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Krieg in der Ukraine: Selenskyj und Saluschnyj: Rivalen inmitten des Krieges

Krieg in der Ukraine

Selenskyj und Saluschnyj: Rivalen inmitten des Krieges

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    Der 50-jährige Saluschnyj wurde wenige Monate vor dem russischen Einmarsch im Februar 2022 Oberbefehlshaber der Armee.
    Der 50-jährige Saluschnyj wurde wenige Monate vor dem russischen Einmarsch im Februar 2022 Oberbefehlshaber der Armee. Foto: Imago Images

    Der Himmel über Kiew ist trüb in diesen ersten Februartagen. Die Sonne geht früh unter hier im Osten Europas, der Regen macht die ohnehin angespannte Lage in der ukrainischen Hauptstadt noch ein wenig ungemütlicher. Kurz vor Beginn des dritten Kriegsjahres hat Präsident Wolodymyr Selenskyj Mühe, die Motivation im eigenen Land hochzuhalten. Die Soldaten an der Front murren, weil sie nach zwei Jahren im Schützengraben auf eine Ablösung warten, die es wegen des Mangels an Rekruten nicht gibt. Der versprochene Sieg gegen Moskau ist allen Anstrengungen zum Trotz nicht in Sicht. Die Hilfsgelder der Europäischen Union werden zwar freigegeben, doch das ständige Ringen um Unterstützung zerrt an den Nerven. Ausgerechnet in dieser so schwierigen Phase des Krieges flammt nun ein Machtkampf innerhalb des ukrainischen Staatsapparates auf: Selenskyj gegen Saluschnyj. 

    Mitte der Woche sorgten in Kiew Gerüchte für Aufregung, dass der Präsident seinen Armeechef entlässt. Die Präsidialverwaltung dementiert, Walerij Saluschnyj bleibt im Amt. Selbst die USA sollen gemahnt haben. Auch in der Armee ist der Widerstand gegen einen Wechsel an der Spitze groß. Offiziell soll alles seinen gewohnten Gang gehen. Doch das schwierige Verhältnis der beiden Männer ist längst kein Geheimnis mehr. Seit Monaten schon teilen sie öffentliche Spitzen gegeneinander aus. Es ist ein riskantes Manöver – vor allem für den Präsidenten selbst. Nicht nur, dass sein oberster General einer der wichtigsten Akteure ist im Krieg gegen Russland. Der Armeechef ist auch äußerst beliebt bei der Bevölkerung, genießt regelrecht Kultstatus. 

    Zank in der ukraninischen Führung über die militärische Bewertung des Krieges

    Uneins sind sich die beiden vor allem in der Bewertung des Krieges. Saluschnyj war es, der im Sommer für Unmut im Präsidentenpalast gesorgt hat, als er öffentlich davon sprach, dass die Offensive gescheitert sei und die Truppen in einem Patt feststecken. Selenskyj stellt die Lage gerne positiver dar. Streit gab es zudem über das militärische Vorgehen an einzelnen Frontabschnitten. Schienen die beiden lange eine feste Achse zwischen politischer und militärischer Führung zu bilden, treten die Spannungen inzwischen immer deutlicher zutage. „Saluschnyjs Betonung der bevorstehenden militärischen Herausforderungen steht in einem gewissen Widerspruch zu Selenskyjs täglichem Versuch, den Optimismus zu erhalten“, sagt Gwendolyn Sasse, wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa-Studien. Doch noch etwas anderes dürfte den Konkurrenzkampf befeuern: „Saluschnyi ist momentan bei Weitem die beliebteste Person in einer Führungsposition“, sagt Sasse. „Auch wenn er bisher selbst keine politischen Ambitionen angekündigt hat, ist es möglich, dass er zu Selenskyjs politischem Rivalen wird.“ 

    Zwar ist der Zuspruch, auf den der Präsident bauen kann, noch immer überwältigend hoch – doch die Zahlen, die ihm von den Umfrageinstituten präsentiert werden, gehen zumindest leicht zurück. Tatsächlich etwas befürchten muss Selenskyj gleichwohl nicht. Die eigentlich für Anfang März geplanten Präsidentschaftswahlen fallen wegen des Krieges aus. Und doch ist der Konflikt innenpolitisch riskant. 

    Der Streit zwischen Selenskyj und Saluschnyj verbreitet Unsicherheit in der Ukraine

    „Bereits die Spekulationen über einen schwelenden Machtkampf zwischen Selenskyj und Saluschnyj und die Existenz paralleler Kommunikationskanäle zwischen der Politik und der Armee bergen ein Risiko für die Ukraine, insbesondere in der zunehmend schwierigen militärischen Lage“, sagt Sasse. „Sie verbreiten Unsicherheit in und außerhalb der

    Im Kreml dürfte man die Entwicklung mit Freude zur Kenntnis nehmen. Wie auch die kritischen Stimmen, die inzwischen gegenüber dem Präsidenten laut werden. Ausgerechnet dessen demokratisches Verständnis wird bisweilen in Zweifel gezogen – ein Faustpfand, das in den Verhandlungen mit der EU und den USA von enormem Gewicht ist. Tatsächlich ließ Selenskyj Fernsehsender schließen; er entzog unliebsamen Landsleuten die Staatsbürgerschaft. Das Kriegsrecht gibt ihm zudem Instrumente in die Hand, die sich nicht nur gegen den russlandfreundlichen Teil der Opposition richten. Das Demonstrationsrecht ist eingeschränkt. Parlamentsdebatten laufen unter Verweis auf die Sicherheit hinter verschlossenen Türen ab. Frühere Weggefährten werfen ihm Selbstherrlichkeit, Beratungsresistenz und einen zunehmend autoritären Führungsstil vor. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko spricht öffentlich von Fehlern und Lügen. Doch der Glaube an den Sieg über Russland und die Rückkehr zu den Grenzen von 1991 schweißt das Land zusammen und stärkt Selenskyj den Rücken.

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