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Krieg in der Ukraine: Streit um Waffen und Panzer: Die Schweiz und ihre Neutralität als Bürde

Krieg in der Ukraine

Streit um Waffen und Panzer: Die Schweiz und ihre Neutralität als Bürde

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    In der Schweiz gilt das Neutralitätsgebot - das aber gerade im Umgang mit der Ukraine zum Problem wird. Im Gegensatz zu den Nato-Staaten liefern die Eidgenossen keine Waffen.
    In der Schweiz gilt das Neutralitätsgebot - das aber gerade im Umgang mit der Ukraine zum Problem wird. Im Gegensatz zu den Nato-Staaten liefern die Eidgenossen keine Waffen. Foto: Lukas Lehmann, dpa

    Am 16. Juni 2021 erlebte die Neutralität der Schweiz eine Sternstunde. Helvetiens Bundespräsident Guy Parmelin empfing den US-Präsidenten Joe Biden und den Staatschef Russlands, Wladimir Putin, in Genf, der

    Vor allem die hartnäckige Weigerung Berns, der Ukraine Waffen zum Überleben zu liefern, ramponiert den Ruf der Eidgenossen. „Die Schweiz hat sich mit ihren Regeln über die Wiederausfuhr von Waffen in eine unmögliche Lage gebracht“, urteilt der Zürcher Völkerrechtler Oliver Diggelmann. „Wer sollte das bestreiten?“

    Bei der Bundeswehr leeren sich die Bestände

    Bislang hat die Schweiz trotz Drucks aus Berlin, Paris, Brüssel und Washington keinen einzigen Schuss Munition, kein Gewehr oder schwere Waffe an die Ukraine geliefert. Ebenso sperren sich die Schweizer gegen die indirekte Weitergabe von Kriegsmaterial, das andere Staaten bei ihnen gekauft haben. Gleichzeitig leeren sich bei der Bundeswehr und bei weiteren Nato-Ländern die Armeebestände, der Westen kann den Munitionsbedarf der Ukraine kaum noch decken. Selbst Helvetiens Verteidigungsministerin Viola Amherd musste vor der Schweizerischen Offiziersgesellschaft zugeben, dass sich ihr Land im Westen isoliert: „Aber keine meiner Amtskolleginnen und keiner meiner Amtskollegen hat Verständnis dafür, dass wir andere Länder daran hindern, die Ukraine mit dringend benötigten Waffen und Munition zu versorgen.“

    Anfang März schickten Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Brief an Amherd. Die Deutschen wollten erreichen, dass der Rüstungskonzern Rheinmetall eingemottete Panzer der Schweizer Armee vom Typ Leopard 2 erwerben kann. Die gekauften „Leos“ sollen Kampfvehikel ersetzen, die westliche Länder in die Ukraine schicken. 

    Rechte und Pflichten neutraler Mächte ist im Haager Abkommen geregelt

    Der „Verkauf eines Teils dieser Kampfpanzerflotte bedingt eine vorgängige formelle Außerdienststellung durch einen Parlamentsentscheid“, hieß es aus dem Verteidigungsministerium auf Anfrage. Falls Rheinmetall die außerdienstgestellten Leoparden übernimmt, könnten die Deutschen über die Panzer frei verfügen. Bis heute aber wartet Berlin auf eine Entscheidung in Bern. 

    Unmut erregte schon 2022 das Berner Nein zum Transfer von Munition aus Schweizer Produktion für den deutschen Flakpanzer Gepard. Deutschland gab Gepard-Panzer an die Ukraine weiter und wollte die Munition mitliefern. Seit Beginn des Krieges verschanzt sich Bern hinter der Neutralität der Eidgenossenschaft, die 1647 offiziell erwähnt wurde. Der Wiener Kongress 1815 erkannte die Schweizer Neutralität international an. Bis heute prägt das Prinzip die Außen- und Sicherheitspolitik des Landes. „Neutralität heißt, dass wir keine Waffen liefern können“, erläutert Außenminister Ignazio Cassis auch mit Verweis auf die Bestimmungen der Haager Abkommen von 1907. Dort sind Rechte und Pflichte neutraler Mächte festgelegt. Das Neutralitätsrecht funktioniert laut Völkerrechtler Diggelmann „schematisch und verbietet die militärische Begünstigung einer Kriegspartei in einem laufenden Staatenkrieg, was bei einer klaren Aggression natürlich ein Problem ist“. 

    Schweiz trägt die Sanktionen gegen Russland mit

    Das Schweizer Nein zu direkten oder indirekten Waffenlieferungen ruft umso mehr Erstaunen aus, als dass die Eidgenossen die umfangreichen Wirtschafts- und Finanzsanktionen der EU gegen Russland mittragen. „Die Übernahme von Sanktionen ist voll und ganz mit unserer Neutralität kompatibel“, doziert Außenminister Cassis. 

    Vollends unglaubwürdig erscheint die Schweizer Ukraine-Politik angesichts der florierenden Ausfuhr von Rüstungsgütern an andere Staaten. Im Jahr 2022 exportierten Helvetiens Waffenschmieden Waren im Wert von 955 Millionen Franken in 60 Länder. „Die Kriegsmaterialausfuhren verzeichneten im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme, und zwar um 212,2 Millionen Franken“, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft in Bern. Größter Abnehmer der Eidgenossen ist das autoritär regierte Katar. Auf Platz vier der wichtigsten Empfängerländer für Schweizer Rüstungsgüter befindet sich Saudi-Arabien. Das Königreich beteiligt sich seit Jahren am blutigen Krieg im Nachbarland Jemen, in dem bereits zehntausende Menschen starben. Und: UN-Ermittler werfen den Saudi-Streitkräften, die Material aus der Schweiz beziehen, das Verüben von Kriegsverbrechen vor. 

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