gespräche sollen erst in zwei Wochen weitergehen.

    Sicherheitsexperten warnen vor übereilter Hoffnung auf Frieden

    Beobachter sind entsprechend vorsichtig mit der Bewertung der aktuellen Entwicklung. „Fakt ist: Die Russen ziehen sich aus dem Raum um Kiew zurück, bzw. werden von den Ukrainern vertrieben“, sagt Joachim Krause, Sicherheitsexperte an der Universität Kiel, unserer Redaktion. „Dafür gibt es zwei Erklärungen: entweder verlagern sie ihren Schwerpunkt - wie angekündigt - auf die vollständige Eroberung des Donbass, oder sie sind mit ihrem Latein am Ende, weil ihnen die Munition ausgeht, die Moral in der Truppe sinkt und die Sanktionen tiefe Einschnitte verursachen.“ Die plötzliche Verhandlungsbereitschaft auf russischer Seite scheine zumindest darauf hinzudeuten, dass sich das Kriegsglück zugunsten der Ukrainer wendet. „Aber wie so oft in diesem Krieg: was heute gewiss erscheint, ist morgen wieder ganz anders“, warnt Krause vor übereilten Hoffnungen.

    Auch der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München ist zurückhaltend. Es sei nicht auszuschließen, dass Putin die Gespräche nur nutze, um seine Truppen auszutauschen und Erdogan einen vermeintlichen Vermittlungserfolg zu „schenken“, schreibt er auf Twitter. Im Endeffekt habe es keine substanziellen Fortschritte gegeben.

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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